Prospektive Studie und retrospektive Studie

Bei einer prospektiven Studie überprüft man eine Hypothese bezüglich einer medizinischen oder psychologischen Wirkung einer bestimmten Therapiemethode, die vor Studienbeginn festgelegt wird. Im Rahmen einer retrospektiven Studie erfolgt eine empirische Überprüfung der Wirksamkeit von Behandlungsmethoden oder Risikofaktoren für Krankheiten. Informieren Sie sich hier über die Merkmale und Anwendungen der prospektiven und retrospektiven Studie.

Von Jens Hirseland

Prospektive Studie

Im Rahmen einer prospektiven Studie wird eine Hypothese über die medizinische oder psychologische Wirkung einer bestimmten Therapiemethode überprüft. Dabei erhebt man die Daten auf der Grundlage der Hypothese, deren Festlegung vor Beginn der Studie erfolgt.

Ziel und Zweck einer prospektiven Studie

Der Begriff "prospektiv" entstammt dem lateinischen "prospecto" und bedeutet soviel wie "vorausschauend" oder "die Weiterentwicklung betreffend". Prospektive Studien dauern normalerweise über einen längeren Zeitraum an. Sie dienen dazu, eine bestimmte Hypothese entweder zu bestätigen oder zu widerlegen.

In erster Linie sollen sie Zufallszusammenhänge ausschließen, zu denen es kommt, wenn man die Hypothese vorher nicht festgelegt hat. Da die Daten für die prospektive Studie extra für das Überprüfen der Hypothese gesammelt werden, ergibt sich daraus der Vorteil, dass sich das Datenmaterial speziell auf die Anforderungen der Studie zuschneiden lässt.

Unterteilt werden prospektive Studien in beobachtende und experimentelle prospektive Studien. Im Gegensatz zu der beobachtenden prospektiven Studie erfolgt bei der experimentellen Studie eine Randomisierung der Testpersonen. Untersucht man beispielsweise die Auswirkungen von Tabakkonsum auf die Entstehung von Lungenkrebs, können sich daraus zwei prospektive Ansätze ergeben.

Bei einer prospektiv beobachtenden Studie werden die Probanden nach ihrem Nikotinkonsum befragt und dann entsprechend in Gruppen eingeteilt, um zu untersuchen, ob es unterschiedlich häufig zu Lungenkrebs kommt. Im Rahmen einer prospektiv experimentellen Studie teilt man dagegen die Testpersonen durch Randomisierung in verschiedene Gruppen ein, die unterschiedliche Mengen an Zigaretten pro Tag rauchen. Anschließend werden die Zusammenhänge untersucht.

Die Untersuchung einer Hypothese nennt sich prospektive Studie
Die Untersuchung einer Hypothese nennt sich prospektive Studie

Retrospektive Studie

Eine retrospektive Studie dient zur Untersuchung der Vorgeschichte einer Krankheit. So bedeutet der Begriff "retrospektiv" (retrospectare) "zurückblickend".

Merkmale

Zu den typischen retrospektiven Studien zählt die Fall-Kontroll-Studie. Dabei werden Probanden ausgesucht, die bereits erkrankt sind.

Des Weiteren wählt man Testpersonen aus, die nicht an dieser Krankheit leiden. Alter, Gewicht und weitere relevante Faktoren dieser Personen müssen allerdings der ersten Gruppe entsprechen. Dieses Verfahren bezeichnet man als Matching.

Im Rahmen der retrospektiven Studie erfolgt eine Untersuchung der Probanden. Außerdem werden Fragen über den ursächlichen Faktor der Krankheit, den es zu untersuchen gilt, gestellt. Durch die Anwendung von statistischen Auswertungsverfahren erfolgen anschließend Vergleiche zwischen beiden Gruppen.

So besteht zum Beispiel bei Lungenkrebs die Möglichkeit, die Patienten über deren Nikotinkonsum zu befragen. Außerdem interviewt man Patienten, die an anderen Krankheiten leiden, ebenfalls nach deren Zigarettenkonsum und vergleicht das Konsumverhalten miteinander.

Vor- und Nachteile

Retrospektive Studien haben den Vorteil, dass sie deutlich kostengünstiger sind als experimentelle Studien und sich rasch durchführen lassen. Außerdem gelten sie als ethisch unbedenklich. Allerdings handelt es sich bei retrospektiven Studien um nicht-interventionelle Studien, was erkenntnistheoretische Nachteile mit sich bringt.

So lassen sie sich nur für die Erstellung von Hypothesen verwenden, anerkannte Beweise liefern sie jedoch nicht. Zur Verbesserung der Patientensituation tragen sie nur wenig bei.

Des Weiteren sind sie anfällig für Fehler. Dies ist darauf zurück zu führen, dass man bei der Durchführung auf alte Unterlagen sowie die Erinnerung eines Patienten angewiesen ist.

In diesem Zusammenhang ist es beispielsweise möglich, dass der Patient bestimmte Ereignisse vergisst oder durcheinanderbringt. Häufig werden beispielsweise gewisse Faktoren nicht genannt, da sie nicht mit der Erkrankung in Verbindung gebracht werden.