Homocysteinämie - Erhöhte Homocysteinkonzentration im Blut

Unter einer Homocysteinämie werden erhöhte Blutwerte der Aminosäure Homocystein verstanden. Dadurch besteht das Risiko von unterschiedlichen Erkrankungen.

Von Jens Hirseland

In der Medizin wird eine Homocysteinämie auch als Hyperhomocysteinämie bezeichnet.

Homocystein

Bei Homocystein oder L-Homocystein handelt es sich um eine nicht-proteinogene Aminosäure. Sie kommt auf natürliche Weise im Körper des Menschen vor.

Treten erhöhte Werte der Aminosäure auf, gilt dies als Hinweis auf verschiedene ernstzunehmende Erkrankungen. Aus diesem Grund wird Homocystein von der Labormedizin als bedeutender Parameter eingestuft. So findet zum Beispiel das Ausscheiden des Homocysteins aus dem Organismus normalerweise nicht über die Nieren statt. Dies ist meist nur dann der Fall, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel besteht.

Entstehung von Homocystein

Durch den Stoffwechsel des Homocysteins wird ein positives Beispiel für die Wechselspiele der Vitalstoffe geliefert. Auf diese Weise lassen sich die physiologischen Funktionen des Körpers optimieren, was sich wiederum positiv auf die Gesundheit auswirkt.

Gebildet wird Homocystein durch den Abbau der Aminosäure Methionin. Bei gesunden Menschen erfolgt eine sofortige Umwandlung. Dadurch ist es im Körper nur in geringen Mengen vorhanden.

Bei gesunden Menschen gibt es für die Umwandlung des Homocysteins zwei Möglichkeiten:

  1. Dazu gehört die Synthese von Methionin durch Methylierung aus Homocystein. Eine wichtige Rolle bei dieser Übertragung von Methylgruppen spielen das Folsäure-Coenzym Tetrahydrofolsäure (Coenzym F) sowie ein Enzym, das von Vitamin B12 abhängig ist und die Bezeichnung Methylcobalamin trägt.
  2. Ein anderer Weg ist das Umwandeln des Homocysteins in die Aminosäure Cystein. Dies geschieht durch ein Enzym, bei dem eine Abhängigkeit zu Vitamin B6 besteht.

Wie viel Homocystein sich im menschlichen Körper befindet, hängt von drei Vitaminen ab:

Zum Absenken einer Homocysteinämie tragen ferner Betain und Cholin bei. Cholin lässt sich zu Betain oxidieren. Gemeinsam mit Vitamin B12, Folsäure sowie S-Adenosylmethionin zählt Betain zu den wichtigsten Methylgruppenüberträgern.

Vitamin B6-haltige Nahrungsmittel
Nahrungsmittel, die besonders viel Vitamin B6 enthalten

Ursachen für eine Homocysteinämie

Angeborener Enzymdefekt

Die Ursachen für eine Homocysteinämie sind unterschiedlicher Natur. So ist sie bei manchen Menschen bereits angeboren. Grund dafür sind enzymatische Defekte. Durch den angeborenen Enzymdefekt lässt sich das Homocystein nicht mehr zu Cystein abbauen. Dies hat wiederum einen deutlichen Anstieg des Homocysteinspiegels im Organismus zur Folge. Schließlich wird die Aminosäure mit dem Urin ausgeschieden.

Bei vielen Betroffenen kommt es dabei zu vorzeitigen arteriosklerotischen Veränderungen der Gefäße. Außerdem drohen thrombotische Komplikationen in den Gefäßen von Peripherie, Herz und Gehirn. Des Weiteren ist eine Demineralisierung der Knochen als auch eine geistige Retardierung möglich. Zudem verkürzt sich die Lebenserwartung der betroffenen Personen.

Erworbene Homocysteinämie

Eine Homocysteinämie kann aber ebenso im Laufe des Lebens erworben werden. Verursacht wird die erworbene Form nicht durch einen Enzymdefekt, sondern durch Vitaminmangel. Dabei handelt es sich um Folsäure sowie Vitamin B6 und B12, die für das Homocystein überaus wichtig sind. Aufgrund von Versorgungsengpässen kommt es zur Akkumulation des Homocysteins, was sich wiederum schädlich auf den Körper auswirkt.

Mögliche Gründe für einen Vitaminmangel

Durch eine Zufuhr der Vitamine lässt sich dieser Zustand jedoch bessern und der Abbau der Aminosäure aus dem Körper wieder ankurbeln.

Die Gründe für einen Mangel an Vitaminen sind vielfältig. Meist liegt es an einer einseitigen Ernährungsweise. Als besonders gefährdet gelten Menschen, die sich vegetarisch ernähren.

Als weitere Ursache kommt eine verminderte Aufnahme der wichtigen Vitamine im Magen in Betracht. Diese kann durch eine chronisch-entzündliche Magenkrankheit hervorgerufen werden.

Bei manchen Menschen, wie zum Beispiel bei schwangeren Frauen, besteht zudem ein erhöhter Vitaminbedarf.

In den meisten Fällen ist ein Mangel an Folsäure der Grund für die Mangelerscheinung. So kann Folsäure beim Verarbeiten von Lebensmitteln leicht verloren gehen. Von Ernährungswissenschaftlern wird das Aufnehmen von 400 µg Folsäure pro Tag empfohlen. In der Regel nehmen die Menschen allerdings nur täglich 300 µg Folsäure zu sich. Die Folge kann ein erhöhter Homocysteinspiegel sein.

Weitere Risikofaktoren

Neben einem Mangel an Vitaminen gibt es noch weitere Risikofaktoren, die zu einer erhöhten Konzentration des Homocysteins führen:

  • Genetische Varianten des Homocysteinstoffwechsels
  • Übermäßiger Kaffeegenuss
  • Ausgeprägter Konsum von Alkohol
  • Tabakkonsum
  • Mangel an Bewegung
  • Übergewicht

Risikofaktoren für eine erhöhte Homocysteinkonzentration

  • Cognac im Glas, daneben Zigarren

    © Marco Mayer - www.fotolia.de

  • Mann liegt auf Rücken, hat Hände auf dicken Bauch gefaltet

    © morgan rauscher - www.fotolia.de

  • Mann im Unterhemd mit Bierflasche und Pizza auf Couch

    © Simone van den Berg - www.fotolia.de

Anstieg des Homocysteins mit dem Alter

Die Gefahr einer Homocysteinämie erhöht sich mit ansteigendem Lebensalter. So wird bei Männern ab 45 Jahren häufig der Grenzwert von 10 µmol/l überschritten. Beim weiblichen Geschlecht findet dieser Vorgang in der Regel etwas später statt.

Auswirkungen einer erhöhten Homocysteinkonzentration

Eine Homocysteinämie kann unmittelbare Folgen für die Körperzellen und das Gefäßsystem haben.

In Tierversuchen wirkte die Aminosäure in hoher Konzentration als Oxidanz und entwickelte eine spezielle Affinität zu LDL-Cholesterin sowie zum Gefäßendothel. Da die Homocysteinämie die LDL-Oxidation fördert, wird das Endothel, das die innerste Auskleidung der Blutgefäße bildet, damit direkt in Mitleidenschaft gezogen.

Durch das Homocystein kommt es ferner zur Steigerung der Blutviskosität sowie zum Aktivieren der Thrombogenese. Gleichzeitig liegt eine Störung der Fibrinolyse vor. Infolgedessen erhöht sich das kardiovaskuläre Risiko.

Selbst durch eine mild verlaufende Homocysteinämie steigt die kardiovaskuläre Sterblichkeit um das Doppelte.

Verengtes Blutgefäß
Die Homocysteinämie kann Folgen für die Blutgefäße haben

Erhöhtes Krebsrisiko durch Homocysteinämie

Neueren Studien zufolge wird durch einen erhöhten Homocysteinspiegel auch das Krebsrisiko gesteigert. Als Grundlage vermuten Wissenschaftler eine Störung des Gleichgewichts im Methioninstoffwechsel, was sich auf die DNA-Stabilität auswirkt. Es besteht die Möglichkeit, dass sich Mutationen bilden, die eine Krebserkrankung begünstigen. Vor allem zu Darmkrebs und dem Folsäurestatus ließen sich Zusammenhänge beobachten.

Darmschleimhaut bei Darmkrebs
Auch Darmkrebs wird in Zusammenhang mit erhöhten Homocysteinwerten gebracht

Kognitive Fähigkeiten gefährdet

Auch die kognitiven Fähigkeiten des Menschen werden durch eine Homocysteinämie beeinträchtigt. So besteht die Gefahr, dass durch sie eine vaskuläre Demenz und die Alzheimer-Krankheit gefördert werden.

Grund für diese Annahme ist ein hoher Homocysteinspiegel bei Demenzkranken. Daher gilt die Homocysteinämie als Risikofaktor für kognitive Beeinträchtigungen wie Demenz.

Alter Mann sitzt auf einer Bank
Bei Demenzkranken ist ein erhöhter Homocysteinspiegel zu beobachten

Schwangerschaftskomplikationen

Eine Homocysteinämie birgt zudem das Risiko von allgemeinen Schwangerschaftskomplikationen in sich. Dabei besteht vor allem die Gefahr, dass es beim Kind zu Fehlbildungen kommt. Dazu zählt in erster Linie der Neuralrohrdefekt (Spina bifida), der einen offenen Rücken zur Folge hat. Entgegenwirken lässt sich diesem Risiko jedoch durch eine frühzeitige Folsäureeinnahme.

Schwangere Frau am Regal mit Nahrungsergänzungsmitteln
Frauen wird bereits bei beginnendem Kinderwunsch zur Einnahme von Folsäuretabletten geraten

Diagnose der Homocysteinämie

Der Homocysteinspiegel im Blut lässt sich immunchemisch oder durch eine Hochleistungsflüssigkeitschromatographie bestimmen. Zu diesem Zweck kommen Probengefäße zum Einsatz, die einen speziellen Hemmstoff enthalten. Ansonsten käme es in der Blutprobe zur weiteren Homocysteinbildung durch Erythrozyten (rote Blutkörperchen). Pro Stunde liegt der Anstieg bei ca. zehn Prozent.

Eine Alternative stellt das umgehende Zentrifugieren des Blutes nach der Entnahme dar. Dabei wird das Serum abgetrennt.

Als Normalspiegel gilt ein Homocystein-Wert zwischen 5 und 8 µmol/l.

Kosten

Weil die Krankenkassen die Kosten für die Untersuchung in der Regel nicht tragen, muss der Patient im Rahmen einer IGeL-Leistung selbst in die Tasche greifen. Die Kosten betragen etwa 20 bis 30 Euro.

Behandlung der Homocysteinämie

Eine erfolgreiche Therapie der Homocysteinämie ist möglich. Eine vorrangige Rolle spielt dabei das Beheben des Vitamin-B-Mangels. Entsteht der Mangel durch eine Grunderkrankung, ist es erforderlich, diese konsequent zu behandeln. Außerdem muss der Patient seine Ernährung umstellen, sodass in Zukunft für ausreichend Vitamin B gesorgt ist. Ebenso kann eine Zufuhr durch Vitamin-B-Präparate erfolgen.

In Deutschland wird jedoch von Medizinern kritisiert, dass die Vitamin-B-Supplementierung noch zu wenig gebräuchlich ist, obwohl sie als simpel, risikoarm und kostengünstig gilt.

Löffel mit Tabletten vor buntem Gemüse
Zur Beseitigung des Vitaminmangels bieten sich unter anderem Vitaminpräparate in Tablettenform an

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  • Gerd Herold Innere Medizin 2020, Herold, 2019, ISBN 3981466098
  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165

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