Klassen unserer Gesellschaft und deren Merkmale

Theoretisch gesehen sollte jeder Mensch die gleichen Chancen besitzen wie andere Personen. Das Gleiche gilt natürlich für die Risiken. Tatsächlich klafft jedoch ein erhebliches Ungleichgewicht in der Gesellschaft. Die Einordnung in unterschiedliche Klassen der Gesellschaft wird anhand relevanter Kriterien vorgenommen. Lesen Sie über die Klassen unserer Gesellschaft und informieren Sie sich über deren Merkmale.

Britta Josten
Von Britta Josten

Warum gibt es Gesellschaftsschichten?

Einer solchen Unterteilung liegt kein deutsches, europäisches oder allzu neuartiges Denken zugrunde. Die Idee, die Bürger in bestimmten Kategorien zu trennen, ist viele hundert Jahre alt und wurde in zahlreichen Nationen vorgenommen. Der Gedanke dahinter basiert auf der Überlegung, dass nicht alle Menschen über die gleichen Rechte und das gleiche Vermögen verfügen.

So kam es frühzeitig zu teilweise absurden Beschränkungen der Minderprivilegierten, die etwa nicht wählen durften, wenn politische Entscheidungen anstanden. Auch heute ist das Modell der Schichten gängig.

Zwar besitzen alle Bürger dabei die gleichen Rechte - das Vermögen oder die Besitztümer unterscheiden sich dennoch. Idealerweise sollten dabei alle drei momentan vorhandenen Schichten im Gleichgewicht liegen.

Geschichte

Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts war es relativ normal, dass die Bevölkerung eines Landes nicht als gleichförmig angesehen wurde. So gab es etwa die jeweiligen Stände, Adelsklassen oder andere Privilegien, mit denen ein Mensch als etwas Besseres galt oder - sofern er darüber nicht verfügte - zu jenem Personenkreis zählte, dem eben nicht alle Freiheiten zukamen.

Zweiklassengesellschaft

Daraus entwickelte sich wiederum die Zweiklassengesellschaft, die nach Kapitalisten und Proletariern differenzierte. Hierbei war also bereits ein erster Schritt erkennbar, nicht mehr den Namen der Familie oder ihre Vorrechte als Maßstab gelten zu lassen, sondern das Einkommen und die Besitztümer in den Vordergrund zu stellen. Erst mit diesem Wandel war der Weg zur heute bekannten Theorie der drei Schichten geebnet.

Aufteilung

Infolge der überholungsbedürftigen Zweiklassengesellschaft wurde etwa ab der Mitte des 20. Jahrhunderts eine Unterteilung der Bürger eines Landes in drei Kategorien vorgenommen. An ihrer Spitze steht die Oberschicht, an ihrem unteren Ende die Unterschicht. Die tragfähige Basis einer Nation soll sich dagegen in der Mittelschicht befinden: Sie ist optimalerweise besonders breit und erfasst damit einen Großteil der Bevölkerung.

Zwischen diesen drei Schichten kommt es aber zu sozialen Unterschieden, die teilweise sogar innerhalb einer Klasse sehr drastisch ausfallen können. Es gab daher in den letzten Jahrzehnten mehrere Überlegungen und Versuche, eine Unterteilung in bis zu neun Schichten vorzunehmen. Solche Modelle sind bislang jedoch gescheitert.

Geld als Bewertungskriterium der Gesellschaftsklassen
Geld als Bewertungskriterium der Gesellschaftsklassen

Die hauptsächlichen Kriterien

Eine Unterteilung der Gesellschaft erfolgt heutzutage anhand zweier Messwerte: Dabei handelt es sich um das Einkommen sowie um das Vermögen. Beide scheinen sich sehr ähnlich zu sein, unterscheiden sich jedoch.

So benennt das Einkommen lediglich den monatlichen Lohn. Das Vermögen stellt zudem auf Besitztümer - ererbte, gekaufte, oder anderweitig erworbene - ab.

In beiden Kategorien ist zudem an die Größe der Familie und dabei insbesondere an das Vorkommen an Kindern anzuknüpfen. So kann ein bestimmter Lohn für einen Alleinverdiener den Aufstieg in die Oberschicht bedeuten, wogegen das gleiche Gehalt in einer Großfamilie den sozialen Abstieg in die Unterschicht zur Folge hätte. Es ist letztlich also die Vielzahl der unterschiedlichen Faktoren, die zur Einordnung herangezogen wird.

Zu welcher Schicht man mit welchem Lohn gezählt wird, ist abhängig vom Medianeinkommen, dem mittleren Einkommen der Gesellschaft. 2015 betrug dies 33.623 Euro brutto im Jahr, was etwa 1.778 Euro netto monatlich entspricht. Bundesweit gibt es Schwankungen, und auch in jedem weiteren Jahr kommt es zu neuen Werten.

Im Folgenden gehen wir auf die unterschiedlichen Klassen ein...

Oberschicht

Etwa vier Prozent der Bürger des Landes bildeten 2014 die Elite. Doch diese kennzeichnet sich nicht nur dadurch, dass sie über ein höheres Einkommen als andere Personen verfügt.

So ist auch das Vorkommen an Besitztümern höher. Es sind also bereits Vermögenswerte vorhanden, auf die in etwaigen Krisenzeiten zurückgegriffen werden könnte und die den anderen Schichten nicht zur Verfügung stehen.

Ein weiteres Kriterium ist in der Bildung zu sehen: Die Oberschicht weist sehr oft die Merkmale einer überdurchschnittlichen schulischen und universitären Prägung auf, mit der in der Folge natürlich die Türen zu den lukrativ bezahlten Arbeitsstellen offenstehen.

Roter Teppich auf einer kurzen Treppe vor einem prunkvollen Gebäude
Roter Teppich auf einer kurzen Treppe vor einem prunkvollen Gebäude

Die Frage der Macht

Nicht ganz so bekannt ist es, dass es noch einen weiteren Faktor bei der Definition der Oberschicht gibt. Hierbei dreht es sich um die Frage der Macht: Welche Anstrengungen sind nötig, um sich in die gehobenen Positionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu erheben - wie schwer fällt es, sich auch dort zu halten?

Die Oberschicht verfügt dabei im Vergleich zu den anderen beiden Schichten über einen verbesserten Zugang zu den Schaltstellen des Landes. Der soziale Aufstieg gelingt somit oft deutlich einfacher.

Allerdings gilt dieses Privileg nicht für alle Teile der Elite. Denn nicht jede Person nimmt den Weg zur Macht auch in Anspruch oder hegt den Wunsch, die Macht auszuüben.

Der Weg in die Oberschicht

Wer sich also tatsächlich zur Elite zugehörig fühlen möchte, sollte über ein entsprechend hohes Bruttogehalt im Jahr verfügen. Mindestes 4.445 Euro netto monatlich waren dies im Jahr 2015.

Aber ist der Aufstieg denn nicht auch über andere Wege möglich? Das vorhandene Vermögen spielt eine große Rolle.

Geschäftsmann in blauem Sacko und braunem Gürtel auf weißer Hose, hält eine Geldbörse in der Hand
Geschäftsmann in blauem Sacko und braunem Gürtel auf weißer Hose, hält eine Geldbörse in der Hand

Umfangreiche Besitztümer sind daher ein guter Start, um künftig eventuell den oberen zehn Prozent anzugehören. Hierbei zeigt sich aber schon die Auswirkung des Einkommens: Grundstücke, Häuser, Autos und andere Werte wollen unterhalten werden. Ist der Monatslohn aber zu gering, um daneben noch das eigene Auskommen zu sichern, so ist die Leiter in Richtung Oberschicht offenbar zu steil.

Den Aufstieg planen

Soll es dennoch einmal in den erlauchten Kreis der Elite gehen, so ist eine umfassende Bildung die beste Möglichkeit, um schnell an lukrative Arbeitsstellen zu gelangen. Vorteilhaft dabei gestaltet es sich, dass dort oftmals bereits ein gewisses Maß an Macht vorgefunden werden kann - zwei Aspekte der Wertung können also erfüllt werden, wenn der Bürger bei der Wahl der Universitäten und Jobangebote behutsam vorgeht und sich vor allem nicht unter Wert verkauft.

Dennoch muss stets im Einzelfall geschaut werden, ob der Aufstieg möglich ist. Verteilen sich das gehobene Einkommen und die zahlreichen Vermögensgüter bereits auf eine mehrköpfige Familie, so sinken die Chancen des Einzelnen, tatsächlich einmal der Oberschicht anzugehören.

Mittelschicht

Die meisten Bürger des Landes sind in der Mittelschicht angesiedelt. Das mag der theoretische Idealzustand sein und auch momentan faktisch noch zutreffen. Doch der gesellschaftliche Durchschnitt nimmt stetig ab, wogegen die beiden Extreme der Armut und des Reichtums ansteigen.

Etwa zwei Drittel der Steuerzahler waren in den letzten Jahren in der Mittelschicht zu finden.

Nennenswerte Vermögenswerte waren zwar vorhanden, kamen aber eher selten einmal vor. So handelte es sich um kleinere bis mittlere Erbschaften, das eigens gekauft Haus oder ein auf die Altersvorsorge angelegtes Aktiendepot.

Die Bildungsstandards sind durchschnittlich: Der Weg in die Elite steht offen, der Aufstieg ist tatsächlich aber nur einem geringen Teil der Mittelschichtler möglich. Gleiches gilt für den sozialen Abstieg, der über dieser gesellschaftlichen Klasse häufig wie das Damoklesschwert schwebt. Doch es gibt Wandlungen innerhalb der Bevölkerung, die sich gerade auf die Mittelschicht künftig sehr drastisch auswirken könnten.

Brünette Frau mit strenger Brille, Rollkragen und zurückgebundenem Haar, dahinter rothaarige Frau in Bluse
Brünette Frau mit strenger Brille, Rollkragen und zurückgebundenem Haar, dahinter rothaarige Frau in Bluse

Eine weitere Unterteilung

Hierzulande kann die Mittelschicht in einem Bereich zwischen 60 und 250 Prozent des Medianeinkommens liegen, in Zahlen wären dies 17.355 bis 99.755 Euro im Jahr bzw. 1.067 bis 4.445 Euro netto monatlich. Aufgrund der großen Spanne wurde die Mittelschicht noch weiter unterteilt:

  • einkommensschwache Mittelschicht: 17.355 bis 25.365 Euro (1.067 bis 1.442 Euro netto monatlich)
  • Mittelschicht im engeren Sinne: bis rund 56.000 Euro (etwa 1.778 Euro netto monatlich)
  • einkommensstarke Mittelschicht: 56.161 bis 99.755 Euro (2.668 Euro bis 4.444 Euro netto monatlich)

Die Leistungsträger der Gesellschaft?

Eine klare Definition der Mittelschicht gibt es somit nicht. Sie wird zuweilen sogar von den politischen Parteien umgangen und von den wirtschaftlichen Forschern eher schwammig formuliert.

Klar ist jedoch, dass hierin der größte Teil der Bevölkerung beheimatet ist und die gesellschaftliche wie wirtschaftliche Kraft eines Landes somit aus ihrer Mitte kommen sollte. Der Durchschnitt selbst sieht sich interessanterweise aber nicht als Leistungsträger, sondern nicht selten als ausgenutzter Durchschnittsbürger.

So sinken die Löhne, während die Anforderungen steigen. Die Kriterien der Mittelschicht - etwa das kleine Vermögen oder die solide Bildung - nehmen ebenso ab. Die Folgen dieser Veränderungen könnten dramatisch sein, wenn die Mitte der Gesellschaft nicht mehr den höchsten Wert der Bürger darstellt.

Die Mitte schwindet

Bereits die rund zwei Drittel der Steuerzahler, die in den letzten Jahren relativ konstant zum Durchschnitt zählten, nahmen zuletzt deutlich ab. Demgegenüber steigt die Zahl der vermögenden Elite. Noch sprunghafter ist jedoch der Anstieg jener Personen, die der Unterschicht zugerechnet werden.

Die soziale Mitte hat schon längst ein Niveau erreicht, in dem die vermeintliche Sicherheit nicht dauerhaft gewährleistet ist. In dem Häuser und Wohnungen - einmal zur Absicherung erworben - nicht ewig finanziert werden können und in dem die Löhne einer Vollzeitstelle nicht mehr zwingend ausreichen, um den eigenen Lebensbedarf sowie jenen der Familie zu decken.

Lohnt sich gerade in jenen Berufen das ebenso zeitaufwendige wie kostenintensive Studium nicht mehr finanziell, wird die Zahl derer sinken, die solche niveauvolle Beschäftigungen ausführen. Ein Mangel an Fachkräften wäre die Folge. Die Gesellschaft tut somit gut daran, ihre eigene Mitte künftig zu stärken und sie vor einem weiteren Verfall zu bewahren.

Unterschicht

Wo es eine Elite und den Mittelstand gibt, da sucht man auch nach einer Unterschicht nicht vergeblich. Das Stigma jedoch, zu dieser sozialen Klasse zu zählen, ist ein besonders Negatives. Was ist indes zu ändern, wenn der Aufstieg gelingen soll?

Die Unterschicht versinkt nicht in Armut

Die häufige Assoziation der Unterschicht mit einem Leben in sehr engen Verhältnissen trifft nicht immer zu. Tatsächlich sind Personen betroffen, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens der Mittelschicht verdienen.

Vermögenswerte sind so gut wie nicht vorhanden. Häuser und Wohnungen werden vornehmlich gemietet, Autos über langfristige Verträge bezahlt, Aktien und sonstige Ansparungen nur in sehr geringem Umfang vorhanden.

Gering ist zudem vielfach das Bildungsniveau jener Bürger. Der Zugang zu gehobenen Schulen und Universitäten steht häufig nur in wenigen Fällen offen, ein Aufstieg ist daher nur schwerlich möglich. Er gelingt zumeist nur dann, wenn der feste Wille dafür vorliegt und auch die Mühen in Kauf genommen werden, die Karriereleiter ohne die finanzielle Unterstützung der Eltern oder eigener Ersparnisse zu bewältigen.

Körperausschnitt Frau zieht ihre leeren Hosentaschen, weißer Hintergrund
Körperausschnitt Frau zieht ihre leeren Hosentaschen, weißer Hintergrund

Eine Gesellschaft im Wandel

Die Unterschicht hat sich im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten verändert. Inbegriffen sind nicht mehr nur die Wenigverdiener an sich, die vielleicht nach einem Schicksalsschlag im Beruf in die vorzeitige Rente gehen mussten, die über eine allzu geringe Bildung verfügen oder die sich anderweitig unter dem Durchschnitt befinden.

Vielmehr sind mittlerweile sogar Menschen betroffen, die einer ganztägigen Beschäftigung nachgehen, gut ausgebildet sind und dennoch über ein zu geringes Einkommen klagen. Auch Personen mit Migrationshintergrund sind zunehmend in der unteren gesellschaftlichen Klasse anzutreffen. Hier können beispielsweise mangelnde Sprachkenntnisse dazu führen, dass lukrative Stellenangebote verschlossen sind und ein Aufstieg oft nicht möglich erscheint.

Gibt es eine neue Unterschicht?

Ein oft umstrittener Begriff machte in den letzten Jahren die Runde, wurde von Politikern dankbar aufgenommen und damit zum Gegenstand aktueller Debatten gemacht: Es wird über eine neue Unterschicht geredet.

Mit ihr ist nicht der zahlenmäßige Anstieg der Betroffenen gemeint. Vielmehr soll ausgedrückt werden, dass es sich dabei nicht selten um Familien handelt, in denen die Erwerbslosigkeit über Generationen hinweg zum Alltag gehört.

In denen also die Schulbildung nicht genutzt wird, um die eigenen Lebensverhältnisse zu verbessern. Und in denen auch kein Drang danach besteht, das Potenzial vom Großvater bis zum Enkel auszuschöpfen, für eigene Kosten aufzukommen oder sich sogar manchen Traum zu erfüllen. Diese Qualität ist im Gegensatz zur bislang bekannten Unterschicht neu.

Kinder als finanzielles Risiko?

Besonders auffällig an der sozial schwachen Klasse, die etwa bei 10 bis 12 Prozent der gesamten Bevölkerung gesehen wird, ist das hohe Aufkommen junger Mütter. Sie erleben die erste Schwangerschaft in niedrigem Alter, verfügen zumeist nicht über den Lebenspartner, der eine gewisse Sicherheit bieten könnte, und sind letztlich auch über Jahre hinweg nicht in der Lage, einer Betätigung nachzugehen, die das Auskommen gewährleistet. Jedewede Form von finanziellem Schutz fehlt also.

Festzustellen bleibt indes gleichfalls, dass nicht jede dieser Frauen - einmal in der sozialen Unterschicht angekommen - auf diesem Niveau verbleibt. Nicht selten gelingt durch das Ausschöpfen der eigenen Bildung sowie der Arbeitskraft der gesellschaftliche Aufstieg.