Spinalanästhesie - Anwendungsgebiete, Ablauf und Risiken

Die Spinalanästhesie ist ein häufig verwendetes Narkoseverfahren, das besonders bei operativen Eingriffen im Bereich der Leiste, der Beine und des Unterleibs sowie bei Kaiserschnitt-Geburten zum Einsatz kommt. Durch die Injektion eines Lokalanästhetikums über die Lendenwirbelsäule in den Hirnwasserraum werden die Rückenmarksnerven vorübergehend betäubt. Der Patient bleibt bei Bewusstsein. Erfahren Sie hier alles Wichtige rund um die Spinalnarkose.

Von Jens Hirseland

Als Spinalanästhesie wird eine rückenmarksnahe Form der Regionalanästhesie bezeichnet. Sie ist Bestandteil der zentralen Leitungsanästhesien und wird auch als Lumbalanästhesie bezeichnet. Der Begriff Spinalis stammt aus dem Lateinischen und bedeutet "zu Wirbelsäule bzw. Rückenmark gehörig", während Lumbalis übersetzt "zur Lende gehörig" bedeutet.

Bei einer Spinalanästhesie wird ein lokal wirkendes Betäubungsmittel in Höhe der Lendenwirbelsäule in den Subarachnoidalraum (Hirnwasserraum) injiziert. Dies bewirkt eine vorübergehende Blockade von Sensibilität, Motorik und sympathischen Nervensystem in der unteren Hälfte des Körpers.

Funktionsweise der Spinalanästhesie

Durch eine Spinalanästhesie lässt sich das Weiterleiten von Signalen an das Rückenmark unterbrechen, indem der Arzt spezielle Betäubungsmittel in den Liquorraum (Hirnwasserraum), von dem das Rückenmark umgeben wird, spritzt. Das Präparat sorgt für die Hemmung von Schmerzen sowie Wärme-, Kälte und Druckempfindungen. Gleiches gilt für die Nervenfasern, die für die Steuerung der Muskeln sowie von Teilen des unwillkürlichen Nervensystems verantwortlich sind.

Über das Rückenmark werden alle Nervensignale von Rumpf und Gliedmaßen zum Gehirn weitergeleitet. Dadurch ist es mit der Spinalanästhesie möglich, größere Bereiche des Organismus zu betäuben, die von den Beinen bis hin zum Brustkorb reichen.

Anwendungsgebiete der Spinalanästhesie

Verwendung findet die Spinalanästhesie bei diversen Operationen in der Bauch-, Becken- und Beinregion. Vor allem Orthopädie und Urologie nutzen dieses Betäubungsverfahren häufig, weil die Spinalanästhesie den Vorteil hat, schonender zu wirken als eine Vollnarkose. Dadurch eignet sie sich besonders gut für Patienten, die unter Problemen mit Herz und Kreislauf leiden. Die Spinalanästhesie lässt sich aber auch mit einer Vollnarkose verbinden.

Ein weiteres häufiges Anwendungsgebiet stellt die Geburtshilfe dar. So lässt sich das Verfahren im Rahmen eines Kaiserschnitts verwenden. Für das ungeborene Kind ist die Spinalanästhesie ungefährlich.

Die häufigsten Indikationen der Spinalanästhesie:

Ablauf einer Spinalanästhesie

Vor dem Eingriff

Am Operationstag darf sechs Stunden vor dem Durchführen der Spinalanästhesie nichts mehr gegessen werden. Dies gilt ebenso für die Zufuhr von trüben Flüssigkeiten. Zwei Stunden vor der Anästhesie ist außerdem auf das Trinken von klaren Flüssigkeiten zu verzichten. Darüber hinaus darf nicht mehr geraucht werden. Mit dem Anästhesisten ist ferner zu besprechen, welche Arzneimittel vor der Betäubung noch eingenommen werden können.

Ablauf der Spinalanästhesie

Für die Spinalanästhesie setzt sich der Patient hin oder nimmt eine gekrümmte Seitenlage ein. Erster Schritt ist das gründliche Desinfizieren des Rückens, der außerdem mit sterilen Tüchern abgedeckt wird. Als Einstichstelle dient normalerweise der 2. und 3. oder der 3. und 4. Lendenwirbel. Außerdem erhält der Patient ein örtliches Betäubungsmittel, damit er den Einstich nicht bemerkt.

Den nächsten Schritt bildet die Injektion, die mit einer speziell geformten Nadel in den Rückenmarkskanal verabreicht wird. In der Regel verspürt der Patient dabei keine Schmerzen, allerdings kann es zu einem größeren Druckgefühl kommen. Zwischen zwei Wirbeln wird die Nadel in die vordere Richtung durch einige Wirbelsäulenbänder hindurch bis zur harten Rückenmarkshaut vorgeschoben. Endziel ist der Bereich, der mit Hirnwasser gefüllt ist. Durch das Fließen von Liquor durch die Spritze kann der Arzt erkennen, dass die Nadel den Zielpunkt erreicht hat.

Das betäubende Medikament lässt sich nun injizieren. Alternativ besteht auch die Option, einen Katheter aus Plastik in den Liquorraum einzubringen. Mit diesem Vorgehen ist es möglich, über längere Zeit Arzneimittel zu verabreichen.

Von der Höhe der Wirbelsäule hängt es ab, welches Präparat und welche Dosis für die Spinalanästhesie verabreicht werden. Grundsätzlich erfolgt das Injizieren des Betäubungsmittels stets im Bereich der Lendenwirbelsäule. Der betäubende Effekt setzt bereits nach wenigen Minuten ein und macht sich zunächst durch ein Gefühl der Wärme und Kribbeln bemerkbar.

Bis das Anästhetikum seine volle Wirkung entfaltet, dauert es ungefähr 10 bis 20 Minuten. Die betroffene Körperregion zeigt keinerlei Empfindungen mehr und kann nicht bewegt werden. An der Einstichstelle erhält der Patient ein Pflaster.

Der Patient bleibt während der Spinalanästhesie vollständig wach. Hat er Angst vor der Operation, besteht jedoch die Möglichkeit, ihm ein Schlafmittel zu verabreichen, sodass er den Eingriff kaum mitbekommt.

Verhalten nach der Spinalanästhesie

Auch nach dem Abklingen der Spinalanästhesie nach etwa drei bis vier Stunden sind einige Dinge zu beachten. So darf der Patient einen Tag lang kein Auto steuern oder an laufenden Maschinen arbeiten. Es ist ratsam, sich von einer Begleitperson nach Hause bringen zu lassen oder ein Taxi zu nehmen. Alkohol ist in den ersten 24 Stunden tabu.

Darüber hinaus empfiehlt es sich, beim Liegen im Bett den Oberkörper anzuheben. Beim Aufstehen sollte Hilfe in Anspruch genommen werden, damit es nicht zu einem Sturz kommt.

Leidet der Patient nach dem Eingriff unter Übelkeit sowie Kopf- oder Rückenschmerzen, ist es wichtig, dies dem Arzt mitzuteilen, um eine entsprechende Behandlung einzuleiten.

Risiken der Spinalanästhesie

Die Spinalanästhesie zählt zu den sichersten medizinischen Verfahren, dennoch sind unerwünschte Nebenwirkungen und Komplikationen möglich. Dazu gehören in erster Linie Übelkeit und Erbrechen, die sich jedoch mit Medikamenten gut behandeln lassen.

In vielen Fällen leiden die Patienten nach dem Eingriff unter postspinalen Kopfschmerzen. Grund dafür ist das Austreten einer kleinen Menge an Hirnwasser während der Spinalanästhesie, was zu einem geringfügigen Unterdruck führt. Die Behandlung der Kopfschmerzen ist jedoch kein Problem.

Eine überaus seltene schwere Komplikation stellt das versehentliche Injizieren des Betäubungsmittels in eine Vene dar. Gleiches gilt für eine zu hohe Dosierung. Dabei besteht das Risiko, dass sich das Präparat über den Blutkreislauf verteilt und im Liquorraum in die Höhe aufsteigt. Im Extremfall drohen dadurch eine Atemlähmung sowie ein tödlicher Herzstillstand.

Weitere mögliche Komplikationen:

  • Blutergüsse, die das Rückenmark zusammendrücken
  • direkte Verletzungen des Nervengewebes durch die Punktionsnadel
  • Inkontinenz
  • Lähmungserscheinungen
  • Blutdruckabfall
  • Harnverhalt, der den Einsatz eines Blasenkatheters erforderlich macht
  • Hirnnervenstörungen
  • die Entstehung eines Abszesses, von dem das Rückenmark eingeengt wird

Kontraindikationen

Nicht durchgeführt werden sollte eine Spinalanästhesie bei:

  • Volumenmangel
  • Erkrankungen des zentralen Nervensystems
  • Infektionen
  • einem erhöhten interkraniellen Druck
  • Deformitäten der Wirbelsäule
  • einem Bandscheibenvorfall
  • Metastasen an der Wirbelsäule
  • einer Therapie mit Betablockern
  • einer Neigung zu Rücken- und Kopfschmerzen
  • Blutgerinnungsstörungen

Geschichte der Spinalanästhesie

Erste Punktionen im lumbalen Liquorraum fanden 1891 in Kiel durch den deutschen Internisten Heinrich Irenaeus Quincke (1842-1922) statt, um Hirnwasser für eine Diagnose zu entnehmen. Dabei kam eine schräg geschliffene Punktionsnadel zur Anwendung.

In Kiel nahmen 1898 der Chirurg August Bier (1861-1949) sowie sein Assistent August Hildebrandt (1868-1954) erstmals erfolgreich Spinalanästhesien in Selbstversuchen vor. Dabei empfanden sie Schläge gegen das Schienbein mit einem Hammer aus Eisen nicht mehr als schmerzhaft, nachdem sie sich Kokain injiziert hatten. Im Anschluss litten sie allerdings unter intensiven Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen.

Verschiedene Wissenschaftler griffen auf das subarachnoidale Injizieren von Kokain zurück, um damit Nervenschmerzen in Lenden- und Beinregion im Falle einer Ischialgie oder eines Hexenschusses zu behandeln.

Auch die Geburtsmedizin verwendete zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Spinalanästhesie beim Geburtsvorgang. In den 30er Jahren wurde diese Methode durch Berichte über Todesfälle im Rahmen eines Kaiserschnitts jedoch in Verruf gebracht, was sich erst in den 50er Jahren wieder änderte. So gehört die Spinalanästhesie in der Gegenwart zu den Standardverfahren bei einem Kaiserschnitt.

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