Geschichte, Klassen und Wettbewerbe im Tourenwagen-Sport

Tourenwagen sind Personenkraftwagen (Großserie), die so umgerüstet wurden, dass sie bei Motorsport-Rennen eingesetzt werden können. Es gibt unterschiedliche Tourenwagenklassen, die dem FIA-Reglement entsprechen müssen. Unterschieden werden je nach Hubraum die Gruppen N, SP, A und B. Lesen Sie alles Wissnewerte über den Tourenwagen-Sport - von der Geschichte über die unterschiedlichen Klassen bis hin zu den Wettbewerben.

Von Kai Zielke

Die Geschichte der Tourenwagen

Die erste Tourenwagen-Rallye in Deutschland ist einem Künstler zu verdanken. Ins Leben gerufen wurde sie vom britisch-deutschen Bildhauer, Maler und Musiker Sir Hubert von Herkomer. Dieser war kreativ und gleichzeitig automobilsportbegeistert.

In den Jahren zwischen 1905 und 1907 trug man Wettbewerbe unter der Bezeichnung Herkomer-Konkurrenz aus, welche als Zuverlässigkeitsprüfungen für Automobile galten. Der Künstler selbst kreierte den 40 Kilogramm schweren Preis, der aus reinem Silber bestand.

Vom Tourenwagen zur Meisterschaft

Als Tourenwagen bezeichnet man Fahrzeuge, die in Großserie produziert werden und eigentlich zum ganz normalen Verkauf an ganz normale Kunden bestimmt sind. Eventuell verfügen sie über Sicherheitsvorkehrungen wie

  • Überrollkäfig,
  • Hauptschalter und
  • Hosenträgergurte.

Doch ansonsten sind es Produktionswagen. Zu Kriegszeiten war die Herstellung von Großserien natürlich nicht möglich. Einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Fahrzeugproduktion gab es erst in den 60er und 70er Jahren. Dies war auch die Zeit der Tourenwagen. Viele Hersteller bemühten sich, auf dem Fahrzeug-Markt an der Spitze zu stehen. Es kam zu einer starken Konkurrenz. Einen Namen machten sich hauptsächlich die Hersteller

  • Alfa-Romeo,
  • BMW und
  • Ford.

Es wurde entwickelt, konstruiert und präsentiert. Die Leistung der Tourenwagen schritt rasant voran.

Von der ersten Meisterschaft bis in die heutige Zeit

Die erste Tourenwagen-Europameisterschaft fand über 6 Stunden auf der Nordschleife des Nürburgringes statt. In einer Zeit unter 10 Minuten bewältigte der ehemalige deutsche Rennfahrer Hubert Hahne in seinem BMW-Werksfahrzeug die Strecke.

Gleich mehrere Motive zogen zahlreiche Fans an die Strecke. Zum einen war es auch Privatteams möglich, an Tourenwagen-Rennen teilzunehmen. Zum anderen sorgte die Piste selbst dafür, dass es sehenswerte Showeinlagen gab.

Bis 1973 verfügte die Nordschleife über keinerlei Auslaufzonen, so dass Fahrer, die von der Strecke abkamen, hinter den Begrenzungen verschwanden oder an einem der zahlreichen Bäume landeten. In diesen errichtete sich das Publikum Logenplätze. Hinzu kam, dass damalige Fahrer nach dem Rennen die Publikumsnähe suchten.

Abgesehen von Unfällen gab es echte Profi-Rennen auf dem Ring, so dass das Publikum aufregende Überholmanöver bewundern konnte.

In den 80er Jahren wurde die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft ausgetragen, an der Fahrzeuge teilnehmen durften, deren eingetragene Veränderungen Gruppe-A-homologiert nach FIA-Reglement waren. Später glichen die Fahrzeuge nur noch äußerlich den Serienwagen.

Die Tourenwagenklassen

Damit Tourenwagen in einer bestimmten Klasse antreten dürfen, müssen sie so konfiguriert sein, dass sie dem FIA-Reglement entsprechen. Zu den internationalen Tourenwagenklassen zählen die Gruppen N, SP, A und B, die sich jeweils nach Hubraum unterteilen.

Gruppe N

Die Gruppe N ist diejenige, die am wenigsten vom jeweiligen Serienmodell abweicht. Das heißt, die Umbauten erfolgten in abgeschwächter Form und müssen zwingend von dem Reglement erlaubt sein. Äußerlich gibt es keinerlei Abweichungen zum Serienfahrzeug. Lediglich Stoßdämpfer und Federn dürfen minimalen Veränderungen unterzogen werden.

Gruppe A

Tourenwagen der Gruppe A dürfen in allen Fahrzeugteilen getunt sein.

  • Erlaubt sind unter anderem das Erleichtern und Wärmebehandeln von Schwungrad und Kurbelwelle,
  • das Umbördeln der Kotflügel und
  • der Austausch von Stoßdämpfern und Federn.

Das äußere Erscheinungsbild weicht kaum vom Serienfahrzeug ab.

Gruppe B

Fahrzeuge der Gruppe B gehören zu den echten Liebhaberstücken. Sie sind die leistungsstärksten Fahrzeuge überhaupt und ähneln kaum noch den entsprechenden Serienfahrzeugen. Die vielen Umbauten und die daraus resultierende Kraft machen diese Wagen allerdings schwer beherrschbar.

In der Folge kam es zu mehreren schweren Unfällen, von denen einige tödlich ausgingen. Daraufhin wurden B-Klassen-Wettbewerbe bald abgeschafft. Als Aufstockung zur B-Gruppe war noch eine S-Gruppe geplant, die allerdings aufgrund beschriebener Unfälle nicht mehr zum Einsatz kam.

Weitere Gruppen

National wird in den Klassen G, F und H gefahren, wobei die Fahrzeuge der G-Gruppe noch mehr Seriennähe als die der Gruppe N aufweisen. Unterteilt werden G-Gruppen-Fahrzeuge nach ihrem Leistungsgewicht. Die Gruppe wurde erstmals 1984 eingeführt und wird nach dem Reglement des DSMB abgrenzt.

Fahrzeuge der Gruppen F und F-2005 ähneln denen der Gruppe A. Zudem wird auch in der Gruppe H gefahren, wobei die Umbauten weniger beschränkt als in der Gruppe F gehalten werden. Die beiden letzteren Gruppen werden nach dem Hubraum unterschieden.

Eine Sonderform bilden GT-Fahrzeuge. Sie besitzen serienmäßig lediglich zwei Sitze. Fahrzeuge der Kategorie II dürfen auch bei internationalen Rennen fahren.

Wettbewerbe im Tourenwagen-Sport

Die bedeutendste internationale Veranstaltung im Tourenwagen-Rennsport ist die Tourenwagen-Weltmeisterschaft, die mehrere Anläufe benötigte, bis sie sich im Motorsport etablieren konnte. Grund für diverse Misserfolge waren stets Kostenfragen.

Um in Zukunft kein weiteres Fiasko zu erleben, soll auch weiterhin das Reglement der FIA Super 2000 gelten:

  • Dieses beinhaltet unter anderem die Ausstattung mit dem Zusatz-Kit Super 2000 sowie eine Fahrzeugzuordnung zur Gruppe A.

  • Außerdem muss das Fahrzeug in Serie mit einer Auflage von mindestens 2500 produziert worden sein.

  • Das Mindestgewicht unterscheidet sich nach Front- und Heckantrieb. Allradantrieb ist nicht erlaubt.

  • Besondere Vorschriften gibt es zur Ausstattung der Motoren, welche frühestens nach vier Rennwochenenden ausgetauscht werden dürfen. Ansonsten büßt das betroffene Fahrzeug seine Startposition ein.

Von der ersten Meisterschaft bis zum European Touring Car Cup

Die erste Tourenwagen-Europameisterschaft fand im Jahr 1961 statt. Die Rennserie lief bis einschließlich 1988. Eine Neuauflage dieses Wettbewerbs gab es 2001, als die FIA das Rennen ausrichtete. Zunächst wurde nach einer Mischung aus zwei Reglements gefahren.

  1. Eines übernahm man aus der italienischen Meisterschaft,
  2. das andere kam dem deutschen DTC-Reglement nahe.

Bei der Ausarbeitung eines neuen Reglements kritisierte BMW die anstehenden Kosten, so dass die FIA in einigen Punkten Kompromisse eingehen musste. Schließlich sollte ein so großer Hersteller nicht vertrieben werden. Die erste Saison nach dem neuen Reglement gewann Alfa Romeo. In den Folgejahren kam es zu verschiedenen Aus- und Neueinstiegen. Seit 2005 fährt die Europameisterschaft unter der Bezeichnung European Touring Car Cup.

Die Entwicklung zur Deutschen Tourenwagen-Masters

Die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft war Vorgängerin der International Touring Car Championship. Sie wurde zwischen 1984 und 1995 ausgetragen. Während dieser Zeit galt sie als wichtigste Rennserie im deutschen Motorsport, was Grund dafür war, dass die Veranstaltung im Jahr 2000 wiederbelebt wurde.

Seitdem läuft sie unter der Bezeichnung Deutsche Tourenwagen-Masters.

Das International Touring Car Championship

In der Zwischenzeit, nämlich in den Jahren von 1995 bis 1996, startete das International Touring Car Championship. Den Grundgedanken, die nationale Meisterschaft zu einer internationalen umzugestalten, gab es allerdings schon viel früher.

Bereits zwischen 1991 und 1994 wurden Einladungsrennen in der damaligen Tschechoslowakei und in England gefahren.

Die Tourenwagen-Weltmeisterschaft

Im Jahr 1987 löste die Tourenwagen-Weltmeisterschaft die als Europameisterschaft ausgetragene Rennserie ab. Lediglich sechs Fahrzeuge gingen an den Start. Kein Wunder, dass der Titel als nicht besonders wertvoll galt. Für die gerade gestartete Rennserie bedeutete dieser Misserfolg das Aus.

1993-1997

Zwischen 1993 und 1995 fand das Rennen unter der Bezeichnung Touring Car World Cup statt. Im Jahr 1997 sollte es erneut eine Weltmeisterschaft geben. Grund dafür war die Erweiterung der nationalen Serie in eine internationale.

Drei große Fahrzeughersteller hatten ihre Zusage erteilt, zwei davon erteilten bereits ein Jahr vor dem angedachten Rennstart aus Kostengründen ihre Absage, also wurde es auch diesmal mit der Veranstaltung nichts.

2005-2006

Da alle guten Dinge drei sind, gab es im Jahr 2005 noch einen Anlauf, diesmal mit dem Neueinsteiger Chevrolet. Auch andere Hersteller zeigten großes Interesse. Fahrer- und Herstellersieg gingen an BMW, das Rennen wurde im Sportfernsehen übertragen. 2006 kam es zu Veränderungen im Veranstaltungskalender.

Außerdem überraschte Alfa Romeo mit seinem Ausstieg, die Nennsumme für die Einschreibung in die Herstellerwertung wurde trotzdem überwiesen. Auch Ford stieg aus der Serie aus, sagte lediglich noch technische Unterstützung zu. BMW hingegen präsentierte ein neues Modell seines 3ers.

Statt sechs waren vier Zylinder verbaut. Das Konzept ging auf. BMW siegte auch in diesem Jahr.

2007

Aufgrund des Heckantriebs der BMW-Fahrzeuge kam es 2007 zu einer Regeländerung. Nach der Einführungsrunde gab es einen fliegenden Start.

Auch die Gewichtsverteilung wurde neu festgelegt. Zwei Stadtstrecken und ein ehemaliger Formel-1-Kurs ergänzten die bisherige Strecke, Monza rückte an den vorletzten Austragungsplatz.

Die Umstellung bei Seat von Benzin auf Diesel sorgte nicht nur für Aufsehen, sondern auch für einen Sieg beim Rennen in Oschersleben. Volvo ging mit einem Ethanolfahrzeug an den Start.

2008-2011

  • 2008 wurden 24 Weltmeisterschaftsläufe ausgetragen. Am Ende siegte Yvan Muller in seinem Seat.
  • Im Jahr 2009 konnte Seat seinen WM-Titel mit Gabriele Tarquini verteidigen.
  • 2010 machte sich die Wirtschaftskrise bemerkbar. Lada stieg aus, BMW ging mit nur zwei Fahrzeugen an den Start, Seat verzichtete auf den Werkseinsatz. Es gewannen Yvan Muller und Chevrolet.
  • Für 2011 gilt ein neues Reglement. Eine Herstellerwertung entfiel, da Chevrolet als einziger Hersteller in dieser Wertung verblieben war. Der Fahrersieg ging erneut an Yvan Muller

2012-2016

  • 2012 wurden das Qualifying modifiziert und nur noch die 1,6-Liter-Turbomotoren zugelassen. Weltmeister wurde im letzten Rennen Rob Huff.
  • 2013 wurden 24 Läufe an 12 Rennwochenenden ausgetragen. In diesem Jahr ging die Trophäe an Yvan Muller.
  • im Jahr 2014 wurden die technischen Fahrzeugmerkmale angepasst und der fliegende Start zu einem stehenden Start angepasst. Siegreich verließ José María López die Strecke.
  • 2015 umfasste der Rennkalender 12 Veranstaltungen mit je zwei Rennen. José María López gelang es, seinen Titel zu verteidigen.
  • 11 Veranstaltungen mit je zwei Rennen entschieden 2016 zum dritten Mal in Folge über den Weltmeister José María López.