Umdenken in der Sprachwissenschaft: Laute in einem Wort sind oft sprachübergreifend

Da die Variationsmöglichkeiten bei Lauten groß sind, ist ein Zufall der internationalen Ähnlichkeiten ausgeschlossen

Von Cornelia Scherpe
15. September 2016

Linguisten erforschen die Sprache der Menschen und sind sich weltweit in einer Sache weitgehend einig: Sprache ist arbiträr und konventionell. Eine aktuelle Studie stellt diesen Grundsatz jedoch in Frage.

  • Arbiträr bedeutet, dass Worte ganz willkürlich einer Sache zugeordnet werden. Im Deutschen sagen wie "Vogel", wo Russen "ptitsa" und Japaner "tori" sagen.

  • Gleichzeitig ist Sprache aber konventionell, denn die Gruppe einigt sich auf diesen Begriff, damit Kommunikation überhaupt funktionieren kann.

Der "Bouba-Kiki-Effekt"

Es gibt allerdings ein Experiment, das die Arbitrarität etwas ins Schwanken bringt. Zeigt man Menschen mit verschiedenen Muttersprachen das Bild eines Elefanten und bittet sie, entweder das Fantasiewort "Bouba" oder "Kiki" zu wählen, nehmen die meisten "Bouba". Andersherum wird beim Bild eines Vogels vor allem "Kiki" und kaum "Bouba" genommen.

Dieser Bouba-Kiki-Effekt ist mehr als nur eine Seltenheit, wie die Studie mit insgesamt 4.000 Sprachen zeigt. Die Forscher werteten durch ihre Analyse zwei Drittel aller Sprachen aus und konzentrierten sich bei jeder Sprache auf 40 Grundworte.

Sie betrachteten die Laute und suchten nach sprachübergreifenden Gemeinsamkeiten. Dabei fielen so viele auf, dass es sich nicht mehr um einen Zufall handeln kann. Viele Sprachen haben beispielsweise

  • einen M-Laut im Wort für Mutter,
  • einen S-Laut im Wort Sand oder
  • den T-Laut im Wort für Stein.

Viele Lautähnlichkeiten gibt es auch bei Körperteilen:

  • In vielen Sprachen wird Nase mit einen N- oder Neh-Laut gesprochen und
  • im Knie sind härtere Laute wie p, k oder q die Norm.

Zufall ausgeschlossen

Insgesamt gibt es klare Tendenzen, welche Laute für eine Sache vermehrt benutzt und welche auffallend vermieden werden. Warum das so ist, können die Sprachwissenschaftler nur vermuten. Die kulturellen Unterschiede sind teils so groß, dass man keine gemeinsame Geschichte als Ursache finden kann.

Da die Variationsmöglichkeiten bei Lauten extrem groß sind, ist ein Zufall der Ähnlichkeit aber nahezu ausgeschlossen. Die Linguisten stehen damit vor einem neuen Forschungsgebiet.