In Extremsituationen zeigt sich der wahre Charakter

Studie zeigt, in welchem Kontext der Mensch seine besseren und auch schlechteren Seiten deutlicher zur Schau stellt

Von Cornelia Scherpe
17. Oktober 2016

Viele gehen allgemein davon aus, dass Menschen ihr "wahres Ich" im Alltag oft hinter der Routine verbergen. Nicht immer muss das bewusst geschehen, denn wiederkehrende Arbeit und typische Situationen in der Freizeit kreieren einfach Muster, in denen man mental zurücklehnen kann.

Kommt es aber zu einer unvorhergesehenen Situation, nützen antrainierte Verhaltensweisen nichts mehr und der Mensch muss spontan so reagieren, wie er es für richtig hält. Daher zeigt sich in Extremsituationen der tiefer liegende Charakter.

Selbstlosigkeit und Egoismus

Eine aktuelle Studie am Max-Planck-Institut hat in einem Experiment belegt, dass der Mensch in Extremsituationen sowohl seine besseren als auch schlechteren Seiten deutlicher zur Schau stellt:

  • Während Personen mit einem sehr uneigennützigen Grundkern in Notsituationen besonders viel helfen,
  • zeigen egoistischere Grundcharaktere verstärkt ihre schlechte Seite.

Für das Experiment zeigte man 104 Erwachsenen virtuelle Szenarien am PC. Es waren klassisches Szenario, bei dem man jeweils acht Bahnreisenden entweder helfen konnte, oder sich schnell zum eigenen Gleis "in Sicherheit" bringt. Durch Zeitdruck und die Aufsicht auf eine finanzielle Entschädigung kreierten die Forscher künstlichen Druck.

In insgesamt zwei Szenarien, einmal recht alltäglich und einmal eine Notlage, konnten die Teilnehmer jedem der acht virtuellen Figuren helfen, oder jederzeit das Helfen beenden und zum Ziel gehen. Nur für das Erreichen des Ziels winkte etwas Geld.

Hilfsbereitschaft im Experiment

Im alltäglichen Szenario fragten Passanten am Bahnhof nach dem Weg, in der Extremsituation ging es um die Evakuierung nach einer Explosion. Das Ergebnis:

  • In der fiktiven Notsituation halfen vor allem die Teilnehmer, deren Charakter sich bereits in der Normalsituation als sozial gezeigt hatte. Doch mehr als das: 44 Prozent von ihnen waren sogar noch hilfsbereiter, da nun Not drohte.

  • Bei denen, die in der Alltagssituation bereits als Egoisten enttarnt worden waren, schwand dagegen die Hilfsbereitschaft um weitere 52 Prozent.