Das Zähneziehen und seine Extraktionsmethoden

Lässt sich ein geschädigter Zahn nicht mehr erfolgreich behandeln, muss er gezogen werden. Dazu stehen verschiedene Methoden zur Verfügung.

Von Jens Hirseland

Eine Zahnextraktion, also das Ziehen des Zahns, ist in der Regel die letzte Möglichkeit bei einer Zahnbehandlung. Man unterscheidet zwischen einer einfachen Zahnextraktion, bei der keine größeren Schnitte durchgeführt werden müssen, sowie einer operativen Zahnextraktion (Osteotomie), bei der dagegen größere Schnitte erforderlich sind.

Eine Zahnextraktion ist meist unangenehm und schmerzhaft für den Patienten. In manchen Fällen kann es dabei auch zu Komplikationen kommen. Die meisten Patienten empfinden die Entfernung des schmerzenden Zahnes jedoch letztlich als Erleichterung.

Normalerweise versucht jeder Zahnarzt, die Zähne so lange wie es geht zu erhalten. Hat man als Patient das Gefühl, dass der Zahnarzt zu rasch Zähne zieht, ist es ratsam, einen anderen Zahnarzt zu konsultieren, um dessen Meinung einzuholen.

Die Meinung eines 2. Zahnspezialisten einzuholen kann von Vorteil sein
Die Meinung eines 2. Zahnspezialisten einzuholen kann von Vorteil sein

Mögliche Ursachen einer Zahnextraktion

Für das Entfernen eines Zahns kommen verschiedene Gründe infrage. Dazu gehören vor allem

In manchen Fällen ist eine Zahnextraktion auch während einer kieferorthopädischen Therapie nötig, zum Beispiel wenn Platzmangel im Mundraum herrscht. Mitunter müssen auch Zahnimplantate wieder entfernt werden, wenn es beispielsweise zur Ausbildung von Zahnfleischtaschen kommt.

Auch kann zum Beispiel die Lage eines Zahnes so schief sein, dass sich prothetische Maßnahmen nicht durchführen lassen. Mitunter werden auch vorsorglich Weisheitszähne gezogen.

Ob ein Zahn gezogen werden muss, entscheidet letztlich der Zahnarzt. In der Regel ist jeder Zahnarzt in der Lage, eine Zahnextraktion durchzuführen.

Grundsätzlich stellt die Erhaltung des Zahnes die bessere Option dar, allerdings kann eine Zahnextraktion dem Patienten auch jahrelange teure Behandlungen und Beschwerden ersparen. Wichtig ist, sich von einem erfahrenen Zahnarzt behandeln und ausführlich beraten zu lassen.

Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Indikation

Bei den Gründen für eine Zahnextraktion unterscheiden Zahnmediziner zwischen einer absoluten und einer relativen Indikation.

Absolute Indikation

Eine absolute Indikation liegt vor, wenn sich der Zahn stark gelockert hat und sich der Zahnhalteapparat nicht mehr regeneriert. Um eine solche Indikation handelt es sich außerdem bei

  • einer massiven apikalen Parodontitis
  • einer Längsfraktur der Zahnkrone bzw. Zahnwurzel
  • einer Querfraktur der Zahnwurzel im Mittelteil der Wurzel
  • Platzmangel
  • Verlagerung des Zahnes oder
  • überzähligen Zahngebilden.

Relative Indikation

Von einer relativen Indikation spricht man, wenn eine erhebliche Zerstörung des Zahnschmelzes und des Dentins vorliegt und sich der Zahn durch eine Füllung oder eine Krone nur noch zeitlich begrenzt erhalten lässt. Außerdem liegt eine relative Indikation vor, wenn der Patient sich die zahnerhaltenden Maßnahmen finanziell nicht leisten kann oder solche Maßnahmen ablehnt.

Zahnextraktion als Teil einer kieferorthopädischen Therapie

In manchen Fällen kann auch ein Missverhältnis zwischen der Größe des Kiefers und der Zähne bestehen, wodurch nicht alle Zähne genügend Platz haben. In diesem Fall ist die systematische Zahnextraktion Bestandteil einer kieferorthopädischen Therapie.

Fehlt auf der gegenüberliegenden Kieferseite ein Zahn, kann zum Ausgleich ein weiterer Zahn entfernt werden, um einer Mittellinien-Verschiebung entgegenzuwirken. Dabei handelt es sich um eine so genannte Ausgleichsextraktion.

  • Brünette Frau auf Zahnarztstuhl, links verschwommen der Arzt mit Brille um den Hals

    © Yuri Arcurs - www.fotolia.de

  • Zahnarzt mit Mundschutz bei Zahnuntersuchung

    © StockArt - www.fotolia.de

  • Nahaufnahme Zahnimplantate

    © Alain Dadourian - www.fotolia.de

  • Patientin auf Liege im Behandlungsraum einer Zahnarztpraxis, daneben sitzt Zahnärztin mit Mundschutz

    © starush - www.fotolia.de

Vorbereitung

Vor dem Ziehen eines Zahnes ist es wichtig, dass sich der Zahnarzt über den Gesundheitszustand des Patienten informiert, damit keine gesundheitlichen Probleme durch den Eingriff auftreten. Dabei sind mögliche Allgemeinerkrankungen des Patienten ebenso zu beachten wie die Einnahme von bestimmten Medikamenten. Normalerweise fertigt der Zahnarzt vor der Extraktion eine Röntgenaufnahme des betreffenden Zahns an.

Der Zahn wird vor dem Extrahieren geröntgt
Der Zahn wird vor dem Extrahieren geröntgt

Betäubungsmethoden beim Zähneziehen

Zu Beginn einer Zahnextraktion verabreicht der Zahnarzt dem Patienten eine Betäubungsspritze. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um eine lokale Anästhesie.

Nur bei Patienten, die unter heftiger Zahnarztangst leiden, oder bei äußerst aufwendigen Eingriffen, kommt mitunter eine Vollnarkose zur Anwendung. Solche Eingriffe werden normalerweise bei Spezialisten oder in Zahnkliniken durchgeführt.

Bei Patienten, die unter starker Zahnarztangst oder Verhaltensstörungen leiden, können auch vor dem Eingriff beruhigende Medikamente wie Midazolam oder Diazepam gegeben werden.

Oberkiefer

Wird ein Zahn im Oberkiefer gezogen, erhält der Patient in der Regel eine Infiltrationsanästhesie. Das heißt, dass der betroffene Zahn mit einem Lokalanästhetikum umspritzt wird.

Die Einstichstelle der Spritze liegt in der Umschlagfalte im Mundvorhof. Normalerweise wirkt das Betäubungsmittel bereits nach 60 Sekunden. Die maximale Wirkung wird nach 20 Minuten erreicht.

Grundsätzlich lässt sich der Zahn bereits nach drei Minuten Wirkungsdauer ziehen. Eine zusätzliche Betäubung erfolgt durch eine Injektion in die Mundschleimhaut am Gaumen.

Unterkiefer

Bei einer Zahnextraktion im Unterkiefer führt man üblicherweise eine Leitungsanästhesie des Nervus alveolaris inferior durch. Die Injektion setzt der Zahnarzt am Foramen mandibulae. Wichtig dabei ist, dass die Injektion nicht unmittelbar in die untere Zahnfacharterie (Arteria alveolaris inferior) gegeben wird.

Des Weiteren erfolgt eine Betäubung des Zungennervs (Nervus lingualis) und des Backennervs (Nervus buccalis). In der Regel beträgt die Wirkungsdauer einer Leitungsanästhesie etwa zwei bis drei Stunden. Sie kann aber auch länger oder kürzer sein.

Intraligamentäre Anästhesie

Eine intraligamentäre Anästhesie eignet sich sowohl für den Oberkiefer als auch für den Unterkiefer. Mit "intraligamentär" ist gemeint, dass die Betäubung in die so genannten Sharpey-Fasern, die Bänder des Zahnhalteapparates injiziert wird. Dafür verwendet der Zahnarzt eine besonders spitze und dünne Kanüle, mit der er das Betäubungsmittel in den Parodontalspalt verabreicht.

Aufgrund des erforderlichen hohen Drucks ist die Verwendung einer speziellen Spritze notwendig. Pro Zahnwurzel muss wenigstens ein Einstich erfolgen.

Der Zahnhalteapparat wird von der Lösung des Betäubungsmittels bis zur Wurzelspitze durchdrungen. Dort kommt es zur Betäubung der Nervenfasern, die in das Zahnmark eintreten.

Eine intraligamentäre Anästhesie eignet sich besonders gut für Risikopatienten, die unter Kreislaufproblemen leiden, da insgesamt weniger Betäubungsmittel pro Zahn verabreicht wird. Geht der Zahnarzt geschickt und langsam vor, verspürt der Patient sogar weniger Schmerzen als bei den anderen Betäubungsmethoden.

Ablauf einer Zahnextraktion

Für das Entfernen des Zahnes kommen unterschiedliche Methoden infrage, wie

  • die Extraktion mit einer Zange
  • die Extraktion mit einem Hebel sowie
  • eine Osteotomie.

Balanceakt zwischen Hebeln und Ziehen

Beim Ziehen eines Zahns ist es wichtig, das Zahnfach (Alveole) durch geeignete Luxationsbewegungen aufzuweiten. Dabei muss der Zahnarzt feststellen, in welche Richtung der Zahn am leichtesten nachgibt und zugleich ein Zersplittern der Alveolenwände vermeiden. Allein durch Ziehen lässt sich der Zahn meist nicht entfernen.

Durch das gewaltsame Entfernen des Zahnes kommt es anschließend zu einer Blutung des umgebenden Zahnfleisches. Um die Blutung zu stillen, erhält der Patient einen sterilen Tupfer, der auf die Wunde gelegt und durch Beißen zusammengedrückt wird. Mitunter kann auch das Vernähen der Wunde erforderlich sein.

Zur Linderung der Schmerzen besteht die Möglichkeit, ein Schmerzmittel wie beispielsweise Paracetamol zu verabreichen. Wichtig ist hierbei, dass es sich um keinen Blutverdünner handelt, um weiterführende Blutungen zu vermeiden.

Der Zahnarzt entscheidet welche Methode im spezifischen Fall die Beste ist
Der Zahnarzt entscheidet welche Methode im spezifischen Fall die Beste ist

Im Folgenden gehen wir etwas näher auf die unterschiedlichen Extraktionsmethoden ein.

Extraktion mithilfe einer Zange

Ein Zahn kann auf verschiedene Weise entfernt werden. In den meisten Fällen benutzt der Zahnarzt dafür eine Zange.

Verschiedene Zangenarten

Das Entfernen eines Zahns mithilfe einer Zange ist die älteste Extraktionsmethode. Sie kommt auch heute noch in den meisten Fällen zur Anwendung. Dafür hat der Zahnarzt mehrere spezielle Zangen zur Auswahl, die sich sowohl für die Zähne des Oberkiefers als auch des Unterkiefers eignen.

Dazu gehören

  • Weisheitszahnzangen
  • Wurzelzangen
  • Molarenzangen
  • Prämolarenzangen und
  • Frontzahnzangen.

Hinzu kommen noch Spezialzangen wie zum Beispiel Zangen für eine Milchzahnextraktion. All diese Zangen bestehen aus hochwertigem Stahl.

Vorteile und Durchführung einer Zangenbehandlung

Vorteil einer Zahnextraktion mittels Zange ist, dass sich diese Methode rasch und einfach durchführen lässt. Allerdings kann dabei mitunter eine Wurzel abbrechen.

Damit dies nicht vorkommt, sollte der Zahnarzt auf eine bestimmte Weise vorgehen. So muss er einen Seitenzahn kippen, während ein Frontzahn langsam gedreht wird. Ein langsames Tempo ist deswegen wichtig, damit die Fasern, die den Zahn halten, reißen können.

Extraktion mithilfe eines Hebels

Ein Zahn lässt sich auch durch Hebelwirkung entfernen. Bei dieser Technik setzt der Zahnarzt spezielle Hebel ein, mit denen der Zahn aus dem Kiefer herausgedrückt wird.

Vorteile

Auf diese Weise können auch Zähne gezogen werden, die mit einer Zange nur schwer zu packen sind. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass sich auch Wurzelreste von abgebrochenen Zähnen ohne größeren Aufwand entfernen lassen.

Instrumente und Risiken

Allerdings braucht man für den Einsatz eines Hebels auch ein Hebellager. Normalerweise ist dies ein benachbarter Zahn.

Bei zu großem Krafteinsatz besteht jedoch die Gefahr, dass der Nachbarzahn geschädigt wird. Als Extraktionshebel setzt der Zahnarzt Instrumente wie einen Beinschen Hebel oder einen Wurzelheber ein.

Extraktion durch Osteotomie

Als Osteotomie bezeichnet man ein operatives Verfahren, bei dem Knochenmaterial abgetragen wird. Zahnmediziner bezeichnen diese Methode auch als Aufklappung.

Steckt ein Zahn so tief im Kieferinneren, dass ihn der Zahnarzt mit den herkömmlichen Methoden nicht erreichen kann, muss eine Osteotomie durchgeführt werden.

Durchführung einer Osteotomie

Zu diesem Zweck ist oftmals die Präparierung eines Lappens erforderlich. Das heißt, dass etwas Zahnfleisch mit einem Skalpell herausgeschnitten wird. Das Zahnfleisch klappt der Zahnarzt dann zur Seite, damit er den Knochen besser sehen kann.

Gegen Ende des Eingriffs klappt man den Lappen wieder zurück und vernäht ihn. Zum Abtragen des Knochenmaterials kommen Instrumente wie Meißel oder Fräsen zum Einsatz.

Die Osteotomie bei sehr tief im Kieferinnern sitzenden Zähnen
Die Osteotomie bei sehr tief im Kieferinnern sitzenden Zähnen

Komplikationen bei einer Zahnextraktion

Bei einer Zahnextraktion besteht das Risiko, dass es zu Komplikationen kommt. Dazu gehören vor allem

Eher selten treten

  • eine Eröffnung der Kieferhöhle
  • Beschädigungen von benachbarten Zähnen
  • Nervenirritationen
  • Weichteilverletzungen oder
  • das Verschlucken von Zahnteilen

auf. Im schlimmsten Fall kann es auch zu einer Knochenentzündung (Osteitis) kommen.

Das Risiko, dass ein Zahn abbricht, besteht vor allem bei marktoten oder stark vorgeschädigten Zähnen. Auch eine ungünstige Wurzelanatomie wie gekrümmte oder gespreizte Wurzeln kann zu einer Zahnfraktur führen.

Kommt es zum Abbrechen des Zahns, muss der Zahnarzt die übrig gebliebenen Wurzelreste entfernen, was meist über das knöcherne Zahnfach, die Alveole, erfolgt. Eine andere Möglichkeit ist das Entfernen der Wurzel durch einen Zahnfleischschnitt.

Nachsorge

In der Regel wird die Wunde am nächsten Tag vom Zahnarzt kontrolliert. Falls die Wunde vernäht wurde, entfernt man die Fäden nach einigen Tagen wieder. Damit es nach dem Eingriff nicht zu Wundheilungsstörungen kommt, sollte der Patient vorübergehend auf

verzichten. Auch von schwerer körperlicher Arbeit und sportlichen Aktivitäten ist abzusehen, damit es nicht zu Nachblutungen kommt. Außerdem muss die behandelte Seite beim Essen und Zähneputzen geschont werden.