Soziales Experiment - sichtbarer Reichtum schwächt die Gemeinschaft

In einer "idealen Gesellschaft" herrschen für alle Mitglieder die gleichen Chancen und der selbe Wohlstand

Von Dörte Rösler
11. September 2015

Soziale Ungleichheit wirkt sich nachteilig auf den Wohlstand und die Kooperation einer Gemeinschaft aus. Das gilt insbesondere, wenn der Reichtum Einzelner öffentlich sichtbar wird. Zu diesem Ergebnis kommen amerikanische Forscher mit einem Experiment in sozialen Netzwerken.

Die ideale Gesellschaft bietet allen Mitgliedern die gleichen Chancen und den selben Wohlstand. Tatsächlich nimmt die Kluft zwischen armen und reichen Bevölkerungsgruppen aber immer weiter zu. Wenn die Wohlhabenden ihr Vermögen öffentlich zur Schau stellen, verstärkt sich dieser Effekt.

Was fördert soziale Ungleichheit?

Um zu untersuchen, wie soziale Ungleichheiten entstehen, baten US-Forscher mehr als 1.700 Teilnehmer zu einem spielerischen Experiment. Nachdem sie die Teilnehmer in Gruppen zu jeweils 17 Mitgliedern geteilt hatten, erstellten sie verschiedene Regeln für ein soziales Netzwerk.

Zum Spielstart war jeder Proband mit fünf anderen Mitgliedern seiner Gruppe als "Freund" verbunden und verfügte über eine bestimmte Geldsumme. In mehreren Spieldurchgängen ging es anschließend darum, das eigene Vermögen oder das Vermögen der Gruppe zu mehren.

Kooperation oder Eigennutz?

Wenn alle Beteiligten kooperierten, hatten sie die Chance, pro Durchgang einen Bonus von 100 Geldeinheiten einzustreichen. Voraussetzung: jeder Teilnehmer verzichtete in diesem Durchgang auf 50 eigene Geldeinheiten. Wer sein Geld behalten wollte, konnte für eine Runde aussetzen.

Nach jedem Durchgang erfuhren die Teilnehmer, wie sich die anderen Mitglieder ihrer Gruppe verhalten hatten - und sie durften bis zu drei Mitglieder aus ihrer Freundesliste löschen oder neu hinzufügen. Um die soziale Dynamik bei verschiedenen Konstellationen zu prüfen, gaben die Wissenschaftler außerdem vier unterschiedliche Anfangsbedingungen:

  1. gleicher Wohlstand für alle oder
  2. eine vorgegebene Ungleichheit,
  3. geheime Konten oder
  4. eine Offenlegung der Finanzen.

Reichtum spaltet

Die besten Ergebnisse erzielten Gruppen, in denen alle Mitglieder kooperierten. Ob dabei anfangs Ungleichheit oder Gleichheit herrschte, hatte nur einen geringen Effekt. Zwar waren die Teilnehmer, die bereits am Start mehr Geld hatten, am Ende immer noch reicher als ihre Mitspieler, aber auch deren Wohlstand hatte sich gesteigert.

Diejenigen Gruppen, in denen das Vermögen der Mitglieder offen sichtbar war, kooperierten dagegen weniger - insbesondere, wenn sie bereits mit ungleichen Bedingungen starteten. Vor allem die Wohlhabenden entschieden sich häufiger, aus dem Spiel auszusteigen, um ihr Vermögen zu bewahren.

Entsprechend änderte sich die Vernetzung innerhalb der Gruppe: die Ärmeren schlossen sich zu separaten Freundesgruppen zusammen und kooperierten fast nur noch untereinander. Im Resultat nahm der Gesamtwohlstand der Gruppe ab.