Tiefe Hirnstimulation bei Magersucht: Patientinnen nehmen wieder zu

Pilotstudie: "Hirnschrittmacher" als mögliches Therapieverfahren bei Magersucht

Von Cornelia Scherpe
2. März 2017

Tiefe Hirnstimulation ist seit einigen Jahren im Einsatz, um Menschen mit schwersten Depressionen und Parkinson-Patienten zu helfen. Den Betroffenen werden Sonden direkt im Gehirn implantiert, mit denen genau dosierte Impulse ausgesendet werden. Umgangssprachlich hat sich daher auch der Name "Hirnschrittmacher" etabliert.

Die tiefe Hirnstimulation könnte laut Tierversuchen auch bei Patienten helfen, die an Magersucht leiden. Eine erste Pilotstudie mit 16 Freiwilligen hat das überprüft und veröffentlicht viel versprechende Ergebnisse.

Krankheitsbild Magersucht

Bei den Testpersonen handelte es sich um 16 Frauen, die seit vielen Jahren unter Magersucht litten. Die Krankheit wird auch "Anorexia nervosa" genannt und gilt als schwere Essstörung. Betroffene haben ein völlig verschobenes Selbstbild und empfinden sich auch dann noch als dick, wenn sie schon abgemagert sind.

Bei vielen sinkt der BMI so tief, dass akute Lebensgefahr droht. Zu der allgemeinen körperlichen Schwäche kommen meist Angststörungen und Depressionen.

Für die Studie ließen die 16 Patientinnen sich zwei Sonden implantieren, die zu Studienbeginn mit 2,5 Volt arbeiteten. Die Stärke wurde im Laufe der Zeit bis auf sechs Volt erhöht. Die Frequenz blieb immer gleich und lag bei 130.

Die Probandinnen waren 21 bis 57 Jahre alt und überstanden die Operation gut. Nur bei einer Patientin mussten die Sonden wegen einer Infektion noch einmal entnommen werden. Sie konnten später aber erneut eingesetzt werden.

Werte für soziale Interaktionen verbessern sich als erstes

Die Forscher stellten zeitnah nach Start der Therapie eine Veränderung im Verhalten der Frauen fest. Sowohl die Depressionen als auch die Angstzustände wurden weniger.

Einige Zeit später begann sich auch das Essverhalten zu bessern. Ein Jahr nach Start der tiefen Hirnstimulation war der BMI von zuvor 13,83 kg/m2 auf nun 17,34 kg/m2 gestiegen. Die Frauen lagen damit zwar noch immer unter der Grenze zum gesunden Normalgewicht, doch sie waren deutlich gesünder als zuvor.

Interessant war das Ergebnis der PET-Scans. Die Scans des Gehirns zeigten, dass sich der Zuckerverbrauch der Hirnzellen vergrößert hatte und zwar nicht in den Regionen für das Essverhalten, sondern in denen für soziale Interaktion.

Das erklärt, warum sich erst die Depressionen und Angststörungen besserten. Die Beobachtung wirft für die Forscher die Frage auf, ob Anorexia nervosa "nur" die Begleiterscheinung von Depressionen und Angststörungen ist, statt wie bisher angenommen, die Grunderkrankung.