Seelische Erkrankungen werden nur selten behandelt

Nur ein Drittel aller psychisch kranker Menschen lässt sich Schätzungen zufolge behandeln

Von Marion Selzer
29. November 2011

Wie Hans-Ulrich Wittchen, ein Dresdner Psychologieprofessor gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Focus" mitteilte, lassen sich nur knapp ein Drittel aller Menschen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, behandeln. Der Experte bezog sich dabei auf die Ergebnisse einer Studie, die die Zahl tatsächlicher vorhandener psychischer Störungen in allen EU-Staaten sowie in

festgestellt hatte.

Demnach sollen 38 Prozent der Bürger unter einer entsprechenden Störung leiden. An einer Angststörung sollen davon rund 61,5 Millionen europäische Personen erkrankt sein. 30,3 Millionen sollen unter einer Depression leiden, wozu auch das so genannte Burn-out-Syndrom zu zählen sei, so Wittchen.

Wittchen ist der Meinung, dass die Diagnose "Burn-out" Betroffenen helfen könne, ihre Erkrankung ernst zu nehmen und einen Experten zu Rate zu ziehen. Dazu gibt es aber auch Gegenstimmen.

Vermischung beider Begriffe kann zu falscher Diagnose führen

Wie ein Bericht im "Focus" zeigte, lehnt zum Beispiel Ulrich Hegerl, ein Leipziger Psychiatrieprofessor, diesen Modebegriff ab. Denn was umgangssprachlich als Ausgebranntsein bezeichnet werde, impliziere, dass man einmal gebrannt haben müsse, doch dies würde nicht immer zutreffen, so der Fachmann. Seiner Ansicht nach leiden viele, die meinen an einem Burn-out zu leiden, tatsächlich unter einer depressiven Erkrankung.

Burn-out und Depression müssen unterschiedlich therapiert werden

Durch die Vermengung beider Begriffe befürchtet der Leiter der Projekts "Kompetenznetz Depression Deutschland" Fehler bei der Behandlung. So rate man einem Burn-out-Patienten zur Ruhe, wohingegen dieser Rat für einen Depressiven falsch sei. Denn wer an Depressionen leidet, erfahre eine Verschlimmerung seiner Symptome durch mehr Schlaf, berichtet Heger.

Hier sei Schlafentzug das Mittel der Wahl. Auch von Reisen sollten Patienten, die an einer Depression erkrankt sind, seiner Meinung Abstand nehmen. In der ungewohnten Umgebung komme einem die Unfähigkeit Freude zu empfinden und die eigene Antriebsstörung oft noch schmerzlicher und bedrückender vor als zu Hause.