Unter Stress entscheiden Männer offenbar selbstloser

Selbst Männer, die sich selbst als egoistisch einschätzen, treffen gestresst selbstlose Entscheidungen

Von Cornelia Scherpe
27. Juli 2017

Verhaltensforscher wollten wissen, ob erlebter Stress auch einen positiven Einfluss auf das menschliche Miteinander haben kann. Dafür wurden 50 gesunde Männer zum Experiment gebeten und sollten moralische Entscheidungen treffen. Vorab wurden sie in zwei Gruppen aufgeteilt und bei 30 der Männer zunächst der "Trier Social Stress Test" (TSST) durchgeführt.

Dieser Test wurde in Trier entwickelt, um Menschen für ein Experiment absichtlich unter Stress zu setzen. Sie werden gebeten, sich in einem Raum samt Audio- und Videoüberwachung vor eine mehrköpfige Jury zu setzen. In fünf Minuten müssen sie nur mit Stift und Papier eine Präsentation vorbereiten und sollen anschließend fünf Minuten frei sprechen.

Zu Beginn der eigentlichen Präsentation wird das vorbereitete Blatt jedoch weggenommen. Im Anschluss daran werden sie gebeten, in 13er-Schritten von 1.022 rückwärts zu zählen, wobei jeder Fehler dazu führt, wieder bei 1.022 zu beginnen. Die anschließend gestressten 30 Teilnehmer reagierten bei Moralentscheidungen anders als die übrigen 20 Männer, die nicht bewusst gestresst worden waren.

Bei erhöhtem Cortisolspiegel tritt Egoismus in den Hintergrund

Allen zeigte man 28 Alltagssituationen auf und bat sie, sich jeweils für ein Verhalten zu entscheiden. Darunter war beispielsweise die Frage, ob man eine alten Mann helfen würde, dem gerade die Einkäufe heruntergefallen sind obwohl man selbst dringend den Bus für einen Termin erreichen muss. Oder ob man eine Brieftasche samt Geld aber ohne Ausweispapiere im Fundbüro abgibt und das Geld nicht entnimmt.

Die nicht gestressten Männer handelten nur in 54 Prozent der Fälle selbstlos. Bei denen, die den Stresstest absolviert hatten, waren es hingegen 65 Prozent. Die Forscher hatten zudem vor und nach den Tests um Speichelproben gebeten, um den Wert an Cortisol zu messen. Cortisol gilt als Stresshormon und war bei den Männern der TSST-Gruppe tatsächlich erhöht.

Sein Einfluss war größer als der bestimmter Charaktereigenschaften, die mittels Fragebogen von den Männern erhoben wurden. Selbst Männer, die laut eigener Einschätzung eher egoistisch sind, wurden durch Stress selbstloser.