Unnötige Therapie: Immer mehr Menschen mit leichter Schilddrüsen-Unterfunktion bekommen Medikamente

Von Cornelia Scherpe
30. Oktober 2013

Die Schilddrüse hat im Körper eine lebenswichtige Funktion: In ihr wird das Hormon Thyroxin gebildet und dieses ist für mehrere Lebensprozesse notwendig. Daher müssen Menschen mit einer Schilddrüsen-Unterfunktion auch in jedem Fall eine Therapie erhalten und die besteht in der Vergabe des Hormonersatzes L-Thyroxin.

Mehr Schilddrüsenfunktionstests und niedrigere Schwellenwerte

Forscher haben nun jedoch aufgezeigt, dass in den USA und in Großbritannien vermutlich viele Patienten diese Therapie aufgrund einer Überdiagnose bekommen. Ihre Hormonwerte sind so minimal unter dem Normwert, dass sie auch ohne die täglichen Medikamente zurecht kommen würden. Wurden 2006 in den USA gut 50 Millionen Patienten mit L-Thyroxin therapiert, lag die Zahl 2010 bereits bei über 70 Millionen.

In Großbritannien sieht es im gleichen Zeitraum ähnlich aus. Hier stieg die Patientenzahl von 17 Millionen auf über 23 Millionen.

Als Hauptgrund für dieses gewandelte Bild sehen die Forscher die voranschreitende Diagnosetechnik. Früher wurden deutlich weniger Schilddrüsenfunktionstests durchgeführt. Heutzutage unterzieht sich aber schon jeder vierte Patient diesem Test. Zusätzlich ist jedoch auch der Schwellenwert gesunken, ab dem die Ärzte zu den künstlichen Hormonen raten. In Großbritannien liegt der Wert derzeit zwischen 0,4 und 4,5 mU pro einem Liter Blut. Allgemein sagt man, dass Werte zwischen 4,5 und 10 mU pro einem Liter Blut als leichte Unterfunktion gelten, die jedoch noch keiner intensiven Behandlung bedarf. Werte unter 10 mU wurden aber 2009 bereits öfter behandelt als noch 2001. In dieser Zeitraum ist die Therapieverschreibung bei Werten unter 10 mU um 30 Prozent gestiegen.

In Deutschland wird über Senkung des Schwellenwertes nachgedacht

In Deutschland denkt man derzeit darüber nach, den Schwellenwert sogar noch weiter auf 2,5 mU pro einem Liter Blut zu senken. Dies würde dann auch hierzulande einen hohen Anstieg der Patientenzahlen bedeuten. Die Forscher sehen dies eher kritisch.