Die zweifelhafte Wirkung von Antidepressiva: Bei Spitzenverdienern wirken sie seltener

Forscher fordern eine Psychopharmaka-Dosierung nach Symptomstärke und Beschäftigungsstatus

Von Cornelia Scherpe
11. Oktober 2016

Antidepressiva greifen als Medikamente direkt in die Hirnchemie ein und verändern diese. Auf diese Weise sollen Depressive von ihrer negativen Grundeinstellung und von düsteren Gedanken befreit werden. Der Einsatz der Medikamente ist alles andere als unumstritten. Dabei geht es nicht nur um die möglichen Nebenwirkungen, sondern auch um die Frage der Wirksamkeit an sich. Eine aktuelle Studie bestärkt einmal mehr die Kritiker.

Versagensquoten nach Gehalt

Das internationale Forscherteam wählte für ihre Studie 654 Männer und Frauen aus, die wegen einer Depression in ärztlicher Behandlung waren. Sie erhielten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, was die klassische Wahl bei Antidepressiva ist. Anhand ihres bisherigen Einkommens wurden sie in Gruppen aufgeteilt:

  • 336 Personen waren Spitzenverdiener,
  • die übrigen 48,6 Prozent waren Mittel- bis Geringverdiener.

Stellte man die drei Gruppen einander gegenüber, zeigte sich, dass die Personen in Spitzenpositionen deutlich seltener auf ihre Medikamente ansprachen.

  • Ganze 55,9 Prozent waren resistent.
  • In der Gruppe der Mittelschicht kam man nur auf 40,2 Prozent, die nicht auf Antidepressiva ansprachen.

Zwar ist das ebenfalls bereits eine hohe Versagensquote, jedoch noch um 15,7 Prozent besser.

  • Wer im unteren Job-Segment tätig war, war in 44,3 Prozent gegen die medikamentöse Behandlung resistent, was damit das beste Ergebnis wurde.

Dosis nach Beschäftigungsstatus?

Die Forscher denken daher, dass es sinnvoll wäre, in Zukunft nicht nur die Stärke der Symptome, sondern auch den Beschäftigungsstatus eines Patienten zu berücksichtigen, wenn es um die Wahl und Dosis der Medikamente geht. Kritiker dürften aus der Studie ableiten, dass Antidepressiva schlicht nicht das Mittel der ersten Wahl sind.

Das scheinen Spitzenverdiener im Übrigen instinktiv auch so zu sehen, denn Umfragen zeigen, dass sie öfter eine psychotherapeutische Behandlung (z.B. Gesprächstherapie) wünschen und nicht Tabletten schlucken möchten.