Gefahr für das Kindeswohl - wann darf der Staat das Sorgerecht entziehen?

Von Dörte Rösler
31. Juli 2014

Der Entzug des Sorgerechts ist der stärkste Eingriff des Staates in das Elternrecht. Deshalb sollte man meinen, dass Jugendämter diesen Schritt als letztes wählen.

Tatsächlich nimmt der Sorgerechtsentzug zu. Und das Bundesverfassungsgericht muss immer mehr Entscheidungen revidieren. Der Rat der obersten Richter: Eltern helfen statt ihnen die Kinder wegzunehmen.

Ein Drittel der Familien falsch bewertet

Für Jugendämter und Familien sind die Zeiten nicht leichter geworden. Die Ansprüche an Erziehung und Bildung steigen - und gleichzeitig kommen immer mehr Erwachsene schon mit dem eigenen Leben nicht zurecht. Manchmal sind es Suchtprobleme, häufig fehlt einfach die Erfahrung, wie man einen Haushalt führt oder ein emotional stabiles Umfeld für Kinder schafft.

Berichte von vernachlässigten, verhungerten oder zu Tode gequälten Kindern setzen die Mitarbeiter der Jugendämter zudem unter Druck: Aus Furcht, für traumatisierte oder getötete Kinder verantwortlich gemacht zu werden, fordern sie oft vorschnell einen Entzug des Sorgerechts.

Familien unterstützen statt zu zerreißen

Den Verfassungsrichtern geht diese Praxis zu weit. Von 16.000 sogenannten Gefährdungseinschätzungen in Bayern stellte sich etwa im Nachhinein jede dritte als falsch heraus. In seinem Urteil empfiehlt das Gericht deshalb, problematische Familien zunächst mit anderen Mitteln zu fördern und zu fordern - von psychologischer Hilfe über eine engmaschige sozialpädagogische Betreuung bis zum Haushaltstraining.

Erst wenn die Eltern eine Zusammenarbeit mit den Familienhelfern verweigern oder uneinsichtig gegenüber Ratschlägen sind, sollte der Staat die Kinder in Obhut nehmen. Der Sorgerechtsentzug sollte dann wirklich der letzte Schritt sein.