Amblyopie (Schwachsichtigkeit)

Ursachen, Symptome und Behandlung

Die Amblyopie oder auch Schwachsichtigkeit stellt eine Form der Sehschwäche dar. Eine organische Ursache besteht dabei nicht; vielmehr handelt es sich um die Auswirkung des nicht komplett entwickelten Sehsystems während der frühen Kindheit. Dabei kann es bei Betroffenen auch zur Blindheit kommen. Informieren Sie sich über die Ursachen, Symptome und Behandlung der Amblyopie.

Gracia Sacher
Von Gracia Sacher
Klassifikation nach ICD-10: H53.0
ICD-10 ist ein weltweit verwendetes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen. Der sogenannte ICD-Code ist zum Beispiel auf einem ärztlichen Attest zu finden.

Amblyopie - Generelle Merkmale

Kann sich das Sehsystem in der frühen Kindheit nur unzureichend entwickeln, kann es zur so genannte Amblyopie bzw. Schwachsichtigkeit, eine Form der Sehschwäche, kommen. Es können beide Augen von der funktionale Sehschwäche betroffen sein. Selbst, wenn man eine optimale optische Korrektur durch Brille oder Kontaktlinsen vornimmt, bleibt die Schwachsichtigkeit bestehen.

Während man die Schwachsichtigkeit eines Auges häufig gar nicht als störend empfindet, ist die Rede von einer behandlungsbedürftigen Behandlung, wenn es beide Augen betrifft.

Es werden mehrere Formen der Amblyopie unterschieden, je nach Ursache. So gibt es

  • die Stimulus-Deprivations-Amblyopie
  • die Suppressions-Amblyopie
  • die Refraktions-Amblyopie und
  • Mischformen.

Damit wir optimal sehen können, muss das Gehirn die Sinneseindrücke beider Augen zu einem einzigen Bild verschmelzen. Wenn dieser Prozess gestört ist, erkennt man Objekte auch mit organisch gesunden Augen nur unscharf oder verschwommen. Amblyopie, wie diese besondere Form der Fehlsichtigkeit heißt, betrifft knapp 6 Prozent der Bevölkerung. Die häufigste Ursache ist eine unterschiedliche Sehschärfe der Augen. Bei fast jedem vierten Patienten liegt das Problem im Schielen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Entstehung einer Schwachsichtigkeit ist oft in der frühkindlichen Entwicklungsphase zu suchen, besonders während der ersten drei bis vier Lebensmonate, also der sensiblen Sehentwicklungsphase. Je früher es dabei zur Amblyopie kommt, desto stärker die Defizitentwicklung.

Zurückzuführen ist die Entstehung der Schwachsichtigkeit auf eine mangelhafte Qualität der Sinneszellenstimulanz; sie kann auch gänzlich fehlen.

Nervensystem und Gehirn entwickeln sich zunächst normal. Hält die Sehschwäche an, kommt es zu Veränderungen im Hirn, was auch Auswirkungen auf Sehnerv und Netzhaut haben kann.

Diese Zellveränderungen bilden sich bei Säuglingen meist innerhalb weniger Wochen bis Monate. Bei der so genannten Spät-Ablyopie tritt die Schwachsichtigkeit erst im späteren Kindesalter auf.

Stimulus-Deprivations-Amblyopie

Bei der Stimulus-Deprivations-Amblyopie kommt es zur Schwachsichtigkeit eines oder beider Augen. Es fehlt der foveolare Reiz oder er ist vermindert. Als Ursache gilt häufig eine organische Störung, die angeboren ist, wie etwa Trübungen oder der Verschluss des Auges.

Wird das Auge durch ein Pflaster unkontrolliert und intensiv abgedeckt, kann dies eine massive Schwachsichtigkeit zur Folge haben. Somit ist die fehlerhafte Behandlung von Amblyopien auch eine mögliche Ursache.

Suppressions-Amblyopie

Bei einseitigen Schielerkrankungen kommt es zur Suppressions-Amblyopie, auch Schiel-Amblyopie genannt. Ausgelöst wird diese durch da Supressions-Skotom, einen funktionellen Ausfall des Gesichtsfeldes.

Bei etwa 50 Prozent der Schwachsichtigkeitsformen handelt es sich um diese Abmlyopie. Möglich ist auch noch ein Auftreten im Schulalter.

Typische Begleiterscheingung ist die exzentrische Fixation. Dabei nutzt der/die Betroffene nicht die Netzhautstelle des schärfsten Sehens zum Fixieren, sondern einen Ort, der sich daneben befindet.

Refraktions-Amblyopie

Die Ursachen der Refraktions-Amblyopie können in verschiedenen Brechungsverhältnissen der Augen liegen, oder sie sind die Folge einer starken Fehlsichtigkeit. Auch wenn man die verschiedenen Formen der Schwachsichtigkeit meist nach deren Ursache einteilt, kommt es doch meist zu Mischformen.

Zu den unterschiedlichen Risikofaktoren zählen

  • Schielen
  • perinatale Komplikationen
  • Anisometropie
  • Frühgeburt
  • höhergradige Ametropie
  • Trübungen der brechenden Medien
  • familiäre Disposition und
  • Anomalien des Augenlids

Risikofaktoren

Begünstigt wird eine Amblyopie auch durch ausgeprägte Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit. Ein weiterer möglicher Grund für die Schwachsichtigkeit ist eine Ptosis. Dabei hängt das Augenlid so stark herunter, dass es deswegen zu einer Überdeckung des Augapfels kommt.

Symptome

Die Amblyopie macht sich vor allen Dingen durch eine verminderte Sehschärfe, die ein oder beide Augen betreffen kann, bemerkbar. Dabei kann auch der Grad einer Blindheit erreicht werden.

Typisch sind Kontureninteraktionen. Betroffene haben dadurch Schwierigkeiten beim Lesen sowie bei der Erkennung von Reihensehzeichen. Häufig ist auch das räumliche Sehen beeinträchtigt. Möglich sind zudem eine ausgeprägte Kurz- und Weitsichtigkeit.

Diagnose

Besteht bei einem Kind der Verdacht auf eine Sehschwäche, lässt sich eine Amblyopie durch das Abdecken eines Auges ermitteln. Eine genaue Diagnose kann ein Augenarzt durch spezielle Sehtests stellen. Dabei liest das Kind Buchstaben oder Zeichen, während jeweils ein Auge abgedeckt wird.

Eine Schwachsichtigkeit lässt sich in der Regel während eins Sehtests bei einem Spezialisten diagnostizieren. Dabei liegen in der Regel schlechte Ergebnisse der Sehschärfenprüfung, die nicht durch gründliche Augenuntersuchungen erklärt werden können, vor. Betroffene Kleinkinder wehren sich beispielsweise, wenn man ihnen das gesunde Auge zuhält.

Eine Prognose für eine erfolgreiche Therapie kann nur dann gegeben werden, wenn man die Amblyopie möglichst früh erkennt. Wichtig ist hier auch, sie von anderen Sehstörungen bzw. -schwächen zu unterscheiden.

Zu den angewandten speziellen Untersuchungen zählen beispielsweise die Laser-Retinometrie oder der Ammansche Grauglastest. Man teilt die Schwachsichtigkeit bei der Diagnose in drei Formen ein:

  • die leichte Ambloypie (Sehschärfe: 0,4-0,8)
  • die mittelgradige Ambloypie (Sehschärfe: 0,1-0,3)
  • die hochgradige Ambloypie (Sehschärfe: unter 0,1)

Die Standarduntersuchungen beim Augenarzt können eine Amblyopie kaum erkennen. Eltern sollten aber unbedingt die Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt wahrnehmen. Nach einfachen Sehtests ab der U6 ist besonders die U7 wichtig.

Hier untersucht der Arzt auch das räumliche Sehen. Manche Kassen übernehmen auch zusätzliche Augenuntersuchungen am Ende des zweiten Lebensjahres. Je früher die Schwachsichtigkeit diagnostiziert wird, desto erfolgreicher lässt sie sich therapieren.

Behandlung

Bei der Behandlung zielt man darauf ab, die Sehschärfe zu verbessern bzw. ihren Normalzustand wieder herzustellen. Allerdings gilt, dass man funktionelle Sehschwächen, die innerhalb des ersten Lebensjahres entstehen und bei denen keine sofortige Diagnose und Behandlung erfolgt ist, nicht mehr heilbar sind, sobald man die Pubertät erreicht hat.

Grundsätzlich stellen daher, vor allem bei familiärer Disposition, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bei einem spezialisierten Augenmediziner die beste Empfehlung dar. Gegebenfalls muss bei der Diagnose Amblyopie operiert werden, um organische Störungen zu therapieren; hinzu kommen Korrekturen mittels Kontaktlinsen oder Brille.

Allerdings bringen diese Behandlungsmaßnahmen lediglich eine leichte Verbesserung der Sehschärfe mit sich. Zu den zusätzlichen Behandlungsschritten zählen beispielsweise

  • Okklusions-/Pflasterbehandlung
  • Penalisation (es werden spezielle Brillengläser und Augentropfen eingsetzt) sowie
  • leoptische Übungsbehandlungen.

Bei der Okklusionstherapie deckt man das besser sehende Auge mit einem Pflaster ab, um das geschwächte Auge dazu zu bringen, allein Sehreize aufzunehmen. Auf diese Weise lässt sich die Sehfähigkeit des geschwächten Auges verbessern.

Dabei kann es bis zum 14. Lebensjahr dauern, bis die Therapie Erfolge zeigt. Eine frühzeitige Beendigung ist keinesfalls anzuraten.

Amblyopie bei Erwachsenen

Die Schwachsichtigkeit entwickelt sich im Kindesalter. Eine Therapie der Amblyopie gilt generell nur bis zum 12. Lebensjahr als erfolgsversprechend. Je älter der Patient bzw. die Patientin, desto geringer die Chance, dass sich der Befund verbessert.

Wie immer und überall gibt aus Ausnahmen: in seltenen Fällen wurde auch noch im Erwachsenenalter eine Verbesserung der Sehschärfe erzielt. Doch im Großen und Ganzen bleibt die Aussicht auf Erfolg jenseits des Kindesalters aus.

Der Versuch ist jedoch immer noch besser, als gar nichts zu unternehmen. Wenn man bestrebt ist, den Visus zu verbessern, wird vor allen Dingen auf pleoptische Übungen gesetzt. Bei diesen wird das schwache Auge gezielt geschult und trainiert.

Laserbehandlung bei Amblyopie nicht möglich

Häufig fragen sich Betroffene oder deren Angehörige, ob man eine bestehende Amblyopie im Erwachsenenalter nicht durch Lasern behandeln kann. Doch weder dieser noch eine sonstiger Eingriff ist in diesem Fall wirksam.

Führerschein mit Amblyopie

Wer als Erwachsener unter Schwachsichtigkeit leidet, wird sich die Frage stellen, ob er mit dieser Erkrankung einen Führerschein machen darf. Eine pauschal geltende Antwort darauf gibt es nicht, ist doch stets auf das Ausmaß der Sehschwäche zu achten.

Klar ist, dass man zum Führen eines Fahrzeugs höchste Aufmerksamkeit benötigt, und für diese spielt besonders auch der Sehsinn eine Rolle; nicht umsonst wird von den Fahranwärtern ein spezieller Führerschein-Sehtest verlangt. So gibt es bestimmte Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, wenn man eine Fahrerlaubnis erteilt bekommen möchte.

Der Sehtest ist bestanden, wenn mit oder ohne Sehhilfe auf beiden Augen eine Mindest-Tagessehschärfe von 0,7, wenn man also über eine Sehstärke (Visus) von mindestens 70 Prozent verfügt. Sehbehinderungen werden nach WHO in unterschiedliche Grade eingeteilt:

  • Sehbehinderung: weniger als 30 Prozent Sehstärke
  • Wesentliche Sehbehinderung: weniger als 10 Prozent Sehstärke
  • Hochgradige Sehbehinderung: weniger als 5 Prozent Sehstärke
  • Blindheit: weniger als 2 Prozent Sehstärke

Ob man mit Sehbehinderung Autofahren darf, ist also abhängig vom Grad. Generell gilt die Regel, dass bei Beidäugigkeit die Sehschärfe des besseren Auges oder beider Augen mindestens 0,5 betragen muss. Bei Einäugigkeit muss das andere Auge über eine Sehschärfe von mindestens 0,5 verfügen.

Ob im Falle der Schwachsinnigkeit ein Führerschein möglich ist, ist somit individuell verschieden. Ein Gang zum Augenarzt mit gründlichen Untersuchungen bringt Klarheit.

Vorbeugung: Vorsorgeuntersuchung durch Amblyopie-Screening

Die Amblyopie wird nicht immer erkannt bzw. diagnostiziert, was dazu führt, dass zu spät mit der Behandlung begonnen wird und die Sehschwäche mit Sehhilfen nicht ausgeglichen werden kann. Besonders, wenn eine erbliche Vorbelastung besteht, sollten betroffene Familien ein Amblyopie-Screening in Erwägung ziehen.

Dieses stellt eine Vorsorgeuntersuchung dar, welche jedoch nicht zu den gewöhnlichen Vorsorgeuntersuchungen gezählt wird. Zwischen der vierten und achten Lebenswoche sollte das Screening durchgeführt werden.

Wichtig ist, die Untersuchung von einem erfahrenen Augenarzt durchführen zu lassen; nicht jede Praxis bietet dieses Screening an. Unter gewissen Umständen übernehmen die Krankenkassen die Kosten, besonders im Fall der besagten familiären Vorbelastung.

Arten von Sehschwächen

Auf den nächsten Seiten informieren wir Sie über weitere Ausprägungen von Sehproblemen.

  • Reinhard Strametz Grundwissen Medizin: für Nichtmediziner in Studium und Praxis, UTB GmbH, 2017, ISBN 3825248860
  • Stefan Gesenhues, Anne Gesenhues, Birgitta Weltermann Praxisleitfaden Allgemeinmedizin: Mit Zugang zur Medizinwelt (Klinikleitfaden), Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437224476
  • Uwe Beise, Uwe Beise, Werner Schwarz Gesundheits- und Krankheitslehre: Lehrbuch für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege, Springer Medizin Verlag, 2013, ISBN 9783642369834
  • Susanne Andreae, Peter Avelini, Peter Avelini, Martin Hoffmann, Christine Grützner Medizinwissen von A-Z: Das Lexikon der 1000 wichtigsten Krankheiten und Untersuchungen, MVS Medizinverlage Stuttgart, 2008, ISBN 3830434545
  • Susanne Andreae, Peter Avelini, Melanie Berg, Ingo Blank, Annelie Burk Lexikon der Krankheiten und Untersuchungen, Thieme Verlagsgruppe, 2008, ISBN 9783131429629
  • Frank H. Netter Netter's Innere Medizin, Thieme Verlagsgruppe, 2000, ISBN 3131239611
  • Gerd Herold Innere Medizin 2019, Herold, 2018, ISBN 398146608X
  • Gerd Herold Innere Medizin 2020, Herold, 2019, ISBN 3981466098
  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165

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