Polio-Impfung - Impfschema und Verträglichkeit

Die Polio-Impfung biete einen zuverlässigen Schutz vor der Kinderlähmung. Dank des Impfschutzes gelten westliche Länder wie Deutschland heute als poliofrei. Die Polio-Impfung wird hierzulande bei Säuglingen ab dem zweiten Lebensmonat vorgenommen. Der Polioimpfstoff ist dabei Teil eines injizierten Sechsfachimpfstoffs, der auch noch vor fünf weiteren Infektionskrankheiten schützt. Außerhalb Europas wird häufig ein kostengünstigerer, oral verabreichter Polioimpfstoff eingesetzt, um den Poliovirus weltweit auszurotten. Lesen Sie hier mehr über die unterschiedlichen Impfstoffe, zur Grundimmunisierung und Auffrischung sowie möglichen Nebenwirkungen der Polio-Impfung.

Von Jens Hirseland

Warum ist eine Polio-Impfung sinnvoll?

Die STIKO (Ständige Impfkommission) empfiehlt eine Impfung gegen Poliomyelitis, besser bekannt als Kinderlähmung, für Babys, Kinder und Jugendliche. Liegt bei bestimmten Personen kein vollständiger Impfschutz vor, sollte dieser abgeschlossen werden. Bei erwachsenen Personen besteht durch eine Auffrischungsimpfung eine vollständige Grundimmunisierung.

Die Impfung schützt vor der normalerweise im Kindesalter auftretenden Poliomyelitis, die zu gravierenden, dauerhaften Lähmungen an den Gliedmaßen führen kann. Die Ansteckung erfolgt zumeist durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion.

Verabreicht wird die Polio-Impfung in Europa mit einem Totimpfstoff (inaktivierter Polioimpfstoff), der in der Anwendung als sehr sicher gilt. Allerdings fällt sein Schutz weniger umfassend aus als der oral dargereichte Polioimpfstoff.

In Deutschland kommt seit 1998 ausschließlich der inaktivierte Polioimpfstoff zur Anwendung. Mithilfe der beiden unterschiedlichen Impfstoffe ließen sich Erkrankungen durch die Kinderlähmung seit den 50er Jahren auf der ganzen Welt deutlich reduzieren.

Alter Impfpass aus den 90er Jahren
In Europa wird der orale Lebendimpfstoff seit Ende der 90er nicht mehr verwendet, da es durch die Schluckimpfung vereinzelt zu Polio-Erkrankungen kam

Unterschiedliche Impfstoffe bei der Poliopimpfung

Die Medizin unterscheidet zwischen dem inaktivierten Polioimpfstoff nach Salk sowie dem oralen Polioimpfstoff nach Sabin. Beide Impfstoffe weisen spezifische Vor- und Nachteile auf. Während der inaktivierte Polioimpfstoff per Spritze injiziert wird, lässt sich der orale Impfstoff schlucken.

Oraler Polioimpfstoff

Bei dem oralen Polioimpfstoff nach Sabin handelt es sich um einen Lebendimpfstoff. In den meisten europäischen Ländern war er der erste Impfstoff gegen Kinderlähmung.

Seit 1998 gilt die Anwendung dieses Impfstoffes in Europa jedoch nicht mehr als empfehlenswert. So besteht durch ihn ein geringfügiges Risiko, dass es zu einer Impf-Poliomyelitis, also einer durch die Impfung verursachten Kinderlähmung, kommt. In zahlreichen Ländern außerhalb Europas gelangt der orale Impfstoff jedoch nach wie vor zum Einsatz, da seine Herstellungskosten niedriger ausfallen.

Inaktivierter Impfstoff

Der inaktivierte Polioimpfstoff nach Salk ist ein Totimpfstoff und wird per Spritze in den Muskel gespritzt. Er stellt den Standardimpfstoff in Europa dar und wird als sicher eingestuft, wenngleich sein Schutz vor der Kinderlähmung weniger umfassend ausfällt als bei dem oralen Impfstoff. Sein Vorteil liegt darin, dass er lediglich inaktivierte Polio-Vakzine enthält, die keine Krankheit auslösen können. So befinden sich ausschließlich abgetötete Polioviren in dem Impfstoff.

Impfschema bei Kinderlähmung

Von der Ständigen Impfkommission werden vier Teilimpfungen empfohlen, die zur Grundimmunisierung dienen.

  1. Die erste Impfung erhält das Baby ab der neunten Lebenswoche,
  2. die zweite Impfdosis mit dem vollendeten dritten Lebensmonat,
  3. die dritte Impfung findet ab dem vollendeten vierten Lebensmonat statt und
  4. die vierte und letzte Teilimpfung erhält das Kind im Alter zwischen elf und 14 Monaten.

Auffrischung

Es ist ratsam, im Alter zwischen 9 und 17 Jahren eine Auffrischungsimpfung vornehmen zu lassen. Dabei findet in der Regel eine Kombinationsimpfung gegen Keuchhusten, Diphtherie und Tetanus statt. Reist eine Person in Gebiete, in denen noch Polioerkrankungen auftreten, sollte ebenfalls eine Auffrischungsimpfung durchgeführt werden.

Im Rahmen der Grundimmunisierung gegen Kinderlähmung erhält das Baby im Normalfall einen Sechsfachimpfstoff. Das bedeutet, dass neben der Polio-Impfung auch gegen Keuchhusten, Diphtherie, Tetanus, Hepatitis B und Haemophilus influenzae Typ b geimpft wird.

Die meisten Impfungen lassen sich während der U-Untersuchungen vornehmen. Das Verschieben der Impfung ist meist nur dann erforderlich, wenn das Kind unter einer schweren Erkrankung leidet, die medizinisch behandelt wird.

Baby mit Pflaster am Arm nach Impfung
Die Impfung gegen Kinderlähmung erfolgt in der Regel im Rahmen der U-Untersuchungen

Polio-Impfung auch bei Erwachsenen möglich?

Nach dem 18. Lebensjahr gilt eine Impfung gegen Kinderlähmung nicht mehr als allgemein empfehlenswert. Auffrischungen werden nur dann als sinnvoll angesehen, wenn eine Reise in Gebiete erfolgen soll, in denen ein erhöhtes Polio-Risiko besteht.

Gleiches gilt für medizinisches Personal, das in Laboratorien mit erhöhtem Poliomyelitis-Risiko tätig ist oder engen Kontakt zu Erkrankten hat, sowie für Asylbewerber und Flüchtlinge, die aus Risikoregionen stammen.

Nebenwirkungen der Polio-Impfung

Der Sechsfachimpfstoff, der im Rahmen der Polio-Impfung verabreicht wird, gilt in der Regel als gut verträglich. In manchen Fällen können sich an der Injektionsstelle leichte Hautreaktionen zeigen. Dabei handelt es sich zumeist um Rötungen und Schwellungen. Mitunter kommt es auch zum Anschwellen von benachbarten Lymphknoten. Auch andere Nebeneffekte sind denkbar.

Im Normalfall bilden sich die Symptome nach wenigen Tagen wieder zurück.

Gegenanzeigen - Wann ist auf eine Impfung gegen Kinderlähmung zu verzichten?

Nicht durchgeführt werden darf eine Impfung gegen Kinderlähmung, wenn das Kind unter akutem Fieber leidet.

Geschichte des Polioimpfstoffes

Versuche, einen Impfstoff zum Schutz vor Kinderlähmung zu entwickeln, fanden bereits in den 30er Jahren statt. Die ersten Seren erwiesen sich jedoch als unwirksam.

Noch in den 50er Jahren stellte Kinderlähmung in Deutschland ein großes Problem dar. Der Durchbruch gelang 1954 in den USA mit der Herstellung eines inaktivierten Impfstoffes, der von dem amerikanischen Mediziner Jonas Salk (1914-1995) und seinem Team entwickelt wurde. Dabei fanden Tests an hunderttausenden von Kindern statt. Die Zulassung des Impfstoffes erfolgte 1955.

Allerdings kam es schon wenige Wochen nach Verbreitung des Stoffes zu einem schweren Zwischenfall. Aufgrund von Produktionsmängeln wurden über 100.000 Kinder mit aktivierten Polioviren infiziert, die in den Impfstoff gelangten. Infolgedessen erkrankten 51 Kinder schwer, fünf starben sogar.

Neben dem ersten Impfstoff wurden gleichzeitig Polioimpfstoffe entwickelt, deren Verabreichung oral erfolgte. Dazu zählte auch der Impfstoff des Virologen Albert Sabin (1906-1993).

Erste Studien fanden 1957 statt und 1961 konnte die Zulassung erfolgen. Ab 1963 war ein Dreifachimpfstoff gegen sämtliche drei Virustypen verfügbar, der in zahlreichen Ländern zum Standard avancierte.

Erst Ende der 90er Jahre gingen viele Staaten dazu über, auf den inaktivierten Impfstoff zurückzugreifen, als sie als poliofrei galten. Auch in Deutschland kommt die Kinderlähmung heutzutage nicht mehr vor.

Seit 1988 ist es das erklärte Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Poliovirus durch Impfungen auf der ganzen Welt auszurotten. Zahlreiche Teile der Welt sind mittlerweile tatsächlich poliofrei und das Poliovirus vom Typ II konnte für ausgerottet erklärt werden. Die Viren vom Typ I und III kommen endemisch noch in Indien, Afghanistan, Pakistan und Nigeria vor.

Mit zunehmender Impfmüdigkeit steigt jedoch die Gefahr, dass die Krankheit wieder vermehrt auftritt. So ist es möglich, dass Fernreisende sie aus Gebieten einschleppen, in denen die Krankheit noch immer vorkommt. Dazu gehören vor allem Länder wie:

Da das Virus überaus ansteckend ist, kann es sich unter nicht geimpften Menschen rasch ausbreiten. Die Ansteckung erfolgt durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion.

  • Burkhard Rieke Referenzhandbuch Impf- und Reisemedizin 2018, MedPrä, 2018, ISBN 3947476000
  • Martin Hirte Impfen kurz & praktisch: Orientierungshilfe für Eltern bei der Impfentscheidung, Knaur MensSana TB, 2018, ISBN 9783426878071
  • Bert Ehgartner Gute Impfung - Schlechte Impfung: Der umfassende Ratgeber, Ennsthaler, 2019, ISBN 3850689530
  • Stephan Heinrich Nolte Maßvoll impfen: Risiken abwägen und individuell entscheiden - Eine Orientierungshilfe für Eltern, Kösel-Verlag, 2016, ISBN 3466310660
  • Hans U. P. Tolzin Macht Impfen Sinn? Band 1: Wirksamkeit, Sicherheit, Notwendigkeit aus kritischer Sicht. Mit Entscheidungs-Leitfaden, Tolzin Verlag, 2013, ISBN 3981488709

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