Individueller Blutzucker: Warum Ernährungsempfehlungen oft nichts bringen

Weil Blutzucker ganz individuell ansteigt, sind generalisierte Ernährungsempfehlungen wenig sinnvoll

Von Cornelia Scherpe
23. November 2015

Nicht nur in Zeitschriften und auf Internetseiten liest man häufig Ernährungstipps, auch Ärzte sprechen regelmäßig Empfehlungen an ihre Patienten aus. Dabei geht es meist um das Vermeiden von Speisen, die den Blutzuckerspiegel nach oben treiben.

Bereits seit einiger Zeit arbeitet man in der Ernährungsforschung mit dem glykämischen Index. Er stuft Nahrungsmittel und Getränke ein, indem angegeben wird, wie stark der Blutzucker nach dem Konsum steigt. Doch eine aktuelle Studie zeigt nun, dass diese generalisierten Empfehlungen gar nichts bringen. Der Blutzuckerspiegel ist nämlich sehr individuell.

Studie arbeitete mit umfassender Dokumentation für jeden Teilnehmer

Die Studie arbeitete mit 800 Erwachsenen, die für sieben Tage ein Gerät zur Blutzuckermessung am Körper trugen. Die individuellen Werte wurden im Abstand von fünf Minuten ermittelt, sodass für jeden Teilnehmer eine umfassende Dokumentation entstand.

Um die Werte dem Ess- und Trinkverhalten zuzuordnen, sollten die Probanden über eine App genau dokumentieren, was sie wann zu sich nahmen. Zusätzlich gab jeder Teilnehmer eine Stuhlprobe ab, damit die Wissenschaftler die Darmbakterien genauer analysieren konnten.

Blutzucker steigt ganz individuell an

Das Ergebnis der Studie war überraschend. Selbst wenn zwei Probanden ähnliche Lebensmittel gegessen hatten, war der Blutzucker ganz individuell gestiegen. Das galt zum einen für Speisen, die als Risiko für den Blutzucker gelten und daher eher zu Diabetes und Fettleibigkeit führen. Es gab Probanden, die diese als ungesund geltenden Speisen essen konnten und kein Risiko für die eigene Gesundheit fürchten mussten.

Zum anderen gab es auch Probanden, bei denen Nahrungsmittel, die eigentlich als gesund gelten und oft zu Diäten empfohlen werden, zum Zuckerrisiko wurden. Sehr anschaulich war dies bei einer Übergewichtigen, die als Ernährungstipp unter anderem Tomaten empfohlen bekommen hatte. Doch jedes Mal, wenn die Frau Tomaten gegessen hatte, ging ihr Blutzuckerspiegel bedenklich in die Höhe.

Bakterien und genetische Faktoren als Grund für Indiviualität des Blutzuckerspiegels vermutet

Die Auswertung der Stuhlproben zeigte sehr unterschiedliche Zusammensetzungen der Darmflora. Die Forscher fanden Bakterienzusammensetzungen, die offenbar zu einer Erhöhung der Blutzuckers maßgeblich beitragen. Vermutlich spielt aber auch die genetische Veranlagung eine große Rolle.

Die Wissenschaftler haben in jedem Fall gezeigt, dass allgemeine Ernährungsempfehlungen nicht annähernd so sinnvoll sind, wie ein individueller Ernährungsplan. Dieser kann erstellt werden, wenn man wie in der Studie vorgeht. Bisher wird das in der Praxis allerdings kaum gemacht.