Hirnforschung zur Magersucht: Geschmack von Süßem löst im Gehirn Angst statt Freude aus

Während beim Essen das Belohnungszentrum im Gehirn gesunder Menschen aktiv wird, wird es bei Magersüchtigen ausgebremst

Von Cornelia Scherpe
12. September 2018

Magersucht, von Ärzten auch Anorexia nervosa genannt, ist eine schwere Störung, bei der Menschen sich bis in den Tod hungern können. Schon seit Jahrzehnten erforschen Wissenschaftler überall auf der Welt die Krankheit, um sie besser zu verstehen und Betroffenen helfen zu können. Eine aktuelle Untersuchung aus den USA nutzte die Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik.

Die Ärzte machten die Hirnaktivität von 108 Teilnehmerinnen sichtbar, während diese mit Essen konfrontiert wurden. Bei 52 Mädchen und Frauen handelte es sich um Probandinnen mit gesundem Essverhalten und 56 hatten die Diagnose Magersucht erhalten. In beiden Gruppen war das Alter gleich verteilt und lag zwischen elf und 21 Jahren.

Belohnungszentrum im Gehirn wird durch Süßes ausgebremst

Zunächst fiel auf, dass die Gehirnaktivitäten bei Magersucht-Patientinnen insgesamt höher waren. Während jedoch bei den gesunden Mädchen und Frauen etwas Süßes das Belohnungszentrum anregen konnte, wurde es bei den Erkrankten ausgebremst. Das Gehirn reagiert nicht mit Freude, sondern mit Angst. Vielmehr war es so, dass bei Anorexia nervosa das Belohnungszentrum im Gehirn dann aktiv wurde, wenn die Patientinnen die Nahrungszufuhr vermeiden konnten. Es wurde mehr Dopamin im Hirn freigesetzt und daher fühlten sie sich besser.

Dies kann binnen kürzester Lebenszeit einen gefährlichen Teufelskreislauf auslösen. Denn das Verweigern von Essen wird vom Gehirn belohnt, während der Geruch und der Geschmack einer Mahlzeit direkt mit der Angst vor einem Zunehmen verknüpft werden. So nehmen die Betroffenen immer stärker ab, was auch immer mehr Dopamin freisetzt und gleichzeitig immer mehr Angst schürt. Der Effekt wird daher mit den Monaten und Jahren so stark, dass Patientinnen ohne Hilfe diesen Teufelskreis nicht mehr durchbrechen können. Da Ängste auch nicht rational sind, hilft es nicht, Erkrankte mit dem drohenden Tod vom Kurs abbringen zu wollen.

Die Hoffnung der Forscher ist es nun, die Hirnforschung zu nutzen, um Biomarker so zu verändern, dass man bei Patientinnen die Angst lindern und damit den Umstieg auf normales Essverhalten erleichtern kann.