Ende eines Klischees - Einzelkinder sind durchaus sozial

Von Jutta Baur
8. August 2012

Das Vorurteil hält sich hartnäckig: Wer als Einzelkind aufgewachsen ist, hat Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen. Er ist ich-bezogener, unsozialer und ihm fehlt es an Einfühlungsvermögen. Brigitte Blöchlinger, Schweizer Wissenschaftsjournalistin, räumt mit der vorherrschenden Meinung zu Einzelkindern auf.

Auch wenn die einzelnen aufwachsenden Kinder manchmal etwas altklug daherkommen, liegt das nicht an mangelnder sozialer Kompetenz. Viel mehr sind die Sprösslinge den Erwachsenen-Jargon gewöhnt, so dass sie ihn übernehmen. Blöchlinger kennt eine Menge Untersuchungen zu diesem Thema. Dabei resümiert sie, dass sich Einzelkinder zwar oft nicht so gut streiten könnten wie Geschwisterkinder, sie andererseits aber offen auf andere zugehen. Das liegt aller Wahrscheinlichkeit daran, dass die Kinder ihre Spielpartner außerhalb der Familie suchen müssten. Das erfordert mehr Extrovertiertheit.

Übereinstimmend haben viele Studien gezeigt, dass Einzelkinder ein gutes Selbstbewusstsein entwickelten, so Brigitte Blöchlinger. Alleine sein bedeutet auch, etwas Besonderes zu sein. Die Eltern richten ihre Aufmerksamkeit allein auf ein Kind. Die Rückseite der Medaille bedeutet für die Kinder jedoch, Erwartungen erfüllen zu müssen. Was sich in einer Mehr-Kind-Familie auf verschiedene Häupter verteilt, wird bei alleine aufwachsenden Kindern oft nur von diesem einen Kind gefordert.

Leben Einzelkinder bei nur einem Elternteil, kann es schwierig werden. Blöchlinger weiß, dass gerade alleinerziehende Mütter immer alles richtig machen möchten und daher ihre eigenen Ansprüche hintan stellen. Kinder bräuchten jedoch die Erfahrung, die Bedürfnisse anderer zu wertschätzen.

Deutlich schwierig wird es für Einzelkinder, wenn die Eltern pflegebedürftig werden. Eine geschwisterliche Abwechslung bei der Fürsorge gibt es nicht. Auch für die Erinnerung an gemeinsame kindliche Erlebnisse fehlt bei Einzelkindern die passende Bezugsperson. Freundschaften können dies zwar ersetzen, sind allerdings nicht immer so langjährig, dass auch die Kinderzeit mit abgedeckt wird.