Der Stellenwert von Religion früher und heute

Unser Leben ist in gewisser Weise auch eine Reise auf der Suche nach dem Sinn des Daseins. Eben diese Frage versuchen Religionen zu beantworten, welche den Menschen bereits seit Jahrtausenden begleiten und die Geschichte der Menschheit auch einschneidend beeinflussten. Doch wie war überhaupt der Stellenwert von Religion früher und wie verhält es sich diesbezüglich heute? Informieren Sie sich hier.

Von Kai Zielke

Religion früher

Im Allgemeinen kann festgehalten werden, dass Religion früher eine viel größere Rolle als heute gespielt hat. Erste Hinweise auf die Ausübung einer Religion lassen sich bereits vor über 100.000 Jahren finden. So lassen Höhlenmalereien, welche zu dieser Zeit datiert wurden, auf religiöse Zeremonien und spirituelle Feste schließen.

Die Bedeutung der Religion sollte aber auch mit der Entstehung der ersten Hochkulturen nicht abebben, sondern erst ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Religiöse Überzeugungen wurden dabei in vielen Hochkulturen oftmals stark mit der eigenen Geschichte und dem eigenen Volk verstrickt. Dabei diente Religion häufig als Mittel der Legitimation, um eigene Herrschaftsansprüche geltend zu machen oder gar andere Völker zu unterwerfen.

In diesem Zusammenhang denke man nur an die Kreuzzüge, welche vor allem auch einer religiösen Motivation entsprangen. Daneben war Religion zudem noch im täglichen Leben der Bürger weitaus fester verankert. Menschen, welche nicht den religiösen Überzeugungen der Gesellschaft zustimmten und nicht den üblichen Praktiken nachgingen, mussten mit Ausgrenzung oder gar Aggressionen rechnen.

Die frühere hohe Bedeutung der Religion hing aber natürlich auch mit dem Wissensstand der damaligen Zeit zusammen. Für viele Phänomene gab es noch keine plausiblen Erklärungen und die Welt war deshalb noch ein Ort, welcher viel mehr Raum für Mystik und den Glauben an eine höhere Gewalt bot. Die Bedeutung der Religion lässt sich in diesem Zusammenhang auch daran ablesen, dass diese oftmals mit wissenschaftlichen Erkenntnissen in Konflikt geriet und diese deshalb teils sogar erfolgreich widerlegte und aus der Mitte der Gesellschaft verbannte.

Religion zwischen den 40er und 60er Jahren

Als beste Zeit der christlichen Kirchen in Deutschland werden die 40er und 50er-Jahre angesehen. Besonders Traumata, etwa durch Krieg, führten die Menschen in die Kirchen, wo sie Orientierung und Hilfe suchten.

Die Gotteshäuser waren gut besucht und den Worten der Pfarrer wurde eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Die Verbindung von religiösen Werten mit wirtschaftlichen, politischen und nationalen Interessen wird in der Religionssoziologie als funktionale Diffusion bezeichnet - dieser Einfluss wurde von den Kirchen gerne genutzt.

Das große Interesse flachte jedoch zu Beginn der 60er-Jahre wieder ab, nachdem die Kirchen ihre Ziele erreicht hatten. Dieser Fall, der Soziologen zufolge bis heute anhält, trägt die Bezeichnung funktionale Differenzierung.

Religion heute

Heute hat der Stellenwert von Religion im Allgemeinen stark abgenommen. So verspüren die meisten Menschen keinen gesellschaftlichen Druck mehr, einer Religion anzugehören und sehen keinen Sinn in religiösen und scheinbar überholten Praktiken.

Auch auf weltpolitischer Ebene hat der Einfluss der Religion abgenommen, wobei man sich dennoch bewusst sein sollte, dass diese immer noch ein bedeutender Einflussfaktor ist. So dient diese beispielsweise als ein Identifikationsmittel für Kulturkreise, was in Zeiten der Globalisierung und sich öffnender und verschiebender Grenzen immer wichtiger wird.

Studie: So religiös ist Deutschland

Um zu ermitteln, welche Rolle Religion und Glaube bei den Deutschen spielen, startet die Bertelsmann-Stiftung im Rahmen ihres "Religionsmonitors" regelmäßig angelegte Umfragen. Als Sinnbild für die religiöse Haltung insgesamt wurde in einer der letzten Studien vor allem nach dem Glauben an ein Leben nach dem Tod gefragt.

Eines der erstaunlichsten Ergebnisse ist wohl, dass jüngere Menschen in diesem Bereich gläubiger sind als ältere. So gaben 41 Prozent der Befragten unter 30 an, fest an eine Auferstehung nach dem Tod zu glauben.

Von den Menschen über 60 waren es lediglich 32 Prozent. Unter den Senioren gibt es zudem einen doppelt so großen Anteil, der den Glauben an ein Leben nach dem Tod komplett von sich weist (37 Prozent). In Sachen Auferstehen sind katholische Kirchenmitglieder eindeutig gläubiger als evangelische - noch überzeugter von einem Leben nach dem Tod sind allerdings die in Deutschland lebenden Moslems (74 Prozent).

Regionale Unterschiede im Glauben

Zudem hat sich in den Ergebnissen der Umfrage ein deutliches Gefälle zwischen Ost und West ergeben. In den östlichen Bundesländern können 60 Prozent der Menschen mit der Vorstellung eines Weiterlebens nach dem Sterben überhaupt nichts anfangen, in Westdeutschland sind dies insgesamt nur 25 Prozent. Frauen zeigten sich dabei gläubiger als Männer.

Im internationalen Vergleich ist die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod in Deutschland ähnlich verbreitet wie in Frankreich, England und Australien. Deutlich mehr Gläubige finden sich in den USA, aber auch in Italien und Polen. Im Gesamten scheint Deutschland nach wie vor ein zum Teil religiös geprägtes Land zu sein, was sich auch daran zeigt, dass auch ein guter Anteil der Konfessionslosen an ein Leben nach dem Tod glauben.

Komplexere moderne Gesellschaft

Dass das Interesse an Religion allgemein nachlässt, begründen Soziologen u.a. mit einer moderneren, komplexeren Gesellschaft. Es gibt eine große Anzahl an Unterhaltungsmöglichkeiten, Freizeitaktivitäten; der Mensch ist mobiler und hat viel mehr Chancen, sich selbst zu verwirklichen.

Auch Bildung spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Mit dieser werden liberale Einstellungen, was die Sexualmoral angeht, in Verbindung gebracht, ebenso ein höherer Lebensstandard. Je höher der Wohlstand, desto geringer das Interesse an einer individuellen Religiosität.

Alle europäischen Länder von der "Entkirchlichung betroffen

Soziologen zufolge ist die "Entkirchlichung" ein Trend, der in allen Ländern Europas zu beobachten ist. Menschen wenden sich von den Kirchen ab, da sie diese mit Autorität und Geldgier verbinden; weltliche Strukturen nehmen hingegen an Bedeutung zu.

Allerdings sollte man hierin kein allgemeines Verschwinden der Religion aus der Gesellschaft verstehen. Auch wenn die großen Kirchen schrumpfen, so kommt es gleichzeitig zur Bildung von kleineren, religiösen Gruppen. Auch esoterische Gruppen und Strömungen werden gesichtet; allerdings besteht hier ein Mangel an einer Kirche als Organisation, die ihnen eine Orientierung gibt.