Polygamie und Polyamorie - Merkmale, Formen, Voraussetzungen und mögliche Probleme

Polyamorie und Polygamie sind zwei Lebensformen, mit denen sich wohl die wenigsten Menschen identifizieren könnten. Bei der Polygamie geht ein Mann mehrere Ehen mit verschiedenen Frauen. Die Polyamorie hingegen beschreibt eine offene Beziehung mit mehreren Menschen; dabei muss es sich nicht zwangsläufig um einen Mann handeln - alle Beteiligten sind jedoch mit dieser Form einverstanden. Informieren Sie sich über die Merkmale, Formen, Voraussetzungen und mögliche Probleme bei Polygamie und Polyamorie.

Von Kathrin Schramm

Merkmale der Polygamie

Als Polygamie wird hierzulande die Vielehe bezeichnet, bei der unterschiedliche Ausprägungsformen entstehen können. Im allgemein üblichen Sprachgebrauch hat sich der Begriff "Polygamie" inzwischen für die Lebensform mit vielen unterschiedlichen Bindungen eingebürgert. Hat ein Mann zum Beispiel mehrere Freundinnen oder außerhalb der Ehe weitere Beziehungen, so wird er als polygam bezeichnet, auch wenn er nicht mehrere Ehen geschlossen hat.

In den meisten westlichen Kulturen ist die Polygamie gesetzeswidrig und wird mit Freiheitsentzug geahndet. Wem es zum Beispiel in Deutschland gelingt, mehrere Ehen einzugehen, der muss gefälschte Papiere vorgelegt haben. Unterhält der Mann nur zwei Beziehungen, so ist von Bigamie die Rede.

In Kulturen, in denen die Polygamie erlaubt ist, unterscheidet sie sich nicht wesentlich von der Polyamorie oder auch Polyamory. Hier wissen die unterschiedlichen Ehefrauen voneinander und leben zusammen. In der illegalen Polygamie ist dies meist nicht der Fall.

Formen

Man unterscheidet zwischen der

  • Polygynie: auch als Vielweiberei bezeichnet - bei dieser Form hat ein Mann mehrere Ehefrauen; handelt es sich um zwei Frauen, spricht man von einer Bigynie. Die Polygynie kommt häufiger vor als die Polyandrie. Man unterteilt noch mal in die allgemeine Polygynie, die jedem Mann einer betreffenden Gesellschaft möglich ist, sowie in die begrenzte Polygynie, die nur einer kleinen Männerschicht erlaubt ist.

  • Polyandrie: auch als Vielmännerei bezeichnet - bei dieser Form ist eine Frau mit mehr als einem Mann verheiratet; bei zwei Männern spricht man von einer Biandrie. Auch hierbei gibt es noch weitere Unterformen: die fraternale, die korporative, die konkorporative Polyandrie sowie Cicisbeismus.

  • Polygynandrie: auch als Gruppenehe bezeichnet . bei dieser Form sind mehrere Frauen und Männer beteiligt; man spricht hierbei auch von der besagten Polyamorie.

Polygamie als Strafbestand

In Deutschland, wie auch in den meisten westlichen und europäischen Ländern, erfüllt die Polygamie einen Straftatbestand. Es ist rechtlich verboten, mehr als eine Ehe zu schließen. Dagegen ist die Polygamie in einigen andern Kulturen rechtlich zugelassen und auch heute noch weit verbreitet.

Problem: Geheimhaltung

Polygamien sind aus unterschiedlichen Kulturkreisen bekannt, in den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um Männer mit mehreren Frauen. Dabei können vielerlei unterschiedliche Probleme auftauchen.

Die Schwierigkeiten der Polygamie liegen sowohl innerhalb der einzelnen Beziehungsgeflechte, als auch in ihrer Akzeptanz nach außen. Meist verheimlichen polygam lebende Menschen ihr Doppel- oder Mehrfachleben vor den direkt Betroffenen. Sie erfinden ein Lügenkonstrukt und -geflecht, das es ihnen ermöglicht, ihre längeren Abwesenheiten zu erklären und an mehreren Orten gleichzeitig präsent zu sein.

Wer polygam lebt, treibt ein ständiges Versteckspiel, das nervenaufreibend und belastend sein kann. Zudem belügt und betrügt er Personen, die ihm vertrauen, und die seine direkten Bezugspersonen sind oder sein sollten.

Nicht nur die betroffenen Partner werden belogen, sondern auch die aus den Beziehungen stammenden Kinder.

Merkmale der Polyamorie

Als Polyamorie dagegen wird eine nahezu ähnliche Lebensform bezeichnet, in der ein Partner (nicht notwendigerweise ein Mann, sondern auch eine Frau) offene Beziehungen zu mehreren anderen Personen pflegt. Alle Beteiligten sind mit der Lebensform einverstanden und je nach Ausprägung auch miteinander bekannt.

Die Polyamory setzt einen verantwortungsvollen Umgang miteinander und untereinander voraus, was bei der gesetzwidrigen Form der Polygamie nicht zwingend der Fall ist. Nach Angaben von , der sich mit der Geschichte der Polyamorie befasst hat, wird diese Beziehungsform vor allem durch folgende Merkmale definiert:

  • Ehrlichkeit
  • Erotische Liebe über einen gewissen Zeitraum hinweg mit mehr als einer Person
  • Gleichberechtigung und
  • Langfristige Orientierung.

Die Grundidee ist hierbei, dass sich eine romantische Liebe nicht auf lediglich eine Person beschränken muss.

Vorteile

Die Polyamorie funktioniert ohne Trauschein, was allen Beteiligten den Vorteil bietet, dass sie sich nach Belieben wieder aus ihrem Beziehungsgeflecht lösen können und keine rechtliche Verantwortung füreinander übernehmen müssen.

Durch die wechselhaften Beziehungen bleibt jede einzelne Konstellation interessant. Ein Alltagstrott, wie er in der normalen, geschlossenen Ehe leicht entstehen kann, kann in der Polyamorie nicht aufkommen. Häufig sind die verschiedenen Partner auch untereinander befreundet und bilden eine Art Großfamilie, in der auch die jeweiligen Kinder gemeinsam und mit ihren Halbgeschwistern aufwachsen.

Zusammenleben erleichtert die Polyamorie

Die Funktionalität der Polyamory kann dann als besonders hoch gewertet werden, wenn alle Beteiligten auf engem Raum zusammen leben. So kann ein gegenseitiger Austausch stattfinden und die ungewöhnliche Lebensform erfordert keine komplizierten Maßnahmen oder unnötige doppelte Haushaltsführung.

Jeder kann von den anderen profitieren, sei es wirtschaftlich oder auch emotional. Hier wird ein hoher sozialer Zusammenhalt entwickelt.

Voraussetzung für die Polyamorie: Offenheit

Die Polyamorie setzt einen offenen Umgang mit der Lebensform und die Übernahme von Verantwortung für den anderen voraus. Wer akzeptieren kann, dass er auf seinen Partner kein alleiniges Anspruchsrecht geltend machen kann, der kann in der Polyamorie Sicherheit, Wärme und Geborgenheit finden.

In der Polyamorie wird nicht betrogen und meist auch nicht gelogen. Die einzelnen Mitglieder werden gleichberechtigt behandelt und sind ihrem Ansehen und Status nach gleichwertig.

Damit die Polyamorie funktioniert, sind aber auch viel Energie, Aufmerksamkeit und Kommunikation wichtig. Als besonders herausfordernd wird das Gefühl der Eifersucht angehesehen; mit dieser muss sich der Betroffene auseinandersetzen, Verständnis, Mut und Vertrauen vorausgesetzt.

Problem: Mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz

Gesellschaftlich ist diese Lebensform nach wie vor nicht akzeptiert und kommt in der Praxis auch nur höchst selten vor. Werden keine Mehrfach-Ehen geschlossen, so ist sie jedoch nicht rechtswidrig und auch nicht sittenwidrig, gilt aber als sozial inakzeptabel.

Das Unverständnis und die Ablehnung von außen führen zwangsläufig zu Problemen innerhalb der Partnerschaftsgeflechte.

Problem: Eifersucht

Wie bereits erwähnt, kann Eifersucht die Polyamorie problematisch werden lassen. Mit dieser muss sich derjenige, der dieses Gefühl empfindet, gründlich auseinandersetzen, um in solch einer Beziehungsform leben zu können.

Die Situation, welche Eifersucht und Angst auslösen, sollte man hinterfragen und sich möglichst detaillierte Szenen vorzustellen. Realität und Irrealität sollten vergegenwärtigt werden.

In vielen Fällen ist das Gefühl der Eifersucht ein Zeichen dafür, dass man innerhalb der Beziehung unter unerfüllten Bedürfnissen leidet. Diese sollten unbedingt mit dem Partner geklärt werden - ein Faktor, weshalb Kommunikation bei der Polyamorie so bedeutend ist.

Auch die gezielte Konfrontation mit dem Gefühl wird von vielen Seiten empfohlen. Die bewusste Wahrnehmung soll hilfreicher sein, als der Eifersucht auszuweichen. Ebenso hilfreich ist es, wenn die betroffene Person das Tempo der Beziehung bestimmt.

Integration von Kindern in polyamoren Familien

Leben Kinder in polyamoren Familien, können diese unterschiedlich integriert sein. So können die Eltern zum Beispiel die volle Verantwortung für ihre eigenen Kinder tragen; diese wiederum sehen die anderen Mitglieder als Freunde ihrer Eltern an.

Des Weiteren ist es möglich, dass die Hauptverantwortung für die eigenen Kinder bei den Eltern liegt, während anderen Mitglieder der Beziehung als erweiterte Familie gelten; sie können bei der Erziehung helfen. Die Kinder selbst bekommen zum Beispiel gesagt, dass es sich um eine Art von Stiefeltern oder etwa Tante und Onkel handelt.

Und schließlich gibt es auch die kollektive Erziehung. Bei dieser Form werden die Kinder von allen Mitgliedern gleichermaßen erzogen, unabhängig davon, ob es sich um eine Blutsverwandtschaft handelt.