Autistischer Nachwuchs belastet die Paarbeziehung weniger als vermutet

Eltern autistischer Kinder haben weniger Zeit füreinander, sind unterm Strich aber nicht unglücklicher

Von Cornelia Scherpe
19. April 2017

Die Autismus-Spektrum-Störungen sind angeborene und nicht heilbare Entwicklungsstörungen. Ihre Ausprägung ist sehr unterschiedlich stark und rund einer von einhundert Menschen ist betroffen. Als einer der mildesten Varianten gilt das Asperger-Syndrom, bei dem die Kommunikationsfähigkeit zwar unterentwickelt ist, ein relativ normaler Alltag aber möglich.

Die verschiedenen Ausprägungen der Autismus-Spektrum-Störungen zeigen sich meist vor dem vierten Lebensjahr und stellen die Eltern vor eine große Herausforderung. Ältere Studien zu diesem Thema hatten gezeigt, dass sich Paare mit autistischem Nachwuchs öfter negativ über ihre Beziehung äußern und das Risiko für eine Trennung größer als bei Paaren mit "normalem" Nachwuchs ist. Doch eine aktuelle Studie kommt zu einem anderen Schluss.

Tagebucheintragungen geben Aufschluss

174 Paare mit autistischen Kindern erklärten sich zur Studie bereit und erhielten Tagebücher. In diese sollten die Mütter und Väter jeweils unabhängig von ihrem Partner notieren, wie sie sich täglich in der Beziehung fühlten.

  • Wann fühlten sie einen beruhigenden Zusammenhalt und wann gab es Streit?
  • Wie oft lachte man zusammen, führte private Gespräche und wurde intim?
  • Wer fühlte sich in welchen Momenten allein gelassen oder vermied sogar den Kontakt zum Partner?

Um die familiäre und partnerschaftliche Situation vergleichen zu können, bildeten die Forscher parallel eine Kontrollgruppe mit 179 Paaren, deren Kinder keine autistische Störung hatten.

Weniger Zweisamkeit ohne negative Interaktionen

Die Dokumentationen wurden über zwei Wochen hinweg jeden Tag von Müttern und Vätern aufgeschrieben und am Ende ausgewertet. Es zeigte sich, dass Eltern mit autistischen Kindern insgesamt weniger Zeit in Zweisamkeit verbringen. Im Schnitt hatten sie täglich 21 Minuten weniger füreinander und gaben auch an, deswegen öfter weniger Nähe zu empfinden. Der Zeitverlust brachte es mit sich, dass weniger Raum für Intimität, Gespräche und gemeinsames Lachen vorhanden war.

Allerdings gab es bei den Elternpaaren keinen Unterschied bei der negativen Interaktion. Auch mit autistischen Kindern kam es nicht häufiger zu Streit und auch das bewusste Vermeiden des Partners blieb aus. Die Eltern autistischer Kinder fühlten sich vom jeweils anderen gut unterstützt und zogen Stärke aus der gemeinsamen Verantwortung.