Nervenerkrankung ALS - Der lähmende Tod: Ursachen, Symptome und Behandlung

Die todbringende Krankheit ALS - für Amyotrophe Lateralsklerose - beginnt meist harmlos: Wadenkrämpfe, leichte Sprachstörungen oder auch Probleme beim Gehen sind eine der ersten Anzeichen und werden nur selten mit dieser Nervenerkrankung in Verbindung gebracht. Erst wenn sich die körperlichen Schwierigkeiten häufen, gehen die Betroffenen zum Arzt, um dann die Schock-Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose zu erfahren. Informieren Sie sich über Ursache, Symptome und Behandlung von ALS.

Von Viola Reinhardt

Krankheitsbild

Amyotrophe Lateralsklerose, kurz als ALS bezeichnet, betrifft in den meisten Fällen Menschen ab dem 50. Lebensjahr, wobei jedoch auch wesentlich jüngere Personen nicht von dieser unheilbaren Erkrankung gefeit sind. Bei ALS handelt es sich um eine chronische Erkrankung des peripheren und zentralen Nervensystems, bei der nach und nach die Muskulatur gelähmt wird.

Diese Lähmung führt dann schlussendlich meistens in den ersten drei bis fünf Jahren zum Tod, da am Ende auch die Lunge von der Lähmung betroffen ist. Besonders tragisch an dieser Erkrankung ist, dass das Bewusstsein, die intellektuellen Fähigkeiten und die Wahrnehmung nicht betroffen sind und man als Betroffener sehr bewusst das Voranschreiten der Krankheit erleben muss.

Ursachen

Man unterscheidet verschiedene Formen der Amyotrophen Lateralsklerose. Eine Form dieser Krankheit kann vererbt werden, so dass die Krankheit in einigen Familien gehäuft vorkommt. Etwa fünf von hundert ALS-Patienten haben die Krankheit geerbt.

Einige Forscher sind auch der Meinung, dass bestimmte Viren für die Entstehung dieser neurologischen Erkrankung verantwortlich sind. Auch ein gestörtes Immunsystem kann die Ursache für die Entstehung der ALS sein.

Leidet ein Patient unter der Amyotrophen Lateralsklerose, so bilden sich die Nervenzellen im Körper immer weiter zurück. Diese Zellen geben immer weniger Impulse an die Muskeln, so dass diese immer weiter erschlaffen. Eine Form der Amyotrophen Lateralsklerose kommt nur in bestimmten Ländern vor.

Verlauf

Früher oder später endet die Amyotrophe Lateralsklerose immer tödlich. Die Patienten können sich immer weniger bewegen. Zuerst sind die Hände betroffen, im weiteren Verlauf die Beine und schließlich der gesamte Körper. Auch das Schlucken ist im fortgeschrittenen Stadium nicht mehr einwandfrei möglich, so dass sich der Patient sich häufig verschluckt.

Folgen

Dadurch entsteht Atemnot, die für den Patienten lebensgefährlich sein kann. Gelangt die verschluckte Nahrung in die Atemwege, so kann dies auch eine Lungenentzündung zur Folge haben, die ebenfalls tödlich enden kann. Ab diesem Stadium werden die meisten Patienten dann künstlich ernährt.

Bevor die Schluckstörungen auftreten, hat der Patient auch Probleme beim Sprechen, da auch die Muskulatur der Zunge gelähmt wird. Unabhängig davon kann der Patient im Endstadium nicht mehr selbstständig atmen, wenn die Muskulatur der Atemorgane ebenfalls gelähmt ist.

Eine künstliche Beatmung ist dann notwendig. Dies tritt meist innerhalb von drei Jahren nach Beginn der Erkrankung auf und stellt dann in fast allen Fällen auch die Todesursache dar. Die Patienten bekommen ihre körperlichen Einschränkungen bei vollem Bewusstsein mit.

Symptome

Bei der Amyotrophen Lateralsklerose handelt es sich um eine neurologische Erkrankung mit komplexem Krankheitsbild. Es sind unterschiedliche Nerven geschädigt.

Patienten, die an der Amyotrophen Lateralsklerose leiden, bemerken zu Beginn ihrer Krankheit ein Zucken im Bereich der Muskeln. Dieses kann von den Patienten nicht willentlich beeinflusst werden.

Nach einiger Zeit können die Betroffenen die Finger und Hände nicht mehr bewegen. Schließlich folgen weitere Muskelbereiche zum Beispiel in der Schulter, die dann gelähmt sind.

Die Patienten fühlen sich entkräftet und können sich aufgrund der Lähmungen auch nicht mehr richtig bewegen. Einige Patienten leiden auch unter regelmäßigen Wadenkrämpfen.

Schmerzen kommen bei der Amyotrophen Lateralsklerose jedoch erst in einem späteren Stadium vor. Ein charakteristisches Symptom der ALS ist ein unnatürliches Lachen, das jedoch vom Patienten nicht beeinflusst werden kann. Auch ein unkontrollierbares Weinen kann auftreten.

Im weiteren Verlauf der Krankheit treten immer mehr Lähmungen am Körper auf. Auch die Muskeln im Bereich des Gesichtes können irgendwann nicht mehr kontrolliert werden. Die Patienten haben dann einen reglosen und unnatürlichen Gesichtsausdruck, den sie jedoch nicht mehr willentlich verändern können. Da irgendwann auch das Schlucken nicht mehr möglich ist, müssen die Patienten künstlich ernährt werden.

Im Endstadium der Krankheit kann der Patient nicht mehr selbstständig atmen, da auch hier die Muskulatur gelähmt ist. Die Patienten müssen dann auch künstlich beatmet werden.

Die Patienten bekommen ihre Krankheit bei vollem Bewusstsein mit, was für die meisten Patienten auch mit großen seelischen Problemen verbunden ist. Die Patienten leiden dann auch unter psychischen Erkrankungen wie zum Beispiel den Depressionen.

Formen

Je nach Symptomen und betroffenen Nerven unterscheidet man verschiedene Formen von ALS, die die folgende Tabelle zeigt.

ALS-FormBetroffene NervenSymptome
Klassische ALS1. und 2. motorischer NervMuskelrückbildung, Eigenreflexe, Lähmungen
Primäre ALS1. motorischer NervEigenreflexe und Lähmungen
Progressive Muskelatrophie2. motorischer NervMuskelrückbildung, Krämpfe, Zuckungen, Skelettfehlbildungen
Progressive BulbärparalyseHirnnervenstark ausgeprägte Schluck- und Sprechstörungen

Diagnose

Im Bezug auf eine eindeutige und rasche Diagnose tun sich die Ärzte mit ALS noch schwer, da es keinen einzigen eindeutigen Wert zum Feststellen gibt. Es gilt in erster Linie, andere neurologische Erkrankungen auszuschließen. Patienten, die derartige Symptome bemerken, suchen meist zuerst ihren Hausarzt auf, der den Patienten dann zu einer gründlichen neurologischen Untersuchung an einen Neurologen weiterüberweist.

Der Arzt überprüft die Reflexe des Patienten und untersucht die Muskeln. In den Bereichen, in den bereits Lähmungen aufgetreten sind, spürt der Patient bei dieser Untersuchung auch nichts mehr. Die Muskelaktivität kann auch durch eine spezielle Untersuchung, das EMG, gemessen werden.

Meist erfolgt auch die Entnahme einer Gewebeprobe aus einem Muskel, die dann im Labor unter dem Mikroskop untersucht wird. Auch ein bildgebendes Verfahren wie die Computertomografie wird durchgeführt. In jedem Fall wird auch eine Blutuntersuchung vorgenommen. Dadurch ist es möglich, Hinweise auf andere Erkrankungen, beispielsweise der Muskeln oder der Schilddrüse, ausfindig zu machen. Ebenso möglich sind

  • ein Liquor-Test (Untersuchung des Nervenwassers)
  • eine Muskelbiopsie
  • eine MRT-Untersuchung und selten
  • genetische Untersuchungen.

Durch die Untersuchung des Nervenwassers lassen sich mögliche Entzündungen des Liquors entdecken. Die Entnahme der Gewebeprobe aus den Muskeln lässt die Diagnose spezieller Muskelerkrankungen, die der ALS ähneln, zu.

Pyramidenbahnzeichen

Zur Überprüfung der Eigenreflexe, der so genannten Pyramidenbahnzeichen, werden bestimmte Griffe und Streichbewegungen angewandt. Dadurch lassen sich Schädigungen des 1. motorischen Nervs, den man auch als Pyramidenbahn bezeichnet, feststellen. Diese Pyramidenbahnzeichen zeigen sich dadurch, dass sich der große Zeh in die eine Richtung streckt, und sich die restlichen Zehen in die andere Richtung spreizen.

  • Babinski-Zeichen: beim Entlangstreichen der Fußsohle von unten nach oben
  • Oppenheim-Zeichen: beim Entlangstreichen des Schienbeins von oben nach unten
  • Gordon-Zeichen: beim Kneten der Wade
  • Strümpell-Zeichen: beim Runterdrücken des Oberschenkels, während der Patient dagegenhält

Behandlung

Therapeutisch kann man keine Heilung, jedoch eine Verzögerung oder Linderung der Beschwerden erzielen. Es gibt somit diverse Therapien, um dem Patienten das Leben zu erleichtern.

Physiotherapie

Da die Muskeln immer weiter erschlaffen, ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie die Physiotherapie. Der Patient bewegt hier regelmäßig zusammen mit einem Physiotherapeuten seine Muskeln und hält sich auf diese Weise so lange wie möglich mobil. Mit speziell ausgebildeten Therapeuten trainieren die Patienten auch das Schlucken.

Künstliche Ernährung

Ist das Schlucken aufgrund der Lähmungen nicht mehr möglich, so muss dem Patienten die Nahrung künstlich zugeführt werden. Dazu erhält der Patient die Nahrung über eine Sonde, die in den Bauch gelegt wird und dann in den Magen reicht.

Gehhilfen

Kann ein Patient nicht mehr laufen, so kann der Arzt eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl verordnen. Zusätzlich gibt es weitere Hilfsmittel, die dem Patienten den Alltag erleichtern können und ihn so lange wie möglich selbstständige handeln lassen.

Psychotherapie

Wichtiger Bestandteil der Therapie einer Amyotrophen Lateralsklerose ist auch die Psychotherapie. Da die Patienten früher oder später abhängig von anderen Menschen werden, erhalten sie hier psychologische Unterstützung, um die Situation besser verkraften zu können.

Medikamente

Zusätzlich kann der Arzt ein spezielles Medikament verordnen, das das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen kann, wenn es bereits zu Beginn der Krankheit eingenommen wird.

Künstliche Beatmung

Kann der Patient im Endstadium der Krankheit nicht mehr selbstständig atmen, so erhält er eine Atemunterstützung oder wird an eine künstliche Beatmungsmaschine angeschlossen.

Vorbeugung

Da die genauen Ursachen der Amyotrophen Lateralsklerose noch nicht bekannt sind, kann auch nichts als Vorbeugung vor der Krankheit unternommen werden. Schwangere Frauen können möglicherweise in einigen Jahren eine genetische Untersuchung ihres ungeborenen Babys durchführen lassen, wenn in der Familie ALS vorkommt.

  • Uwe Beise, Silke Heimes, Werner Schwarz Gesundheits- und Krankheitslehre: Lehrbuch für die Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege, Springer Medizin Verlag, 2013, ISBN 9783642369834
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  • Malte Ludwig Repetitorium für die Facharztprüfung Innere Medizin: Mit Zugang zur Medizinwelt, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017, ISBN 3437233165

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