Fehlende Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung: Wie weit geht die ärztliche Schweigepflicht?

Selbst Ehepartner haben bei einem Unfall ihres Partner nicht grundsätzlich Anspruch auf Auskunft

Von Cornelia Scherpe
18. Februar 2019

Nach einem schweren Unfall trifft der Lebenspartner alarmiert im Krankenhaus ein und erhält dennoch keine Auskunft, da er ohne Trauschein kein Familienangehöriger ist? Prinzipiell kann diese Horrorvorstellung wahr werden, denn alle deutschen Ärzte sind an die Schweigepflicht gebunden. Daher dürfen sie ohne Zustimmung des Patienten keine sonstigen Personen über den Gesundheitszustand informieren.

Das gilt anders als viele denken aber auch für Ehepartner und weitere Familienangehörige. Ist es nicht ausdrücklicher Patientenwunsch, den Ehemann oder die Ehefrau im Detail zu informieren, muss sich der Arzt daran halten. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, vorab über die sogenannte Schwei­ge­pflich­tentbin­dungserklärung zu sprechen. Im Idealfall füllen Partner gemeinsam Erklärungen aus und vereinbaren einen gemeinsamen Ort der Aufbewahrung. Das gilt auch für Eltern, Kinder und (eingetragene) Lebenspartnerschaften. Und wenn eine solche Niederschrift nicht vorliegt?

Ist der Patient bei der Ankunft im Krankenhaus ansprechbar, wird heutzutage zeitnah gefragt, wer im Notfall benachrichtigt und mit Gesundheitsinformationen betraut werden darf. Die Ärzte sind dieser Person gegenüber damit von der Schweigepflicht entbunden. Kann der Patient diese Angabe machen, muss es auch weder einen Trauschein noch Verwandtschaftsverhältnisse geben. Es können also auch Lebensgefährten und Freunde benannt werden.

Rechtliche Grauzone

Ist der Patient nicht bei Bewusstsein, bewegen sich die Ärzte im Alltag in einer gewissen Grauzone. Ohne Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen sind sie streng genommen nicht autorisiert, mit anderen Personen über den Gesundheitszustand des Patienten zu reden. Es muss von Fall zu Fall entschieden werden, wobei Verwandtschaft und Trauschein wieder zweitrangig sind. Ein Arzt kann von der Beobachtung ausgehen, dass der Ehepartner dem Betroffenen nicht nahe genug steht. Er kann den Bruder oder den engsten Freund am Krankenbett als besseren Ansprechpartner für die Information erachten.

Möchte ein Arzt diese Entscheidung nicht treffen, kann er auch das Familiengericht einschalten. Viele entscheiden sich im Zweifel hierfür, da ohne gerechtfertigten Grund ein Brechen der Schweigepflicht ernste Konsequenzen hat. Im schlimmsten Fall erlischt die Approbation. So sichert der Arzt sich juristisch ab, muss aber den Verwaltungsapparat durchlaufen, was je nach Situation zu viel Zeit kosten kann. Im Praxisalltag werden daher noch immer bevorzugt Ehepartner und direkte Familienangehörige als beste Ansprechpartner angesehen.