Das alte Klischee: Sind die erstgeborenen Kinder tatsächlich klüger?

Das "Project Talent" aus den USA gibt Aufschluss über den Einfluss des Geburtszeitpunktes innerhalb der Familie

Von Cornelia Scherpe
24. Juli 2015

Man hört es im Freundes- und Bekanntenkreis, liest es in Elternratgebern und irgendwann ist es in den Köpfen vieler Familien eingepflanzt: der oder die Erstgeborene eines Paares ist schlauer und allgemein kompetenter als die jüngeren Geschwister.

Spielt der Geburtszeitpunkt eine Rolle?

Sigmund Freud, selbst Erstgeborener mit sieben Geschwistern, war bereits davon überzeugt. Er begründete es (ähnlich wie Ratgeber heute) mit der Vermutung, dass Eltern dem ersten Kind ganz besondere Aufmerksamkeit schenken; es überdurchschnittlich fördern und dieses Kind später die jüngeren Geschwister mit betreut. Es wird daher klüger und verantwortungsvoller.

Alfred Adler, wie Freud Psychotherapeut, aber ein zweitgeborenes Kind, war der gegenteiligen Meinung. Er sah jüngere Geschwister als die "besseren". Immerhin würden diese unter den Neurosen der älteren Geschwister leiden und lernen, sich besser durchs Leben zu kämpfen. Wer hat nun Recht und spielt die Reihenfolge der Geburt überhaupt eine so große Rolle?

Erziehung und individuelle Persönlichkeit

Bisher konnte die Frage nie wissenschaftlich eindeutig beantwortet werden, da einfach große Langzeitstudien fehlten. In den USA begann 1960 das "Project Talent" und sammelte tausende Daten von Kindern. Die Studie achtete auf viele Faktoren, wie Familiengröße, Bildung und Persönlichkeitsmerkmale. Die Daten von 272.003 damals gesammelten Kindern wurden nun ausgewertet und zeigen deutlich: Es spielt überhaupt keine Rolle, ob man

ist. Weder der IQ, noch die sozialen Kompetenzen sind bei den großen Geschwistern nennenswert überlegen. Es gab eine winzige Tendenz, die jedoch statistisch ohne Relevanz ist und nach Aussagen der Forscher im Alltag überhaupt nicht spürbar wird.

Im Durchschnitt liegt der IQ der Erstgeborenen gerade einmal einen Punkt über den jüngeren Geschwistern. Es entscheidet also nicht der Zeitpunkt der Geburt, sondern die Erziehung und die individuelle Persönlichkeit über die Entwicklung.