Doktorarbeit untersucht provokante Theateraufführungen - Nackte Haut und Theaterblut

Theaterpublikum ist gegen nackte Körper auf der Bühne, die nicht dem Schönheitsideal entsprechen

Von Jutta Baur
28. Januar 2011

"Ekeltheater" und "Sudel-Macbeth", so wurde Jürgen Goschs Inszenierung des Macbeth in Düsseldorf 2005 bezeichnet. Kritiker und Zuschauer waren empört über nackte Hexen, jede Menge Blut und sich im Schmutz wälzende Schauspieler.

Was Aufregung und Entrüstung verursachte, wurde kurz darauf mit dem Faust-Theaterpreis gekürt. Nicht nur in Düsseldorf, auch in München oder Bremen scheinen solche exzessive Ausbrüche zum Theater zu gehören.

Richtige Atmosphäre zeigt oft mehr Wirkung als Sprache

Die Bochumer Theaterwissenschaftlerin Ulrike Traub hat dieses in ihrer Dissertation genauer unter die Lupe genommen. Dabei geht es nicht nur um moderne Aufführungen mit viel Nacktheit, sondern um die Geschichte dieser Provokationen seit dem Kaiserreich.

Ulrike Traub geht davon aus, dass es nicht um Sensationsmache, sondern um die Inhalte geht. Mit nackten Körpern und düsteren Atmosphären lassen sich Stimmungen weitaus deutlicher vermitteln, als es allein mit Sprache gelingen kann.

Schon zu Kaisers Zeiten gab es Irritationen. Tänzerinnen ohne den etablierten Tutu oder fehlende Ballettschuhen boten Gesprächsstoff für Theaterbesucher. Mit der Freizügigkeit der 60er Jahre steigerte sich die Ausdruckskraft von Nacktheit.

Nacktheit für viele ein Tabuthema

"Nacktheit auf der Bühne stellt immer die Frage: Wie gehen wir mit unserem zivilisierten Körper um", überlegt Ulrike Traub. Die Rückmeldungen vom Publikum lässt deutliche Rückschlüsse zu, inwieweit wir heute noch allgemeingültigen Maßstäben unterworfen sind.

Nur junge und vollkommene Körper scheinen erlaubt. Aufführungen mit Speckröllchen und Schwabbelbauch setzen diesem Schönheitsbild die Realität entgegen. Für viele Beobachter ist das nur schwer zu verkraften. "Das Publikum macht bei der Diskussion über Nacktheit zu schnell zu", sagt Ulrike Traub.