Verfrühte Einschulung häufig Grund für (falsche) ADHS-Diagnose

Bei spät eingeschulten Kindern wurde in einer Studie deutlich seltener ADHS diagnostiziert

Von Cornelia Scherpe
21. Dezember 2018

Die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung wird sehr häufig vom Kinderarzt gestellt. Ob jede davon wirklich zutrifft, wird von vielen Kritikern schon länger angezweifelt. Vor allem in den USA erhielten allein im Jahr 2016 gut fünf Prozent aller Zwei- bis 17-Jährigen ADHS-Medikamente. Die kritischen Stimmen sehen darin einen Missbrauch der Wirkstoffe, die das Gehirn der Kinder verändern, obwohl diese nicht wirklich krank sind. Man gibt zu denken, dass auffälliges Verhalten nicht sofort auf ADHS zurückgehen muss, sondern andere Ursachen haben kann. Eine davon wurde jüngst in einer Studie beleuchtet: die verfrühte Einschulung.

Manche Eltern haben erst dann den ADHS-Verdacht, wenn ihr Kind in der 1. Klasse ist und dort auffällt, dass es nicht ruhig sitzen kann und dem Unterricht nicht konzentriert folgt. Es wird ein Termin beim Kinderarzt vereinbart und der schreibt ADHS-Medikamente heraus. Doch in vielen Fällen kann es schlicht sein, dass das Kind keine Aufmerksamkeitsstörung im Gehirn hat, sondern einfach noch zu jung für den Schulalltag war. Die mentale Aufnahmefähigkeit entwickelt sich eigentlich erst noch.

34 Prozent weniger ADHS-Diagnosen bei spät eingeschulten Kindern

Eine aktuelle Studie aus den USA unterstützt diese Theorie. Dort wurden 36.319 Kinder untersucht, die alle im August geboren waren. 309 von ihnen hatten als junge Schüler die Diagnose ADHS bekommen. Man nahm noch 35.353 Kinder hinzu, die gleichaltrig, jedoch im September geboren waren. In dieser Teilgruppe gab es nach der Einschulung nur 225 ADHS-Diagnosen. Das sind 34 Prozent weniger. Vor der Einschulung gab es hingegen keinen Unterschied zwischen den Gruppen.

Das lässt die Einschulung als Faktor für ADHS-Diagnosen sehr wahrscheinlich werden. Wer im September geboren wurde, wird entsprechend erst ein Schuljahr später eingeschult und hat ein gesamtes Jahr länger Zeit, die nötige Reife für den Schulalltag samt stundenlangem Sitzen zu entwickeln.