Die Lepra im Mittelalter hat das europäische Genom nachhaltig verändert

Strenge Isolation von Lepra-Patienten und -Toten führte zu einer Genomveränderung

Von Cornelia Scherpe
1. Juni 2018

Für die Europäer war sie im Mittelalter ein großes Problem: die Lepra. Die Bakterien infizierten und töteten im 13. und bis zum 15. Jahrhundert viele Menschen. Da es noch keine Medikamente gegen die Erkrankung gab und das Wissen um Hygiene sehr beschränkt war, entschied sich die Bevölkerung für eine sogenannte soziale Segregation. Das bedeutet, dass sichtbar Infizierte von den übrigen Menschen streng getrennt wurden. Nicht nur im Alltag sollte kein Kontakt bestehen, sondern auch nach ihrem Tode wurden Lepra-Patienten auf gesonderten Friedhöfen begraben. Die Heirat zwischen Gesunden und Kranken war ebenfalls strikt untersagt.

Das alles hatte Konsequenzen für unseren Genpool in Europa. Durch die strenge Isolierung der Lepra-Patienten hat sich das Genom zumindest an einer Stelle nachweislich verändert. Zu diesem Schluss kamen Forscher aus Kiel.

DNS-Analyse von Toten auf Lepra-Friedhof

An der dortigen Universität untersuchte man Knochenfunde aus einem Lepra-Friedhof in Odense. Der Friedhof liegt in Dänemark, genauer auf der Insel Fünen und liefert sehr gut erhaltene Knochen. In einer Analyse konnten die Lepra-DNS von der Patienten-DNS getrennt und beide verglichen werden.

Insgesamt fanden die Wissenschaftler zehn verschiedene Bakterientypen aus der Familie Mycobacterium leprae. Diese ließen sich drei verschiedenen Stämmen zuordnen, was zeigt, wie verbreitet Lepra war und wie schnell sich Menschen damals mit einer der Varianten anstecken konnten.

Bei Europäern fehlendes Antigen schützt sie vor Lepra

Die DNS der Verstorbenen wiederum zeigte, dass sie eine bestimmte Variante des HLA-Systems in sich trugen. Sie hatten das Antigen HLA-DRB1*15, das es heute in Europa nicht mehr gibt. Betrachtet man dagegen Länder wie China, Indien und Brasilien, tragen die dort lebenden Menschen noch HLA-DRB1*15 in ihrem Genom. Jedes Jahr erkranken unter ihnen 200.000 Personen an Lepra. Das europäische Genom hingegen ist ohne HLA-DRB1*15 kaum noch anfällig für die Infektion.

Die Forscher gehen davon aus, dass die soziale Isolation der Patienten im Mittelalter den Genpool dahin verändert hat.