Psychotraumatologie - Womit beschäftigt sie sich und wo liegen die Aufgaben?

Die medizinische Versorgung von Verletzungen wurde bereits in der Frühzeit durchgeführt. Bis zur modernen Traumatologie war es jedoch ein langer Weg.

Von Jens Hirseland

Psychotraumatologie - Bereiche und Aufgabenfelder

Abzugrenzen von der medizinischen Traumatologie - hier genauer behandelt - ist die Psychotraumatologie, die sich ausschließlich mit den psychischen Folgen eines Traumas, wie zum Beispiel posttraumatischen Belastungsstörungen, befasst. Der Begriff "Psychotraumatologie" entstand Anfang der 90er Jahre durch den Kinderpsychiater Donovan.

Dieser hatte die Absicht, den Begriff der medizinischen Traumatologie auch auf psychische Traumata auszudehnen, was jedoch von der Wissenschaft nicht übernommen wurde. Aus diesem Grund verlief die Entwicklung der Psychotraumatologie und der medizinischen Traumatologie getrennt. Während die Behandlung von seelischen Traumata durch Psychologen und Psychiater erfolgt, beschäftigen sich Fachärzte für Unfallchirurgie und Orthopädie mit den körperlichen Folgen von Unfallverletzungen.

Praxis und Theorie in der Psychotherapie

Praxis und Theorie sind in der Psychotherapie eng miteinander verknüpft. Es gibt unterschiedliche Felder und Bereiche. Zum einen gibt es die Gebiete Theorie und Forschung, zu denen

  • die Diagnose zur Einteilung der traumabedingten Störungen (Klassifikation)
  • die Untersuchung der Häufigkeit verschiedener Traumata (Epidemiologie)
  • die Untersuchung der Ursachen der traumabedingten Störungen (Ätiologie)
  • die Untersuchung der Faktoren, die eine Traumfolgestörung verhindern können (Salutogenese)
  • die Untersuchung von Risikogruppen sowie
  • die Auswertung der Wirksamkeit verschiedener Therapieansätze

gehören. Des Weiteren gibt es das Gebiet der Praxis, welches sich einteilen lässt in

  • die notfallpsychologische Akuthilfe (Intervention)
  • die Behandlung der traumabedingten Störungen (Traumatherapie)
  • die Rehabilitation
  • Schulungen und Informationen für Risikogruppen sowie
  • den Gesundheitsschutz von Helfern, die in Kontakt mit traumatisierten Menschen stehen (Psychohygiene)

Angebote in Kliniken für Psychotraumatologie

Angebote im Bereich der Psychotraumatologie findet man in entsprechenden Zentren. Hier werden unterschiedliche Module angeboten.

So gibt es teilstationäre und stationäre Angebote, je nach Art und Schwere des Traumas. Zudem können Patienten je nach Einrichtung auch eine medizinische Rehabilitation in Anspruch nehmen.

Geschichte der Psychotraumatologie

Traumatische Erlebnisse zählen zu den Grunderfahrungen eines Menschen. Schon in alten religiösen Schriften, philosophischen Darstellungen sowie Mythen waren die seelischen Folgen von Katastrophen und Kriegen ein Thema. Und schon in frühen Zeiten gab es auch viele Versuche, gegen diese Folgen anzugehen.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gilt als Beginn der Befassung mit psychotraumatischen Erlebnissen. Heutige literarische Berichte nennen in diesem Zusammenhang den französischen Neurologen und Pathologen Jean-Martin Charcot. Sigmund Freud hielt im Jahr 1896 einen Vortrag über den Zusammenhang sexuellen Kindesmissbrauchs sowie Hysterie.

In der Zeit der Weltkriege befasste man sich vermehrt mit posttraumatischen Störungen und entwickelte die Gruppenanalyse. In den Siebzigern erhielten Traumaforschung und -behandlung durch Kriegsveteranen aus dem Vietnam neue Anstöße; weiterentwickelt wurden diese Bereiche bei der Befassung der Folgen des Holocaust oder auch aus der Frauenbewegung, die sich mit häuslicher Gewalt und Vergewaltigung beschäftigte.

Immer wieder aktuell wurde die Psychotraumatologie des Weiteren durch die Beschäftigung mit den Folgen von Zwangsprostitution, Folter oder politischer Verfolgung. Einen rasanten Ausbau in Traumaforschung sowie der Weiterbildung im Bereich der Psychotherapie gab es seit Mitte der Neunziger. Deutschlandweit gilt Psychotherapeut und Psychologe Gottfried Fischer als Begründer der Psychotraumatologie.

  • Gottfried Fischer, Peter Riedesser Lehrbuch der Psychotraumatologie., Reinhardt, 2009, ISBN 9783825281656
  • Siegfried Weller Die Unfallmedizin, ihre gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Bedeutung, Hauptverband der Gewerblichen Berufsgenossenschaften, 1985
  • Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner Enzyklopädie Medizingeschichte, De Gruyter, 2005, ISBN 3110157144
  • Andreas Ficklscherer BASICS Orthopädie und Traumatologie, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 9783437422102
  • Christian Bahrs, Ulrich Stöckle Traumatologie pocket (pockets), Börm Bruckmeier, 2015, ISBN 3898627691
  • Günter H. Seidler, Harald J. Freyberger, Heide Glaesmer, Silke Brigitta Gahleitner Handbuch der Psychotraumatologie, Klett-Cotta, 2019, ISBN 3608962581
  • Peter Zimmermann, Christiane Eichenberg Einführung Psychotraumatologie (PsychoMed compact, Band 4762), UTB GmbH, 2017, ISBN 3825247627
  • Julia Schellong, Franziska Epple, Kerstin Weidner Praxisbuch Psychotraumatologie, Thieme Verlagsgruppe, 2018, ISBN 313241185X
  • Günter H. Seidler Psychotraumatologie: Das Lehrbuch, W. Kohlhammer GmbH, 2012, ISBN 9783170217119

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