Flüchtlinge mit schweren Lungenentzündungen: Bisher unbeachtete Folge einer Flucht im Schlepperboot

Chemische Lungenentzündung bei Flüchtlingen nicht selten die Folge des Trinkens von Benzin

Von Cornelia Scherpe
20. Dezember 2016

Niemand nimmt leichtfertig eine lebensgefährliche Flucht auf sich, und jede Woche sterben Flüchtlinge bei ihrem Versuch, Europa zu erreichen. Das Ertrinken im Meer und das tödliche Dehydrieren ohne Trinkwasser zählen zu den häufigsten Todesursachen. Nun weisen deutsche Ärzte darauf hin, dass es eine weitere Gefahrenquelle für die Flüchtenden gibt, die bisher wenig Beachtung erfahren hat: eine chemische Lungenentzündung.

Flüchtende werden zum Trinken von Benzin gezwungen

Diese Form der Lungenentzündung wird in der Fachsprache "Hydrocarbon-Pneumonitis" genannt und wird nicht durch Bakterien oder Viren ausgelöst, sondern durch den Kontakt mit chemischen Stoffen. Im Falle der Flüchtlinge handelt es sich um Benzin. Wie die Befragung einzelner Migranten zeigte, zwingen manche Schlepper die verzweifelten Menschen während der Fahrt über das Meer zum Trinken von Benzin. Damit soll der akute Durst etwas gestillt und die Gruppe ruhiggestellt werden.

Im Benzin befinden sich Kohlenwasserstoffe, die beim Trinken wachsende Ergüsse zwischen Rippenfell und Lunge hervorrufen. Der Prozess ist allerdings schleichend, sodass es Wochen dauern kann, bis die chemische Lungenentzündung auftritt. Da eine Standarduntersuchung nicht anzeigt, ob die Entzündung auf Erreger oder chemische Stoffe zurückgeht, wird bei vielen Migranten irrtümlich eine klassische Lungenentzündung vermutet. Die Sprachbarriere hat in den letzten Monaten dazu geführt, dass erst nach und nach erkannt wurde, was auf den Schlepperbooten passiert ist und eine chemische Pneumonitis bei manchen Betroffenen viel wahrscheinlicher ist.

Die Forscher aus München hoffen mit ihrem Bericht andere Kollegen in Deutschland und auch weltweit für die bislang unbeachtete Gefahr zu sensibilisieren. Wird ein Migrant mit Symptomen einer Lungenentzündung behandelt (hohes Fieber, Atemnot), sollte mittels Dolmetscher unbedingt nachgehakt werden, ob ein Benzingemisch während der Flucht getrunken wurde.