Narben in der Seele: Über sechs Monate in schlechten Kinderheimen haben langfristige Auswirkungen

Langfristige seelische Belastung durch Aufenthalt in schlechter Heimunterbringung ab bestimmter Dauer

Von Cornelia Scherpe
15. März 2017

Jeder Mensch ist nicht nur die Summe seine genetischen Veranlagung, sondern auch die Summe seiner Erfahrungen. Was Kinder früh prägt, wirkt sich langfristig auf das Leben aus. Wer beispielsweise als Schulkind einmal schlechte Erfahrungen beim Zahnarzt gemacht hat, muss oft noch im Erwachsenenalter mit einer Zahnarzt-Phobie kämpfen.

Eine Studie hat sich angesehen, wie der Aufenthalt in schlechten Kinderheimen auf die Psyche der Jungen und Mädchen wirkt. Die Ergebnisse wurden jüngst veröffentlicht und zeigen, wie stark die seelische Belastung nachwirken kann.

Untersucht wurden 165 Kinder, die in den 1990ern in rumänischen Kinderheimen gelebt hatten. Damals war Vernachlässigung an der Tagesordnung, da die politische Situation im Land schwierig war. Die Kinder fanden Adoptiveltern in Großbritannien und zogen zu ihnen.

Die Dauer ist entscheidend

Die Ärzte begleiteten die Kinder auf ihrem Weg ins Jugend- und Erwachsenenalter. Während die Jungen und Mädchen in Großbritannien lebten, befanden sie sich ohne Unterbrechung in einem guten sozialen Umfeld, mussten keine Armut fürchten und wurden von den neuen Eltern liebevoll großgezogen.

Als Kontrollgruppe wählte man 52 Kinder, die aus britischen Kinderheimen kamen und ebenfalls eine Adoptivfamilie fanden. Bei allen insgesamt 217 Kindern wurden im Alter von sechs und elf Jahren, einmal mit 15 Jahren und zuletzt bei den Mitte-20-Jährigen IQ-Tests, Fragebögen und Interviews genutzt, um die Psyche zu bewerten.

Es zeigte sich, dass es nur in zweiter Linie eine Rolle spielte, ob die Kinder ein Heim in Rumänien oder Großbritannien bewohnt hatten. Für die psychische Gesundheit war vor allem die Dauer der schlechten Heimunterbringung entscheidend. Was ein rumänisches Kind länger als ein halbes Jahr dort, hatte das langfristige Folgen. Lag der Zeitraum aber darunter, zeigte die Vernachlässigung keine seelischen Langzeitfolgen.

Die Forscher schlussfolgern, dass Vernachlässigung nicht zwangsläufig zu seelischen Narben führt. Die Dauer ist entscheidend. Manche der rumänischen Kinder waren bis zu 43 Monate im Heim gewesen, bevor britische Paare sie adoptierten. Bei ihnen zeigten sich Züge von Autismus, andere waren hyperaktiv, fielen durch soziale Anpassungsschwierigkeiten auf und alle erreichten insgesamt ein niedrigeres Bildungsniveau.