Der Mouche, ein aufgemalter Schönheitsfleck

Ob Stummfilmdiva vergangener Tage, Supermodel der Neunziger oder zeitgenössische Stilikone - zu allen Zeiten trug man (oder vielmehr: Frau) Leberfleck. Und wer keinen echten wie Madonna oder Cindy Crawford hatte, half mit dem Mouche nach, wie beispielsweise Burleske-Tänzerin Dita van Teese. Lesen Sie über die Geschichte des Mouches und informieren Sie sich über Eigenschaften, die durch diesen Schönheitsfleck symbolisiert werden können.

Maria Perez
Von Maria Perez

Der Leberfleck am rechten Ort im Gesicht bricht die makellose Schönheit und macht es umso anziehender - kein Wunder, dass der auch als "Schönheitsfleck" bezeichnete Leberfleck als Inbegriff der Erotik gilt. Manche Frauen malen ihn sich neckisch mit Kajalstift neben Auge oder Lippe - stilechter allerdings ist er als so genannter "Mouche" (französisch für "Fliege"), einem schwarzen Schönheitspflästerchen, das im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert populär war und sich jetzt seiner Renaissance erfreut.

Die Geschichte des Mouches

Damals bestanden Mouches aus

  • gummiertem Samt
  • Seide oder
  • Taft,

manchmal auch aus Leder oder gar Papier. In der Formgebung war man erfinderisch und wich vom natürlichen Rund eines Leberfleckes ab, indem man seinen Mouche in Herz- oder Sternform trug. Auch geometrische Formen und die Silhouetten von Insekten waren beliebt.

Der Mouche sollte gar nicht natürlich wirken, im Gegenteil: Je aufwändiger ein Mouche gestaltet war, desto mehr Prestige brachte er seinem Träger ein. Auch die dunkle Farbgebung der Mouches wich von der natürlichen Hauttönung extrem ab, um so den größtmöglichen Kontrast zwischen schwarzem Pflästerchen und hellem Teint hervorzuheben, der damals en vogue war.

Nicht zuletzt dienten die kleinen Pflaster als Überbringer geheimer Botschaften - je nach Ort ihrer Platzierung teilten sie beim Flirten, das damals galantes Spiel war, die Eigenschaften ihrer Trägerin mit. So beispielsweise konnte eine entsprechend platzierte Mouche wissen lassen, dass seine Trägerin nichts gegen ein Liebesabenteuer einzuwenden hätte. Umgekehrt konnte eine richtig platzierte Mouche aber auch vor lästigen Verehrern schützen.

Ursprung in der Medizin

Dabei hatte "la Mouche" nur aus der Not eine Tugend gemacht, denn ursprünglich war sie gedacht, Hautunreinheiten oder Unebenheiten wie Pockennarben oder gar durch Syphilis hervorgerufene dermatologische Veränderungen zu überdecken. Im Laufe der Zeit gelang es den Pflästerchen, wohl nicht zuletzt dem herrschenden Zeitgeist geschuldet, zum Symbol und Spielball der Geziertheit und Koketterie zu werden.

Aber auch, wenn das Flirten mit Fächern und Mouches eine Spezialität des Rokoko war, hat der Schönheitsfleck heute nichts von seinem Reiz eingebüßt. Samt und Seide mussten allerdings profaneren Mitteln weichen.

Der heutige Trend des Schönheitsflecks

Beliebt ist es nach wie vor, sich einen Schönheitsfleck einfach aufzuschminken. Werkzeug der Wahl ist dabei entweder ein Kajal oder ein Eyeliner. Mit diesem wird, möchte man den Dita von Teese-Look nachstylen, ein schwarzer Punkt unter dem Auge, jedoch über dem Wangenknochen aufgesetzt.

Dezenter ist ein mittelbrauner Kajal - mit diesem lässt sich ein natürlicheres Ergebnis, beispielsweise schräg über der Oberlippe, erzielen. Dieser verleiht dem Gesicht einen stärkeren Ausdruck, verändert es aber nicht gleich komplett.

In letzter Zeit werden auch auftätowierte Mouches immer populärer. Auch mit Permanent-Make-up lassen sich Mouches anbringen, ebenso, wie es hier möglich ist, künstliche Sommersprossen zu implantieren. Immernoch sind die beliebtesten Formen der Mouche

  • der Punkt
  • der Stern und
  • das Herz.

Wer sich nicht sicher ist, ob er sich sein Leben lang von einer tätowierten Mouche begleiten lassen möchte, kann aber auch zur modernen Variante der aufklebbaren Schönheitspflästerchen greifen. Diese "Instant Beauty Marks" werden unter anderem "Hottiedots" genannt und sind unter diesem Suchbegriff in vielen Online-Shops erhältlich.

Die Symbolik der Mouches

Folgt man Kulturwissenschaftlern wie beispielsweise Jurij Lotman, hatte eine Mouche an der Oberlippe die Bedeutung: "Ich möchte gern geküsst werden", während er im Augenwinkel angebracht signalisierte: "Ich bin an Ihnen interessiert". Hat eine Dame ihre Mouche hingegen am Dekolleté angebracht, signalisierte dies potenziellen Verehren, dass sie offenherzig und "leicht zu enthüllen" sei.

Die Symbolik der Mouches bzw. ihrer Platzierung ist diffizil - schließlich stammt die "Geheimsprache" der Mouches aus jener Zeit, als sich auch die volkstümliche Blumensprache zu einem komplexen Regelwerk verfeinerte. Zwar gilt das Rokoko im Allgemeinen als frivoles Zeitalter - offen aussprechen durfte man erotische Wünsche dennoch nicht, das wäre gegen jedes Regelwerk gewesen.

So entstand eine Kultur voller versteckter Anspielungen, die allerdings, wusste man sie zu deuten, sehr eindeutig waren. Im Prinzip war die Platzierung der Mouches eine eigene Sprache, deren Vokabular man lernen konnte.

Das "Grand dictionnaire universel du XIX. siècle"

Kein Wunder, dass diese "Sprache" Eingang in ein berühmtes Konversationslexikon des neunzehnten Jahrhunderts gefunden hat - ins "Grand dictionnaire universel du XIX. siècle", das beim renommierten Enzyklopädie-Verlag Éditions Larousse erschienen ist. Hier werden neun Eigenschaften aufgezählt, die sich die Trägerin durch ihre Mouches zuschreiben konnte:

  1. Wollte die Frau zeigen, dass sie besonders leidenschaftlich war, trug sie ihre Mouche im Augenwinkel - dem Platz, an dem heute Stripperin Dita van Teese ihre Mouche sicherlich nicht rein zufällig trägt. Der Larousse beschreibt diese Frau als "la passionnée".

  2. Eine Frau, die Wert auf Würde und Haltung legte, trug ihre Mouche wie ein Königsmal auf der Stirn. Kein Wunder, dass diese Dame bei Larousse als "la majestueuse" beschrieben wird.

  3. War die Frau humorvoll und scherzhaftem Treiben nicht abgeneigt, zeigte sie dies an, indem sie ihre Mouche über dem Grübchen an der Wange trug, das beim Lachen entsteht. Larousse findet für diese Frau die Beschreibung "l'enjouée".

  4. Besonders pikant war es, die Mouche auf der Wange zu tragen. Dies zeigte an, dass die Trägerin gegen ein Liebesabenteuer nichts einzuwenden hätte. Taktvoll umschreibt der Larousse diesen Typus als "la galante".

  5. Küsst die Frau gern bzw. lässt sich gern küssen - und das nicht nur vom eigenen Ehemann! -, signalisiert sie dies, indem sie ihren Schönheitsfleck im Mundwinkel trägt. Die Küsserin wird vom Larousse folgerichtig auch als "la baiseuse" bezeichnet.

  6. Schlägt die Frau in ihrer Ausgelassenheit und Fröhlichkeit gern mal über die Strenge, verrät sie dies, indem sie ihre Mouche übermütig auf der Nase platziert. "La gaillarde" nennt der Larousse diese Dame.

  7. Wer das Spiel mit Anziehung und Abstoßung, Nähe und Distanz perfekt beherrscht und gern mit den eigenen Reizen kokettiert, trägt seine Mouche über der Oberlippe - ganz so wie Popsängerin Madonna zu "Like a Virgin"-Zeiten. Der Larousse nennt die Kokette dann auch, wie sollte es anders sein, "la coquette".

  8. Geht es um Liebesabenteuer, ist Diskretion ein wünschenswerter Charakterzug. Bei mir sind deine Geheimnisse sicher aufgehoben, ich bin vertrauenswürdig und diskret - all das signalisiert eine Mouche, die an der Unterlippe, beinahe schon am Kinn, angebracht ist. Bei Larousse wird diese Dame "la discrète" genannt.

  9. Schließlich gibt es noch jene Dame, die ihre Mouches nicht willkürlich platziert, um mit ihnen zu kommunizieren, sondern aus rein pragmatischen Gründen dort aufklebt, wo sie gerade eine kleine Hautunreinheit hat und die sie zu verdecken sucht. Da sie durch verschiedene Platzierungen ihrer Mouche Signale aussendet, die sie gar nicht beabsichtigt, wird sie auch als "la voleuse" - die Diebin - bezeichnet.

Neben dem richtigen Platz für die Mouche hatte die Dame der Gesellschaft darauf zu achten, nicht mehr als drei Schönheitspflästerchen zu tragen - dies galt als oridinär und war jenen Damen vorbehalten, die ihre Liebesdienste gegen Bezahlung anboten.

  • Rosemarie Gerken La Toilette. Die Inszenierung eines Raumes im 18. Jahrhundert in Frankreich., Georg Olms, 2007, ISBN 9783487133041

Unsere Artikel werden auf Grundlage fundierter wissenschaftlicher Quellen sowie dem zum Zeitpunkt der Erstellung aktuellsten Forschungsstand verfasst und regelmäßig von Experten geprüft. Wie wir arbeiten und unsere Artikel aktuell halten, beschreiben wir ausführlich auf dieser Seite.