Neue Enzymersatztherapie gegen Knochenschwäche

Hoffnung für Menschen mit Hypophosphatasie

Paradisi-Redaktion
Von Paradisi-Redaktion
8. Juli 2009

Im Rahmen der Jahrestagung der Endokrinologischen Gesellschaft der Vereinigten Staaten wurden am 11. Juni erstmals die Ergebnisse einer klinischen Testreihe vorgestellt, bei dem eine neue experimentelle Therapie gegen eine seltene, aber häufig unterschätzte Form der Knochenschwäche zum Einsatz kam.

Untersuchung von Patienten mit Hypophosphatasie

In Zusammenarbeit mit der Herstellerfirma Enobia Pharma aus Montreal, fanden in den vergangenen Monaten Tests an mehreren Standorten in Kanada und den USA statt. Dabei wurden Patienten behandelt, die unter der Krankheit Hypophosphatasie (HPP), einer seltenen Form von angeborener Knochenschwäche, leiden. Diese Krankheit kann schon bei Neugeborenen auftreten und ist dann lebensbedrohlich. Bei Erwachsenen nimmt die HPP die Form einer schweren Osteoporose und/oder einer chronischen Knochen- und Gelenkentzündung an.

Neues Medikament zur Behandlung von Hypophosphatasie

Aufgrund des potenziell tödlichen Ausgangs der Krankheit erließen die amerikanischen und kanadischen Behörden eine Ausnahmegenehmigung, die den Einsatz des neu entwickelten Medikaments ENB-0040 in kritischen Fällen erlaubt, obwohl es sich noch im Experimentierstadium befindet (compassionate use).

Bei diesem Medikament handelt es sich im Wesentlichen um eine künstlich hergestellte Form des Enzyms "alkalische Phosphatase", das die Patienten nicht selbst produzieren können, und das ganz wesentlich an der Mineralisierung der Knochen beteiligt ist. Zusätzlich wurde an das Enzym ein molekularer "Anker" in Form einer Aminosäure angebracht, der es direkt in die Knochen transportiert und dort ca. 48 Stunden festhalten soll (bone targeting).

Gute Ergebnisse durch die Enzymersatztherapie

Prof. Dr. Michael Whyte von der Washington University in St. Louis (USA) präsentierte am 11. Juni nun erstmals genauere Daten über die ersten Erfahrungen mit der neuen Enzymersatztherapie, mit der auch einige lebensbedrohlich erkrankte Kleinkinder mit HPP versuchsweise behandelt wurden. Dabei zeigte sich nicht nur eine gute Verträglichkeit des Mittels, das vorläufig noch den Arbeitstitel ENB-0040 trägt. Auch die Gesamtentwicklung der Patienten sei positiv gewesen. So habe sich nicht nur eine verstärkte Mineralisierung des Skeletts gezeigt, sondern es konnten auch die zentralen Begleitsymptome der Erkrankung, wie Wachstumsverzögerung oder Probleme bei der Atmung, eingedämmt werden.

Der Bundesverband HPP Deutschland e.V. begrüßt diese aktuelle Entwicklung, wie der Vorsitzende Gerald Brandt betont. Nun müssten jedoch weitere Tests folgen, die belegen, dass ENB-0040 tatsächlich sicher in der Anwendung sei und es langfristig nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt.

Zugleich wies Brandt auf die vermutlich hohe Dunkelziffer bei den HPP-Erkrankten hin. "An unseren Verband wenden sich immer wieder Patienten, bei denen die HPP leider jahrzehntelang nicht erkannt wurde, und die fälschlicherweise gegen Osteoporose, oder eine chronische Entzündungserkrankungen behandelt wurden. Dies kann teilweise zu Nebenwirkungen wie Nierenschäden oder einer verstärkten Ablagerung von Mineralkristallen in den Gelenken führen - und damit zu einem weiteren Fortschreiten der degenerativen Veränderungen im Skelett."

Größere Aufmerksamkeit für den alkalischen Phosphatase-Spiegel

Ein Hauptziel der Arbeit von HPP Deutschland e.V. ist es deshalb, die Öffentlichkeit auf die Bedeutung eines zu niedrigen Spiegels des Enzyms alkalische Phosphatase hinzuweisen. Dieser wird zwar routinemäßig bei Blutuntersuchungen bestimmt - in der Medizin galt aber lange Zeit nur ein zu hoher Wert als problematisch.

Gerade bei Patienten mit Beschwerden im muskuloskelettalen Bereich sollte daher diesem Laborparameter unbedingt größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. "Zwar verringert sich die Produktion der alkalischen Phosphatase mit zunehmendem Lebensalter ohnehin, aber auch bei Erwachsenen sollte sie nicht unter 40 bis 50U/l liegen. Bei jedem niedrigeren Wert muss dementsprechend eine eingehende Ursachenforschung betrieben werden.", so Gerald Brandt.