Rhesusfaktor - Bedeutung des Rhesus-Blutgruppensystems

Als Rhesusfaktor wird ein Oberflächenmerkmal des Rhesus-Blutgruppensystems oder Rhesus-Systems bezeichnet. Zusammen mit dem AB0-System stellt das Rhesus-System das wichtigste Blutgruppensystem dar. In Deutschland verfügen ungefähr 85 Prozent aller Bundesbürger über den Rhesusfaktor-positiv. Bei den restlichen 15 Prozent besteht der Rhesusfaktor-negativ. Erfahren Sie hier alles Wissenswerte zum Rhesusfaktor und dem Rhesus-Blutgruppensystem.

Von Jens Hirseland

Entdeckung des Rhesusfaktors

Entdeckt wurde der Rhesusfaktor im Jahr 1940 von den amerikanischen Medizinern Karl Landsteiner (1868-1943) und Alexander Solomon Wiener (1907-1976). Dabei fanden sie heraus, dass Rhesus-positive Individuen ein Erythrozyten-Antigen-System sowie spezielle Proteine auf der Zellmembran der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) besaßen. Bei Rhesus-negativen Individuen war dies nicht der Fall.

Die Bezeichnung Rhesusfaktor ist darauf zurückzuführen, dass das erste Testserum aus Kaninchenblut gewonnen wurde, das zuvor eine Behandlung mit roten Blutkörperchen von Rhesusaffen erhielt.

Den Rhesusaffen wurde Blut entnommen und Nagetieren injiziert. Anschließend erfolgte die Darreichung des Serums wieder bei den Rhesusaffen. Die Wissenschaftler stellten dabei eine Verklumpung der Erythrozyten fest, die von den Rhesusaffen stammten. Grund dafür war die Bildung von Antikörpern im Organismus der Nagetiere. Im Anschluss an die Übertragung des Blutes in den Organismus der Affen griffen diese Antikörper deren rote Blutkörperchen an.

Das Rhesus-Blutgruppensystem

Das Rhesus-Blutgruppensystem verfügt über insgesamt fünf Antigene: C, c, D, E und e.

Diese fünf Proteine, die miteinander verwandt sind, lassen sich mit Testseren prüfen. Zusammen mit dem AB0-System ist das Rhesus-System von größter klinischer Wichtigkeit.

Als Hauptmerkmal gilt der Rhesusfaktor D (Rh-Faktor). Ist dieser Faktor auf der Zellmembran der Erythrozyten eines Menschen vorhanden, gilt dieser als Rhesus-positiv. Liegt der Faktor dagegen nicht vor, ist die betroffene Person Rhesus-negativ.

Gebräuchliche Abkürzungen

Verfügt ein Mensch über das Rhesusfaktor-D-Antigen, erfolgt die Abkürzung dieser Eigenschaft mit Rh(D)+, Rh+ oder Rh. Das entsprechende Erbbild (Genotyp) wird mit DD, Dd oder dD abgekürzt. Häufig kommt auch einfach nur D zur Anwendung.

Fehlt hingegen das Rhesusfaktor-D-Antigen und ist die betroffene Person Rhesus-negativ, wird dies mit Rh(D)-, Rh- oder nur rh abgekürzt. Der Genotyp erhält das Kürzel dd.

Unterscheidung beim Rhesusfaktor

Die einzige Unterscheidung beim Rhesusfaktor besteht aus "vorhanden" und "nicht vorhanden". So ist das Blut entweder rhesuspositiv oder rhesusnegativ.

Die Angabe des Rhesusfaktors erfolgt normalerweise gemeinsam mit der Blutgruppe. Verfügt eine Person zum Beispiel über die Blutgruppe A sowie den Rhesusfaktor, ist von Blutgruppe A positiv die Rede.

Die Rolle des Rhesusfaktors

Von Wichtigkeit ist der Rhesusfaktor für die Verträglichkeit der einzelnen Blutgruppen. Bilden sich Antikörper gegen den Rhesusfaktor, sprechen die Mediziner von ihnen als Anti-D-Antikörper.

Zu den Besonderheiten der Antikörper gehört, dass der Mensch sie nicht von seiner Geburt an in sich trägt. Zu ihrer Entstehung kommt es erst nach dem Kontakt eines rhesusnegativen Menschen mit dem Blut einer rhesuspositiven Person. Ein solcher Kontakt ist zum Beispiel durch eine Bluttransfusion möglich. Aus diesem Grund wird bei Bluttransfusionsbehandlungen darauf Acht gegeben, dass das Blut von Spender und Empfänger beim Rhesusfaktor kompatibel ist.

Unverträglichkeiten

Erfolgt ein zweiter Kontakt zwischen einem rhesusnegativen Menschen und rhesuspositivem Blut, droht eine Unverträglichkeit, die lebensgefährliche Ausmaße annehmen kann. Im Falle einer weiteren Übertragung kommt es zur Anheftung der Anti-D-Antikörper von rhesuspositivem Blut an die Rhesusantigene der Erythrozyten, was zu deren Zerstörung führt.

Der Rhesusfaktor in der Schwangerschaft

Eine bedeutende Rolle spielt der Rhesusfaktor auch während der Schwangerschaft. Allerdings müssen dazu bestimmte Voraussetzungen eintreten. Ist die schwangere Frau rhesusnegativ und trägt ein rhesuspositives Kind aus, ist während der Geburt ein Übergang von kleineren Blutmengen des Kindes in den Kreislauf der Mutter möglich. Zu unmittelbaren Problemen führt dieser Übertritt nicht. Im weiteren Verlauf werden durch den Kontakt mit dem rhesuspositiven Blut des Kindes Anti-D-Antikörper gebildet.

Kommt es zu einer erneuten Schwangerschaft, besteht die Gefahr von gesundheitlichen Komplikationen. Diese zeigen sich aber nur dann, wenn das Kind erneut rhesuspositives Blut in sich trägt. In einem solchen Fall besteht das Risiko, dass die Anti-D-Antikörper, die sich im Organismus der Mutter gebildet haben, via Mutterkuchen (Plazenta) bis zum Blutkreislauf des Kindes vordringen. Dort werden die lebenswichtigen Erythrozyten von ihnen angegriffen und vernichtet. Die Ärzte sprechen dann von einem Morbus haemolyticus neonatorum. Bemerkbar macht sich diese Komplikation durch Herzbeutelergüsse sowie Ergüsse in der Pleura. Im Extremfall droht das Herzversagen des ungeborenen Kindes.

Komplikationen vorbeugen

Es besteht jedoch die Option, der schweren Komplikation vorzubeugen. Zu diesem Zweck erhalten Frauen, die rhesusnegativ sind, direkt nachdem sie zum ersten Mal ein rhesuspositives Kind zur Welt gebracht haben, Anti-D-Antikörper, die künstlich produziert wurden. Sie besitzen die Eigenschaft, sich an den Rhesusfaktor der Erythrozyten, die in den Kreislauf der Mutter übertragen wurden, anzubinden.

Dieser Effekt bewirkt eine Blockade der Rhesusfaktoren mit den synthetischen Anti-D-Antikörpern. Weil das Immunsystem der Mutter den fremden Rhesusfaktor nicht erkennen kann, werden demzufolge keine eigenen Anti-D-Antikörper hergestellt. Bei einer weiteren Schwangerschaft mit einem rhesuspositiven Kind besteht also keine Gefahr mehr.

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