Seillaufen - Merkmale, Unterschiede und Voraussetzungen

Im Zirkus gehört das Seillaufen oder auch der Seiltanz zu den beliebtesten Attraktionen. Sowohl Kinder als auch Erwachsene bewundern die Seiltänzer, die Kunststücke auf dem Hochseil vorführen oder einfach nur auf dem Seil entlang laufen. Hinter den einfach aussehenden Bewegungen steckt jahrelanges Training, Körperbeherrschung und Konzentration. Lesen Sie alles Wissenswerte zum Seillaufen.

Von Cornelia Gschiel

Seillaufen - Merkmale und Anforderungen

Unter Seillaufen bzw. Seiltanz versteht man das Balancieren, Laufen oder Tanzen auf einem Seil, welches straff gespannt ist, oder durchhängt. Auch besondere Kunststücke lassen sich darauf ausführen.

Wer im Zirkus Karriere als Seiltänzer machen möchte, muss bereits im frühen Kindesalter mit dem Training beginnen. Wer das Seillaufen erst im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter probiert, wird schnell feststellen, dass die von Schuhen verwöhnten Füße mit dem ungewohnten Untergrund nicht zurecht kommen und man schneller abstürzt als einem lieb ist.

Wer jedoch schon als Kind regelmäßig auf einem Seil läuft, trainiert seine Konzentrationsfähigkeit und vermittelt dem eigenen Gehirn, dass es normal ist, auf einem Seil zu laufen. Die Füße und der restliche Körper gewöhnen sich an die schwankenden Bewegungen und so ist es möglich, später Kunststücke auf dem Seil auszuführen.

Seilarten

Im Zirkus sieht das Seillaufen immer einfach aus. Doch wer es einmal probiert hat weiß, dass man sich dabei konzentrieren und das Gleichgewicht halten muss. Beim Seillaufen unterscheidet man zwischen drei verschiedenen Seilarten: Dem Schlapp, Tanz- und dem Hochseil.

Grundsätzlich kann man sowohl auf einem straff gespannten als auch auf einem durchhängenden Seil Seillaufen. Es können auch mehrere Menschen auf einmal auf einem Seil tanzen. Profis führen sogar noch Kunststücke in luftiger Höhe aus.

Schlappseil

Beim Schlappseil handelt es sich - wie der Name schon vermuten lässt - um ein lose hängendes Seil, das an zwei festen Punkten befestigt ist. Auf diesem Seil können Seiltänzer unterschiedliche Kunststücke vorführen. Dabei kommt es vor allem auf eine gute Konzentrationsfähigkeit und eine ebenso gute Körperbeherrschung an.

Damit die Artisten das Gleichgewicht halten können, führen sie meist seitliche Schwingbewegungen mit den Armen aus. Am einfachsten ist es, einfach auf dem Schlappseil zu gehen. Später kann man darauf laufen, sich drehen und Kunststücke vorführen.

Im Zirkus oder auf Volksfesten sieht man häufig Artisten, die auf dem Schlappseil Einrad fahren, einen Kopfstand ausführen, Jonglieren oder hin und her schwingen. Dabei sollte man sich immer in Erinnerung rufen, wie schwierig schon das bloße Stehen auf dem Schlappseil ist.

Tanzseil

Auch das Tanzseil ist zwischen zwei festen Punkten befestigt. Es kann bis zu vier Meter hoch in der Luft hängen.

Anders als das Schlappseil ist das Tanzseil - oder auch Steifseil genannt - gespannt. Seiltänzer, die sich auf einem Tanzseil bewegen, haben häufig einen Balancefächer, der ihnen hilft, das Gleichgewicht zu halten.

Französische Artisten bewegen sich meist federnd auf dem Seil fort. So können sie Sprünge und andere Kunststücke besser ausführen. Die meisten Steifseile sind etwa fünf Meter lang.

Hochseil

Das Hochseil ist auch stark gespannt. Im Gegensatz zu den anderen beiden Seilen befindet sich das Hochseil in einer Höhe von acht bis zehn Metern. In Einzelfällen wird es in einer Höhe von bis zu 100 Metern gespannt.

Auf dem Hochseil sind Balancierstangen üblich, die bis zu 30 Kilogramm schwer sein können. Besonders lange Hochseile werden durch Abspannseile gesichert, sodass sie nicht zu stark schwingen können.

Seilkunst im Zirkus

Im Zirkusgeschäft gehören Körperbeherrschung und Konzentration für die Artisten zum Leben dazu. Sie bereiten ihren Körper auf die jeweilige Show vor und trainieren täglich, um Unfälle zu vermeiden und um ihre Leistung zu verbessern.

Am Hochseil kann man meistens mehrere Personen gleichzeitig bewundern. Es werden Kopf- und Handstände ausgeführt oder Pyramiden aus mehreren Artisten gebaut.

Auf sehr hohen Seilen wird meist mit Balancierstangen oder Balancierfächern gearbeitet. So können die Artisten das Gleichgewicht besser halten und sich sicherer fühlen.

Bei speziellen Shows im Zirkus fahren

auf den Seilen. Dies erfordert besonderen Mut und eine ungeheure Begabung.

Einradfahrer auf Hochseil, Akrobatik
Einradfahrer auf Hochseil, Akrobatik

Geübte Seilläufer können sich am Seil mit verbundenen Augen bewegen, sich drehen, springen, mit Stelzen gehen oder auch jonglieren. All das ist für das Publikum besonders spannend und wird mit entsprechend großem Beifall belohnt.

Seiltänzer gehören definitiv zu den beliebtesten Attraktionen in einem Zirkus. Heutzutage werden die Shows immer waghalsiger, die Kunststücke immer ausgefallener und damit auch gefährlicher.

Verantwortungsvolle Künstler sind entweder gesichert oder spannen ein Sicherheitsnetz unter dem Seil, damit im Ernstfall nicht viel passieren kann. Wer darauf verzichtet, nimmt in Kauf sich bei einem Absturz schwer zu verletzen.

Seilläufer müssen eine extrem gute Körperbeherrschung haben. Ihre Füße müssen an den ungewohnten und ungewöhnlich schmalen Untergrund gewöhnt sein, der Körper muss die Schwankungen ausbalancieren.

Außerdem sollten Seilläufer über eine gute Konzentrationsfähigkeit verfügen, damit sie nie ihr Ziel aus den Augen verlieren und sich möglichst lange auf dem zum Teil sehr hohen Seil halten können. Profis können sogar schwierige Kunststücke auf dem Seil ausführen. Einrad fahren, Jonglieren und Kopfstand gehören zu den einfacheren Tricks.

Verwendung von Stelzen, Schubkarren und Motorrädern

Um beim Seillaufen erst einmal auf das Seil zu kommen, muss man erst einmal den Aufstieg bewältigen. Das Schrägseil ist geneigt, was den Aufstieg deutlich erschwert. Das Gehen mit Stelzen auf einem Hochseil gehört zu den ältesten Tricks. Geübte Seiltänzer können sogar mit Körben an den Füßen oder mit einer Augenbinde - also mit verbundenen Augen - auf dem Seil tanzen.

Zu den schwierigeren Kunststücken gehört auch das Schieben von kleinen Schubkarren über ein Seil. Heutzutage fahren Profi-Seilläufer sogar mit Motorrädern auf Hochseilen.

Dabei kann es sehr schnell zu unvorhergesehenen Problemen und in weiterer Folge zu schweren Unfällen kommen. Geeignete Sicherheitsvorkehrungen sind also ein Muss.

Mit mehreren Artisten auf einem Seil

In Zirkusshows sieht man immer wieder Seilläufer, die einen zweiten oder sogar einen dritten Artisten auf ihren Schultern balancieren. Um dieses Kunststück unversehrt vorführen zu können, muss man jahrelang trainieren.

Noch schwieriger ist es, richtige Pyramiden auf dem Seil zu bauen. Sie bestehen meist aus zwei Untermännern, die durch eine Schulterstange verbunden ist. Auf dieser Schulterstange können weitere Artisten Platz finden.

Berühmt ist die Sieben-Mann-Pyramide der Wallenda-Truppe aus dem Jahr 1947. Vier Jahre zuvor wurde die Sieben-Mann-Pyramide schon von der Camilla-Mayer- und Camilio-Mayer-Truppe vorgeführt. Von 1950 bis 1963 führte die Bob-Gerry-Truppe eine Sechs-Mann-Pyramide in ihrem Programm vor.

Verzicht auf Hilfsmittel

Besonders gefährlich - und deshalb besonders berühmt und beliebt bei Zuschauern - sind Hochseilakte, die ohne Balancierstange durchgeführt werden.

Körperliche Voraussetzungen, die für das Seillaufen nötig sind

Wer schon einmal versucht hat, auf einem Seil zu laufen, wird schnell festgestellt haben, dass dies gar nicht so leicht ist. Viele kennen das Seillaufen nur aus dem Zirkus - hier sieht es wunderbar einfach aus, wie die Seiltänzer mit Leichtigkeit über das Seil balancieren. Doch für das Seillaufen muss man einige körperliche Voraussetzungen erfüllen.

Geschicklichkeit und gute Körperbeherrschung

Beim Seillaufen kommt es vor allem auf Geschicklichkeit und eine gute Körperbeherrschung an. Das dünne Seil stellt für unsere Füße einen äußerst ungewohnten Untergrund dar. Außerdem können wir nicht mit der ganzen Fußsohle auftreten - wie auf einem ebenen Boden - sondern können nur einen Teil der Fußsohle auf dem Seil aufsetzen.

Unser Körper muss die entstehenden Schwankungen ausbalancieren, was oft gar nicht mal so einfach ist. Wer öfters barfuß läuft, wird auf einem Seil wahrscheinlich besser zurecht kommen, da die Füße eher an Unebenheiten gewöhnt sind.

Derzeit ist das so genannte Slacklinen sehr weit verbreitet. In Parks sieht man häufig ein Seil, das zwischen zwei Bäume gespannt ist. Darauf turnen für gewöhnlich junge Leute oder Junggebliebene herum und machen diverse Kunststücke.

Was so leicht aussieht, ist mit viel Übung und extremer Körperbeherrschung verbunden. Wer das nicht glauben möchte, soll es ruhig selbst einmal ausprobieren.

Starke Konzentrationsfähigkeit

Neben geübten Füßen und einer guten Körperbeherrschung ist auch eine gute Konzentrationsfähigkeit Voraussetzung für das Seillaufen. Man sollte niemals die Nerven verlieren und sich immer auf einen Punkt vor einem konzentrieren. So kann man die Schwankungen des Seiles ausblenden und sich länger am Seil halten.

Wer mit dem Seillaufen beginnen möchte, zeichnet sich am besten erst einmal eine gerade Linie am Boden auf. Erst wenn man auf dieser Linie mit geschlossenen Augen laufen kann, ohne sie zu verlassen, sollte man sich ans Seil wagen. Es ist empfehlenswert, das Seil am Anfang in geringer Höhe zu spannen, da sich so das Verletzungsrisiko enorm senkt.

Beim Seillaufen an sich macht es keinen Unterschied, ob das Seil nun in einer geringen Höhe oder in einigen Metern Höhe gespannt ist. Wichtig sind nur Balance, Konzentration und das Ende des Seils als Ziel vor Augen.

Hilfsmittel, um die Balance zu halten

Seillaufen ist eine der schwierigsten Sportarten. Die Schwingungen des Seils müssen vom Körper des Artisten ausbalanciert werden. Dies ist oft gar nicht so einfach.

Deshalb greifen viele Artisten zu speziellen Balancierhilfen. Mit diesen Hilfen können sie sich länger auf dem Seil halten und das Gleichgewicht besser halten.

Auch wenn das Seillaufen für die meisten Menschen sehr einfach aussieht, ist es eine enorme Anstrengung, das Gleichgewicht auf dem Seil zu halten. Auf niedrigen Seilen können die schwankenden Bewegungen des Seils mit seitlichen Schwingbewegungen der Arme ausgeglichen werden. Falls man trotzdem abstürzt, ist das Verletzungsrisiko relativ gering.

Balancierfächer

Bei Seilen, die in größeren Höhen gespannt werden, sieht die Sache anders aus. Tropfen- oder kreisförmige Balancierfächer sind hier fast ein Muss.

Sie helfen dem Artisten, die Balance zu halten. Mit Bewegungen des Balancierfächers können selbst starke Schwingungen ausgeglichen und abgefangen werden, sodass es für geübte Personen möglich ist, auf dem Seil zu bleiben.

Balancierstangen

Von einem Hochseil spricht man, wenn das Seil in mehr als acht bis zehn Metern Höhe gespannt ist. Einige mutige Künstler spannen das Seil im Freien sogar auf einer Höhe von bis zu 100 Metern. In dieser Höhe treten enorme Schwingungen auf, die auch erfahrene Seilläufer nicht ohne Balancierhilfen ausgleichen können.

Deshalb tragen Hochseilläufer meist Balancierstangen. Diese können bis zu 30 Kilogramm schwer sein und sind zwischen fünf und 20 Meter lang.

Durch das hohe Gewicht und die Länge der Balancierstange wird ein größeres Trägheitsmoment erlangt. So wird das Balancieren auf dem Seil erleichtert und der Seilläufer kann nicht so leicht abstürzen.

Balancierhilfen werden in großen Höhen auch aufgrund des auftretenden Windes verwendet. Mithilfe der Stangen können sich Artisten gegen starke Winde "wehren" und die entstehenden Schwingungen besser verkraften.

Zusätzliche Seile

Besonders lange Seile, die im Freien gespannt werden - zum Beispiel bei Weltrekordversuchen - werden zusätzlich mit seitlichen Seilen abgesichert. Die Seile werden in bestimmten Abständen am Hochseil angebracht und schützen es so vor zu starken Schwankungen. Aus diesem Grund zählen auch die so genannten Cavaletti in gewisser Weise zu den Balancierhilfen.