Ursachen, Folgen und Abgewöhnung des Daumenlutschens

Beim Daumenlutschen wird der Daumen in den Mund gesteckt und gelutscht. Vor allem bei Babys ist diese Eigenart nicht ungewöhnlich.

Von Jens Hirseland

Unter Daumenlutschen versteht man das Saugen oder Lutschen am Daumen. Das Daumenlutschen wird in erster Linie von Babys und Kleinkindern ausgeübt und ist bei diesen durchaus üblich.

Ursachen des Daumenlutschens

Während das Nuckeln und Saugen an der Brust der Mutter oder an einer Milchflasche der Aufnahme von Nahrung dient, sorgt das Daumenlutschen hingegen für die Beruhigung des Kindes. Der Ursprung des Daumenlutschens ist vollkommen natürlich. So verfügt der Mensch über einen angeborenen Saugreflex. Die saugenden Mundbewegungen sorgen in den ersten Monaten des Lebens für die Aufnahme der Nahrung. Übrigens gibt es den Saugreflex auch bei Affen.

Dieser Reflex kommt bereits im Mutterleib zustande. Dabei nimmt der ungeborene Fetus den Daumen in seinen Mund. Interessanterweise findet sich das Daumenlutschen nur selten bei Naturvölkern, dafür aber verstärkt innerhalb von höher entwickelten Zivilisationen.

Nach Meinung von Psychologen denken die Babys und Kleinkinder beim Daumenlutschen an Geborgenheit und Ruhe. Später verwenden sie anstelle des Daumenlutschens oft auch andere Gegenstände wie einen Schnuller oder eine Schmusedecke, mit deren Hilfe sie in Stresssituationen für mehr Entspannung sorgen.

  • Je aufgeregter sich ein Kind verhält, desto mehr lutscht es an seinem Daumen oder einem anderen Gegenstand.
  • Ferner wird auch das Schlafbedürfnis des Kindes durch das Daumenlutschen befriedigt.

Zu den möglichen Ursachen des Daumenlutschens zählen

  • mangelnde Geborgenheit oder Nähe
  • Verunsicherung oder
  • Ängste des Kindes.

Manche Kinder lutschen aber auch nur

  • aus Langeweile

am Daumen.

Mögliche Auslöser:

  • mangelnde Nähe
  • Ängste
  • Verunsicherung
  • Langeweile

Daumenlutschen in der Medizin

  • Vor dem späten 19. Jahrhundert fand das Lutschen am Daumen in der Medizin keinerlei Beachtung.

    Ab 1870 stuften es dann mehrere Kinderärzte allmählich als schädlich ein.

  • 1910 wurde es sogar zum Bestandteil der medizinischen Literatur über Kinderkrankheiten. So sahen zahlreiche Ärzte im Lutschen am Daumen ein krankhaftes Verhalten des Kindes. Sogar den Nervenerkrankungen wurde es zeitweise zugeordnet.

  • Der Psychoanalytiker Sigmund Freud (1856-1939) wertete das Daumenlutschen als Beleg für kindliche Autoerotik. Nach Ansicht einiger Ärzte gewöhnte sich das Kind durch das Lutschen am Daumen sogar an die sexuelle Selbstbefriedigung.

  • Auf die Dauer ließ sich das Daumenlutschen medizinisch jedoch nicht als Krankheit bewerten. So sehen die meisten Kinderärzte der Gegenwart es nur noch als schlechte Angewohnheit an.

Folgen für Zähne und Kiefer

Bis zum dritten Lebensjahr gilt das Daumenlutschen nach Ansicht der Ärzte als harmlos. Eine Unterdrückung des Saugreflexes ist in dieser Zeit also unnötig. Hält das Lutschen am Daumen jedoch länger an, wird es als negative Unart eingestuft. Diese kann sich wiederum auf die Zähne und den Kiefer des betroffenen Kindes auswirken.

Bei einem Baby ist der Kieferknochen noch sehr weich, wodurch er sich verformen lässt. Durch die Berührung mit weichen Körperteilen wie der Zunge und den Lippen wird die Zahnstellung bestimmt. So kommt es durch sanften Zungendruck in die vordere Richtung sowie der Lippen in die hintere Richtung zur Ausrichtung der Vorderzähne.

Bei einem sehr intensiven Daumenlutschen besteht die Gefahr einer negativen Beeinträchtigung von Kiefer und Zähnen. Die Verformung des wachsenden Organismus kommt durch Gegendruck zustande. So kann durch das Daumenlutschen ein Voranziehen des Kiefers entstehen.

  • Dies hat auch Auswirkungen auf die oberen Schneidezähne, die sich falsch ausrichten.
  • Manchmal entsteht auch ein offener Biss, bei dem die Zahnreihen auseinander gezogen werden. Der Druck des Daumens bewirkt eine Verschiebung der oberen Zähne in die Vorderrichtung sowie der unteren Zähne in die hintere Richtung.

Schätzungen zufolge treten bei etwa 300.000 deutschen Kindern Schäden am Kiefer aufgrund von zu intensivem Daumenlutschen auf.

  • Auch falsche Schluckmuster entstehen durch das ständige Lutschen am Daumen.
  • In manchen Fällen sind sogar Sprachstörungen möglich, was vor allem für die S-Laute gilt.

Abgewöhnung

Einem Kind das Daumenlutschen abzugewöhnen, ist weitaus schwieriger, als die Entwöhnung von einem Schnuller, welcher dem Kind einfach weggenommen werden kann. Lutscht ein Kind, das älter als drei Jahre ist, nach wie vor am Daumen, wird empfohlen, sich an den Kinderarzt zu wenden. Mit dessen Hilfe lassen sich die möglichen Ursachen für einen so genannten Lutschhabit herausfinden.

  • Im Fall von Langeweile sind oft Spielzeuge für beide Hände hilfreich.
  • Auch der regelmäßige Aufenthalt in der Natur ist nützlich. So vergessen die meisten Kinder im Laufe der Zeit das Daumenlutschen einfach.
  • Außerdem sollte das Kind gelobt werden, wenn es seinen Daumen nicht zum Lutschen benutzt.

Als kontraproduktiv gelten dagegen Strafen, die das Kind letztlich nur noch mehr am Daumen lutschen lassen. Wenig sinnvoll ist zudem das Einreiben des Daumens mit bitterer Creme.

Schnuller als Ersatz?

Einige Zahnärzte vertreten die These, dass Schnuller kiefergerechter geformt sind als der Daumen und daher dem Kind als Ersatz angeboten werden sollten. Kinderärzte halten dem jedoch entgegen, dass der Daumen mundgerechter sei als künstliche Produkte aus Latex oder Silikon. Darüber hinaus würden die Kinder bereits im Mutterleib am Daumen lutschen.

Therapiemöglichkeiten

Für den Fall, dass es durch das ständige Daumenlutschen tatsächlich zu Fehlstellungen der Zähne oder gar Sprachfehlern kommt, gibt es einige Therapiemöglichkeiten. So sollten ab dem Vorschulalter kieferorthopädische oder logopädische Behandlungen erfolgen.