Abendgymnasien - Organisation, Ablauf und Voraussetzungen

Jeder weiß, dass es sie gibt, doch kaum jemand hat eine Ahnung davon, was dort eigentlich vor sich geht. Abendgymnasien sind Einrichtungen, an denen man sein Abitur nachholen kann. Vor allem in Kreisen, wo man seinen Schulabschluss ganz regulär als Jugendlicher gemacht hat, sind solche Schulen meist unbekanntes Territorium. Fakt ist, dass Abendgymnasien wenig mit einer normalen Schule gemein haben. Lesen Sie, wie ein Abendgymnasium organisiert ist und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um dort Unterricht zu erhalten.

Maria Perez
Von Maria Perez

Das Abendgymnasium: Definition und Merkmale

Bei einem Abendgymnasium handelt es sich um eine Gymnasialform, die dem Zweiten Bildungsweg, also den Schulen für Erwachsene bzw. den Schulen für Berufstätige, zugeschrieben wird. Je nach Bundesland sowie lokalem Brauch werden hierzulande folgende Unterrichtszeiten angeboten:

  • an bestimmten Abenden unter der Woche
  • an Werktagen etwa ab 17:30 Uhr
  • Nachmittagsunterricht: an Werktagen etwa ab 14:30 Uhr
  • Vormittagsunterricht: an Werktagen etwa ab 8 Uhr

In einigen Regionen hat man zudem die Möglichkeit, die Präsenztage zu verkürzen, indem man bestimmte Zeiten durch Online-Angebote ersetzt. Abendgymnasien bieten sowohl die allgemeine Hochschulreife als auch die Fachhochschulreife an.

Die Klassen bestehen meistens aus 15 bis 20 Schülern, teils sehr viel weniger.

Vorteile- und Nachteile des nachgeholten Abiturs

Sein Abitur naczuholen, bietet dem Schüler sowohl Vor- als auch Nachteile. Zu den Vorteilen gehört:

  • der Arbeitsmarkt spricht dafür: die Konkurrenz wird größer
  • besser Ausbildungschancen: Abitur als Voraussetzung wird immer gefragter
  • die Möglichkeit eines Studiums und damit eines besser bezahlten Jobs
  • ein Pluspunkt für den Lebenslauf: Ehrgeizt und Fleiß sind bei Arbeitgebern gern gesehen
  • eine gute Möglichkeit, um sich auf eine Umschulung vorzubereiten
  • Selbstbestätigung und damit einen besonderen Auftrieb für die berufliche Zukunft

Dem gegenüber ist das Nachholen des Abiturs auch mit einigen Nachteilen verbunden:

  • nicht unbedingt nötig, da ein Studium in vielen Bereichen auch ohne Abitur möglich ist
  • sehr zeit intensiv
  • sehr aufwendig mit hohen Durchfall- oder Abbrechherquoten
  • ein größer werdendes Angebot an Lehrstellen

Organisation eines Abendgymnasiums

Wie ist ein Abendgymnasium organisiert?

Kostenpunkt

Eine Abendschule ist meist staatlich organisiert und in der Regel kostenfrei. Kann man als Berufstätiger seiner Arbeit nicht mehr im gewohnten Umfang nachgehen, kommt es jedoch zu indirekten Kosten.

Ab dem vierten Sememster lässt sich nach BAföG fördern, sofern die Voraussetzung der perscönlichen Berechtigung gegeben ist. Die Gelder muss man nicht wieder zurückzahlen.

Nicht in allen Bundesländern gibt es staatliche Abendgymnasien. In Baden-Württemberg muss man somit mit etwa 50 Euro monatlich rechnen; in Abendgymnasien in Karlsruhe bezahlt man etwa 750 Euro pro Schuljahr plus Anmeldegebühr von 150 Euro.

Bücher

Teuer wird es dann nämlich meist trotzdem, und zwar, wenn man die ersten Schulbücher anschaffen muss. Als Schüler eines Gymnasiums bekommt man die benötigten Lehrbücher von der hauseigenen Bücherei gestellt. Am Ende des Schuljahres gibt man sie wieder zurück und der nächste Jahrgang erhält den jeweiligen Satz Bücher.

An einer Abendschule gibt es solche Büchereien nicht. Hier muss jeder Schüler selbst dafür sorgen, dass er seine Arbeitsmaterialien beisammen hat.

Lehrer

Die Lehrer, die an einem Abendgymnasium unterrichten, haben genau dieselben Qualifikationen wie ein "normaler" Gymnasiallehrer auch. Teilweise unterrichten die Lehrkräfte tagsüber an einem Gymnasium und dann zusätzlich noch an der Abendschule.

Lehrer mit Kindern nehmen diese Möglichkeit beispielsweise auch gerne wahr. So können sie sich tagsüber um den Nachwuchs kümmern und abends trotzdem noch ein wenig Geld dazu verdienen.

Als Jugendlicher merkt man meist gar nicht, wie leicht einem das Lernen eigentlich gemacht wird. Die Lehrkräfte kontrollieren stets die aufgegeben Hausaufgaben, prüfen den Stoff der letzten Stunde ab und setzen von Zeit zu Zeit eine Stegreifaufgabe an. So ist man beinahe gezwungen, mitzulernen und aufmerksam zu sein.

Selbstständig lernen

In einem Abendgymnasium kümmert es niemanden, ob man seine Hausaufgaben erledigt hat oder nicht. Hier muss jeder selbst wissen, wie viel Energie er oder sie in das Nachholen des Abiturs stecken möchte.

Viele Mitarbeiter wird man an einer Abendschule wohl nicht finden. Außer den Lehrkräften gibt es in der Regel nur ein oder zwei Personen, die sich um die Belegung der Kurse und sonstige anfallende Verwaltungsangelegenheiten kümmern.

Das Abendgymnasium erfordert mehr Selbstständigkeit
Das Abendgymnasium erfordert mehr Selbstständigkeit

Das Abitur an einem Abendgymnasium: Ablauf und Unterrichtsprinzip

Das Abitur kann man auch im Erwachsenenalter noch nachholen. Allerdings bedeutet das ein hartes Stück Arbeit.

So einfach wie in der Schule wird es einem im Abendgymnasium nicht mehr gemacht. Die heiß begehrte Hochschulreife erhält nur derjenige, der sich mit Leib und Seele seinem großen Traum verschreibt.

In einem Abendgymnasium hat man die Möglichkeit, das Abitur neben dem Beruf nachzumachen. Die Unterrichtsstunden finden daher meist abends statt.

Allerdings gibt es Abendgymnasien, die Unterricht am Nachmittag anbieten. In diesem Fall darf man den Begriff also nicht so wörtlich nehmen.

Der Unterricht an einem Abendgymnasium läuft bis zum Abitur in der Regel in drei Phasen ab:

  • Vorkursphase, bei Bedarf, bestehend aus Aufbaukurs und Vorkurs, je ein Semester
  • Einführungsphase (erstes und zweites Semester)
  • Qualifikationsphase (drittes bis sechstes Semester)

Unterricht am Wochenende

Wer sich an einer Abendschule einschreibt, muss damit rechnen, dass auch Unterrichtsblöcke am Wochenende angesetzt werden. Ein normaler Gymnasiast hat schließlich den ganzen Tag Zeit, um den nötigen Stoff zu lernen, während ein Abendschüler nur ein paar Stunden täglich zur Verfügung hat.

Es ist darüber hinaus nicht genug, einfach regelmäßig zu den Kursen zu erscheinen, man muss den Stoff auch nacharbeiten und verinnerlichen, schließlich wird er nachher in der Abiturprüfung abgefragt. Teilweise geben die Lehrkräfte auch Hausaufgaben auf, wenn der Stoff einfach zu viel ist, um ihn komplett im Unterricht zu besprechen.

Vorkurse

Bevor es jedoch richtig los geht, muss man an manchen Abendgymnasien einen speziellen Vorkurs besuchen. In diesem Kurs wird der Stoff aufgearbeitet, auf den die zukünftigen Sitzungen aufbauen werden.

Wer schon lange nicht mehr die Schulbank gedrückt hat, braucht meist ein wenig Auffrischung, um sich an elementare Inhalte zu erinnern. Außerdem sind die Schüler zu Beginn selten auf dem gleichen Niveau.

Unterrichtsphase

Anschließend beginnt die eigentliche Unterrichtsphase, in der die Punkte vermittelt werden, die im Abitur von Relevanz sein werden. Die Fächer werden dabei auf drei Aufgabenfelder verteilt:

  • Aufgabenfeld 1: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Latein
  • Aufgabenfeld 2: Philosophie, historisch-politische Bildung, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
  • Aufgabenfeld 3: Mathematik, Chemie, Physik, Informatik, Biologie

Sport ist ebenfalls Angebot vieler Abendgymnasien.

Herausforderung Job und Lernen

Ein normaler Gymnasiast bereitet sich in den meisten Bundesländern über zwei Jahre hinweg auf seine Abiturprüfung vor. Logisch, dass jemand, der nebenbei noch einen Vollzeitjob hat, dieser Herausforderung nicht gewachsen ist. Am Abendgymnasium dauert es daher drei bis vier Jahre, abhängig vom bereits vorhandenen Schulabschluss, bis man das heiß begehrte Zeugnis nach all der Arbeit endlich in den Händen hält.

Der Unterricht findet meist abends und am Wochenende statt
Der Unterricht findet meist abends und am Wochenende statt

Voraussetzungen für den Besuch eines Abendgymnasiums

Es ist nie zu spät, um beruflich noch einmal voll durchzustarten. Manche Menschen verstehen erst sehr spät, dass sie in ihrer Jugend mehr aus sich hätten machen können.

An einer Abendschule kann man seinen verpatzten Schulabschluss nachholen oder einen höheren erwerben und sich so bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt verschaffen. Der Besuch einer solchen Schule ist auf jeden Fall eine gute Investition in die Zukunft.

Konkurrenzdruck in der modernen Gesellschaft

Noch vor wenigen Jahren war es üblich, dass nur wirklich hochintelligente Kinder aufs Gymnasium geschickt wurden. Die durchschnittlichen Kandidaten machten dagegen ihre mittlere Reife und stiegen dann gleich ins Berufsleben ein.

Heute stößt man jedoch auf ganz andere Verhältnisse. Es gehört fast schon zum guten Ton, die Schule mit dem Abiturzeugnis in der Hand zu verlassen. Viele Arbeitgeber verlangen die allgemeine Hochschulreife bereits für einen ganz normalen Ausbildungsberuf. Um konkurrenzfähig zu bleiben, entscheiden sich daher immer mehr Menschen für den Besuch eines Abendgymnasiums, wo man sein Abitur neben dem Beruf erwerben kann.

Berufsausbildung

Damit man an einer solchen Abendschule überhaupt aufgenommen wird, muss man mindestens 18 Jahre alt sein. Ist man noch nicht volljährig, beträgt die vorgeschriebene Besuchsdauer vier Jahre. Außerdem ist eine abgeschlossene Berufsausbildung für die Zulassung erforderlich.

Manchmal reicht es jedoch auch der Nachweis über eine wenigstens dreijährige Berufstätigkeit aus. Teilweise wird zudem vorausgesetzt, dass man bereits einen anderen, niedrigeren Schulabschluss besitzt.

Zeitkapazitäten

Neben den formellen Anforderungen benötigt der Bewerber natürlich auch entsprechende Zeitkapazitäten. Normale Gymnasiasten haben zwei Jahre Zeit, um sich auf ihr Abitur vorzubereiten. Als Schüler eines Abendgymnasiums muss man das ganze Programm abends und am Wochenende erledigen.

Bevor man sich an der Schule anmeldet, sollte man das Ganze mit seinem Arbeitgeber absprechen. Nur so ist gewährleistet, dass man pünktlich Feierabend hat und zum Unterricht erscheinen kann.

Disziplin und Ausdauer

Wer sich dafür entscheidet, sein Abitur an einem Abendgymnasium nachzuholen, der braucht überaus viel Disziplin. In der Regel ist es eine Weile her, dass man gelernt und die Schulbank gedrückt hat, da fällt die Umstellung natürlich schwer. Außerdem muss man sich auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch dazu motivieren können, etwas für die Schule zu tun.

Man sollte sich darüber hinaus immer im Klaren darüber sein, dass das Familienleben wahrscheinlich unter der Doppelbelastung leiden wird. Nur wenn Freunde und Verwandte hinter dem Schüler stehen, kann das Projekt Abendgymnasium zum Erfolg werden.