Graffiti - Geschichte, Formen und rechtliche Aspekte

Graffiti ist heute ein fester Bestandteil des urbanen Lebens. Es handelt sich um teilweise sehr bunte Schriftzüge, Bilder oder Zeichen, die mithilfe unterschiedlicher Techniken auf diverse Oberflächen gesprüht werden. Im Laufe der Zeit haben sich viele verschiedene Graffitiformen entwickelt, teils wertvolle Kunststücke, die von vielen Menschen jedoch als bloße Schmiererei angesehen werden. Informieren Sie sich über die Geschichte und Formen des Graffiti sowie dessen rechtliche Aspekte.

Christian Steinfort
Von Christian Steinfort

Sie dürfen in keinem Krimi fehlen und auch wenn es im Fernsehen um soziale Brennpunkte geht, schwenkt die Kamera früher oder später auf eine graue Steinwand voller Graffiti. Tatsächlich bringen die meisten Menschen Graffiti mit etwas Bedrohlichem in Verbindung.

Wo es angeschmierte Wände gibt, sollte man sich nach Einbruch der Dunkelheit lieber nicht mehr herumtreiben. Dabei kann Graffiti so viel mehr sein als nur sinnloses Geschmiere.

Motivation und rechtliche Lage

Die Motivation eines Sprayers kann ganz unterschiedlich sein. Zu den möglichen Gründen zählen

  • die Verarbeitung des Alltags; das Sprayen führt dabei zu positiven Emotionen
  • das Streben danach, Fortschritte zu machen und sich zu entwickeln
  • Kreativität, um seine Gefühle auszudrücken und seine Vorstellungen zu verwirklichen
  • Gruppengefühl
  • Selbstverwirklichung
  • Ruhm
  • Grenzerfahrungen machen
  • Lebenssinn
  • Langeweile

Gegen den Sprayer kann zivilrechtlich ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer unerlaubten Handlung entstehen. Mit der Entfernung des Graffitis kommt es zu hohen Kosten; ist der Verursacher zahlungsunfähig, kann es zu einer Verjährung von bis zu fünf Jahren komen.

Strafrechtlich kommt es im Sinne einer Sachbeschädigung zu einer Verfolgung, die teils auch in einer Freiheitsstrafe enden kann. Je nachdem, was beschädigt wurde, bleibt es aber auch bei einer Geldstrafe.

Die Geschichte des Graffiti

Es gehört zu den angeborenen Trieben eines jeden Raubtieres, sein Revier auf irgendeine Art und Weise zu markieren. Der Mensch macht hierbei keine Ausnahme. Seit jeher stellen wir beschriftete Steine auf oder ritzen kleine Zeichen in die Rinde eines Baumes, um Fremden zu zeigen, dass sie nun unser Gebiet betreten.

Mit der Entwicklung der Menschheit hat sich natürlich auch dieses Revierverhalten weiterentwickelt. Man ritzte irgendwann nicht mehr in Steine, sondern verwendete Filzstifte und andere künstliche Farben. So benutzten die US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg beispielsweise den Vermerk "Kilroy was here", um die Orte zu markieren, an denen sie vorbei zogen.

"TAKI"

Die eigentliche Geburtsstunde des Graffiti fällt jedoch auf die 70er Jahre. Damals benutzte ein Botenjunge in New York das Kürzel TAKI123/TAKI183, um sich selbst auf seinen Touren an Häuserwänden und Mauern zu verewigen. Der Unbekannte war ein gefundenes Fressen für die Presse, weshalb plötzlich zahlreiche Zeitschriften und Boulevard-Blätter über "TAKI" berichteten.

Ein Trend war geboren

Diese Verbreitung in den Medien führte wiederum dazu, dass auch andere Jugendliche Gefallen an dem Gedanken fanden, sich durch ihr eigenes Kürzel in der Stadt zu verewigen und so ihr Revier zu markieren. Zu Beginn verwendete man vorwiegend Filzstifte, irgendwann kam man jedoch auf die Idee, dass das Aufbringen der so genannten Tags mit Spraydosen einfach viel schneller und einfacher von der Hand geht. Mit Hilfe der Dosen konnte man plötzlich mühelos ganze Bilder aufsprühen, weshalb sich die Jugendlichen bald nicht mehr nur darauf beschränkten, ihren Spitznahmen irgendwo zu hinterlassen.

Graffiti - eine Kunst

New York wimmelte daraufhin bald nur so von Sprayern, die ständig neue Techniken entwickelten und dabei immer besser wurden. Irgendwann kam man nicht mehr umhin, Graffiti als Kunst wahrzunehmen.

Gegen Ende der 80er Jahre zog auch die Filmindustrie nach und drehte erste Kinofilme über das Phänomen Graffiti. Diese wurden teilweise auch in verschiedenen europäischen Ländern gezeigt, wodurch das Graffiti schlussendlich den Sprung über den Atlantik schaffte.

Zwischen lausiger Schmiererei und brillanter Kunst

Häuserfassaden und öffentliches Eigentum zu besprühen, fällt unter Sachbeschädigung und ist daher von Rechtswegen verboten. Genau darin liegt der Reiz, der viele Sprayer antreibt.

Sie ziehen des Nachts mit ihren Dosen los und besprühen mit Vorliebe Denkmäler und frisch gestrichene Wände. Man erkennt schnell, dass die Provokation hier das stärkste Motiv darstellt.

Der Unterschied der echten Kunst

Allerdings sollte man vorsichtig mit seinem Urteil über Graffiti sein. Richtige Graffitikünstler legen es nämlich keinesfalls darauf an, fremdes Eigentum zu zerstören.

Sie suchen sich für ihre Werke leere graue Steinwände, die mit einem bunten Anstrich sicherlich nicht schlechter aussehen als vorher. Ernsthafte Graffitikunst erkennt man daran, dass die Bilder ganze Geschichten erzählen und sich teilweise über mehrere Quadratmeter ziehen. Man erkennt auf den ersten Blick, was das Graffiti darstellen soll und ist meist erstaunt, wie gut die Bilder gemacht sind.

In Anbetracht dessen, dass dies alles mit Spraydosen geschaffen wurde, muss man fast schon seinen Hut ziehen vor soviel künstlerischem Geschick. Ernsthaften Graffitikünstlern wäre es auch lieber, wenn sie ihrem Hobby nicht im Deckmantel der Dunkelheit nachgehen müssten. Schließlich leidet die Technik, wenn die Lichtverhältnisse ungünstig sind.

Arbeit als Graffitikünstler

Einige der wirklich guten Sprayer haben Glück und werden quasi "entdeckt". Das heißt, sie finden eine Privatperson oder eine Firma, die sie dafür bezahlt, Graffiti auf bestimmte Flächen aufzubringen. Meist arbeiten solche Sprayer für die Werbung oder helfen bei der Gestaltung von Jugendtreffs und dergleichen mit.

Legale Betätigungsarten für Sprayer

Wer loszieht und einfach die Wände und Fassaden fremder Personen besprüht, dem droht ein Zivil- oder sogar Strafverfahren. Im besten Fall muss man ein dickes Bußgeld zahlen, läuft es ganz schlecht, kann man für seine unbedachten Kritzeleien sogar im Gefängnis landen. Eine Anzeige bekommt man jedoch in jedem Fall und die macht sich gar nicht gut im Lebenslauf.

Trotzdem kann man die Wut vieler Graffitikünstler nachvollziehen, wenn sie dafür bestraft werden, eine hässliche graue Wand in ein wahres Kunstwerk verwandelt zu haben. Tatsächlich haben die meisten Menschen nichts gegen Graffiti, solange es gut gemacht ist. Gegen die Rowdies, die Skulpturen und Hauswände mit hässlichem und sinnlosem Gekrakel verzieren, haben jedoch sowohl Künstler als auch Hausbesitzer einen regelrechten Hass.

Sprayern, die das Malen als ernsthaftes Hobby betreiben, liegt nichts ferner, als fremdes Eigentum zu verschandeln. Sie suchen einfach nur nach einem Ort, an dem sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen können.

Um solche professionellen Sprayer zu unterstützen und vor rechtlichen Problemen zu schützen, bieten immer mehr Städte und Kommunen freie Flächen an, auf denen Graffiti ganz legal angebracht werden darf. Die besten Sprayer werden teilweise mit Preisen ausgezeichnet und bekommen die Möglichkeit, große Projekte ganz allein zu gestalten.

Steinmauern in Parks oder Jugendzentren

Meist handelt es sich dabei um lange, graue Steinmauern, die in Parks oder vor Jugendzentren errichtet werden. Ist die Wand erst einmal fertig besprüht, ist aus dem Betonklotz ein richtiges farbenfrohes Kunstwerk geworden, das die Gegend verschönert, anstatt sie zu verschandeln. Sprayen darf hier jeder, der sich ernsthaft bemüht, gute Arbeit zu leisten.

Schallschutzwände an Autobahnen

Manchmal geben Stadtverwaltungen auch öffentliches Eigentum, wie zum Beispiel Schallschutzwände an Autobahnen zum Sprayen frei. So haben die Anwohner zumindest nicht mit dem tristen Anblick der Wände zu leben, auch wenn der Lärm trotzdem bleibt.

Jugendclubs und Skateboardhallen

Auch viele Jugendclubs oder Skateboardhallen bieten Sprayern die Möglichkeit, sich richtig auszutoben. Das Publikum, dass sich dort aufhält, befürwortet Graffiti in der Regel, so dass nicht nur der Sprayer, sondern auch die Betreiber einen direkten Nutzen aus der Kunst ziehen können.

Szeneläden

Ähnlich ist es auch mit Skatershops und anderen Szeneläden. Diese bezahlen wirklich gute Künstler teilweise sogar dafür, dass sie Werbung in Graffitiform am Firmengebäude oder auf Bannern anbringen. So machen sich die Händler den coolen und trendigen Ruf der Sprayer für ihre eigenen Zwecke zu Nutze.

Werbung und Marketing

Es gibt jedoch auch Sprayer, die überhaupt nicht mehr auf der Straße sprühen. Sie wurden von Marketingfirmen angeworben, um exklusiv für sie Logos und Werbebilder zu entwerfen.

Zwar arbeiten die Künstler dann meist mit der Airbrushpistole, die für kleine Flächen geeigneter ist und ähnliche Effekte hat, für diese Einschränkung ihrer Freiheit bekommen sie jedoch auch einen ordentlichen Lohn, von dem viele andere nur träumen können.

Grundsätzlich gilt, dass Graffiti heute fast überall gewürdigt wird, solange es kein fremdes Eigentum beschädigt und wirklich gut gemacht ist. Zu verurteilen sind daher lediglich diejenigen Sprayer, die in der Dose kein Handwerkszeug, sondern eine Waffe sehen.

Sie hinterlassen keine gut gemachten Comics und Bilder, sondern lediglich Kritzeleien, wildes Geschnörkel oder obszöne Krakeleien. Sieht man ein Graffiti, das man selbst auch so mit einer Dose aus dem Baumarkt hinbekommen hätte, so kann man sich sicher sein, dass man das Werk eines Unruhestifters vor sich hat.

Formen des Graffiti

Es gibt zahlreiche Arten des Graffiti; eine Abgrenzung voneinander ist oft nicht eindeutig möglich. Es folgt ein Überblick mit typischen Formen und deren Merkmalen:

  • Style-Writing: am weitesten verbreitet - Buchstaben und Zahlen bilden die Basis des Werkes; oft oder meist wird auf diese Art der Künstlername gestaltet
  • Scratching: vermutlich die älteste Form: Zeichen oder Schriften werden mithilfe von Messern, Scherben, Steinen und Co. in verschiedene Oberflächen, z.B. Plastik oder Fenster, gekratzt
  • Ganggraffiti: Schriftzüge, durch die ein bestimmtes Gebiet markiert werden soll, dient als Warnung anderer Gangs
  • Etching: Anätzen von Oberflächen (Fenstern) durch Säuren
  • Ultras-Graffiti: Parallelen zum Ganggraffiti; Fußballfans markieren Orte
  • Pixação: Spezielle Art des Ganggraffitis; oftmals in hohen Höhen angebracht, meist einfarbig, einheitlich in ihrer Größe
  • Streetart: Streetart oder Stencils: nichtwritingbezogenes künstlerisches Bild
  • Stencil/Pochoir: Gestaltung eines Bildes durch Übersprühen einer Schablone
  • Adbusting: Graffiti auf Plakaten
  • Klograffiti: Kritzeleien auf öffentlichen Toiletten
  • Politische Graffiti: eine anonyme Darstellung bestimmter politischer Ansichten
  • Zinken: Geheimzeichen, die von Landstreichern oder Gaunern verwendet werden
  • Gefängnisgraffiti: Graffiti, die im Rahmen der Haft meist aus Langeweile entstehen
  • Reverse Graffiti: Schmutzige Oberflächen werden so gereinigt, dass das Ergebnis, der gereinigte Bereich, das eigentliche Bild darstellt
  • Moos-Graffiti: Erstellung eines Bildes mithilfe von Moos
  • LED-Throwie: kleine Leuchtdioden, die man mithilfe von Magneten in möglichst hoher Höhe an metallene Oberflächen wirft
  • Virales Graffiti: enthalten eine "DNA", können von anderen beliebig oft reproduziert werden - zu diesem Zweck werden ein QR-Code oder ein Link platziert
  • Baumgraffiti: eine von Waldarbeitern gesetzte Markierung zwecks Bestimmung des Baumbestands