Die Trotzphase als wichtiger Meilenstein in der kindlichen Entwicklung

Der 3jährige Jan wirft sich im Supermarkt auf den Boden, brüllt und strampelt mit den Beinen. "Ich will, ich will, ich will aber sofort das Auto haben...". Die Mutter steht irgendwie in einer Mischung aus Ratlosigkeit und Zorn daneben, einige Leute gehen kopfschüttelnd vorbei.

Von Tanja Tasci

Die Erfahrung des eigenen Ichs als Ablösungsprozess

Wer Kinder hat, kennt diese Tobsuchtsanfälle wohl auch gut aus eigener Erfahrung, aber kaum jemand ist sich bewusst, wie große Bedeutung diese Phase für die kindliche Entwicklung hat. Mit der Fähigkeit zu aufen lernt das Kind zuerst einmal:

  • seinen Bewegungsradius zu erweitern
  • zu Dingen zu gelangen, die es zuerst nur sieht
  • die Welt auf eigenen Beinen zu erkunden

Gleichzeitig entwickeln sich die Sprachfertigkeiten, das Kind:

  • kann Wünsche äußern
  • wird Bedürfnisse bekunden
  • beginnt Zusammenhänge zu verstehen, die ihm erklärt werden

Bis zum Beginn des Laufenlernens erkennt es noch nicht, dass es eine eigenständige Person ist - es fühlt sich immer noch der Mutter zugehörig. Im Laufe der Zeit, wenn das Kind seine bewegungstechnischen und sprachlichen Fertigkeiten ausreichend entwickelt hat, bemerkt es, dass es sich auch räumlich von seiner Bezugsperson wegbewegen kann und später auch, dass es sich verbal von ihr "wegbewegen" oder sich ihren Worten verweigern kann.

Diese Erfahrung eines eigenen Ichs, das sich selbständig bewegen kann und eine von der Bezugsperson, in den meisten Fällen der Mutter, getrennte Persönlichkeit ist, ist für das Kind faszinierend. Es bemerkt, dass es einen eigenen Willen hat, den es gegen den Willen der Mutter setzen kann.

Der Prozess dieser Ablösung ist für das Kind wichtig, und muss auch durchgestanden werden, damit das Kind seine eigene Persönlichkeit später auch wirklich ganz entwickeln kann.

Die richtige Erziehungsmethode

Praktisch alle Erziehungstheoretiker zu Beginn des Jahrhunderts rieten, dass der Wille des Kindes unbedingt gebrochen werden müsse, "weil es sonst widerspenstig bleiben wird, und nicht mehr erziehbar." Diese rigorose Haltung, die in keinster Weise die Persönlichkeit des Kindes respektiert, gilt heute als verpönt.

Umgekehrt führt auch ständiges Nachgeben zu nichts - ganz abgesehen davon, dass irgendwann die Forderungen des Kindes ohnehin unerfüllbar werden, weil es so lange probiert, bis es an eine Grenze stößt.

Die Schwierigkeit besteht darin, gerade bei Trotzanfällen, dem Kind liebevoll Grenzen zu setzen, ohne dass es sich dabei ungeliebt fühlt. Auf keinen Fall sollte man mit Aggression oder gar Gewalt reagieren. Das führt zu nichts und raubt dem Kind nur schnell das Vertrauen zu seiner Bezugsperson.

Am besten ist es, das Kind einfach - ohne Gewalt - während der Trotzanfälle liebevoll festzuhalten und leise mit ihm zu sprechen. Es wird toben, brüllen, strampeln, vielleicht auch beißen - aber mit der Zeit wird es beginnen sich zu beruhigen und zuzuhören und die Wut verraucht. Dann kann man es sanft ablenken und alles ist wieder gut.

Auf diese Art und Weise fühlt das Kind, dass man auch seinen Zorn respektiert, dass es aber nichtsdestoweniger Grenzen gibt und die positiv bewältigte Trotzphase dauert meist nur sehr kurz.