Fingerhakeln: Vom Lederriemen bis zur Sitzposition - Herkunft, Regeln, Tricks und Vorbereitung

Fingerhakeln ist eine Art Kraftsport, die mit dem Tauziehen verglichen werden kann. Sie wird hauptsächlich in Bayern und Österreich betrieben. Inzwischen finden jährlich diverse Meisterschaften statt. Es gibt unterschiedliche Gewichts- und Altersklassen. Bei der Durchführung des Wettkampfes sind besondere Regeln zu beachten. Lesen Sie alles Wissenswerte rund um das Fingerhakeln.

Christian Steinfort
Von Christian Steinfort

Alpenländische Tradition - Die Herkunft des Fingerhakelns

Fingerhakeln ist eine Sportart, die unter zwei Gegnern ausgetragen wird. Im ursprünglichen Sinne handelt es sich dabei um einen Volkssport - unter Männern natürlich, denn kaum einer Frau würde es einfallen, sich derart die Finger zu ramponieren.

Und worum geht es, wenn Männer miteinander kämpfen? Um Frauen natürlich. Beim Fingerhakeln wollen sich zwei echte Kerle beweisen. Man könnte diesen Sport also gut mit dem Balzgehabe zweier Auerhähne vergleichen.

Manchmal handelt es sich aber auch um andere Streitigkeiten, die es auszutragen gilt. Diese entstehen häufig im Wirtshaus, wo das Bier gleich krügeweise fließt.

Und da es längst nicht mehr üblich ist, sich mit Waffen zu duellieren und das Wirtshausinventar zu zerstören, werden Wettkämpfe wie das Armdrücken, das Bierkrugstemmen oder eben das Fingerhakeln durchgeführt. So wird entschieden, wer die Zeche zahlt.

In Bayern und Österreich zu Hause

Das Fingerhakeln ist eine echte alpenländische Sportart, die hauptsächlich in Bayern und Österreich ausgetragen wird. Im Wirtshaus ebenso wie zu öffentlichen Feierlichkeiten.

Auch wenn es nach einem Spaß aussehen mag: das Fingerhakeln ist eine ernste Angelegenheit, mit der die Alpenländer ihr Brauchtum pflegen wollen. Außerdem zählen sie es zu ihren guten Sitten, Körper und Geist durch solcherlei Wettbewerbe zu stählen.

Und so werden inzwischen jährlich drei Meisterschaften im Fingerhakeln ausgetragen:

  • die Bayrische Meisterschaft
  • die Alpenländische Meisterschaft und
  • die Deutsche Meisterschaft.

Letztere fand bereits über fünfzig Mal statt, wobei jeweils mit etwa einhundertfünfzig Teilnehmern zu rechnen war.

Gewichts- und Altersklassen

Bei diesen Wettkämpfen treten jeweils vier Gewichtsklassen und fünf Altersklassen an. Allerdings wird in den Vereinen auch um sehr junge Mitglieder geworben, so dass es bereits eine Altersklasse für Schüler zwischen sechs und acht Jahren gibt, die bei vereinsinternen Wettkämpfen hakelt.

Einer der bekanntesten Vereine in Deutschland dürfte der "Fingerhaklverein Rimbach" im Gau Bayerischer Wald sein. Und wo wurde er gegründet? Im Wirtshaus natürlich, das sich Vereinslokal nennt.

Auch wenn die Hakler längst nicht mehr um die Gunst der Frauen buhlen, pflegen sie eine schöne Tradition. Nordlichter würden übrigens kaum auf solche Wettbewerbe kommen. Vielleicht, weil ihr Wirtshaus Kneipe heißt.

Wettkampfzubehör

"Beide Hakler fertig, zieht!", lautet das Kommando des Schiedsrichters, welches den Beginn des Haklerwettkampfes einleitet. Zuvor müssen alle Anforderungen an das Wettkampfzubehör erfüllt sein.

Tisch und Hocker

Hierzu zählen die Abmessungen des Haklertisches. Die Tischplatte besitzt eine Größe von 109 mal 74 Zentimetern und ist in der Mitte durch eine Linie geteilt. Die Tischhöhe beträgt 79 Zentimeter. Die Kanten desselben benötigen eine Polsterung, welche die Kämpfer vor Verletzungen schützt.

Ebenso ist ein Schutz auf der Unterseite der Tischplatte erforderlich. Er beginnt jeweils 15 Zentimeter von den Stirnseiten entfernt und sollte aus Moosgummi oder festem Schaumstoff bestehen. Der Haklerhocker besitzt eine Sitzfläche von 40 mal 40 Zentimetern, seine Höhe beträgt 48 Zentimeter.

Die Anordnung

Die Hakler sitzen sich am Tisch gegenüber, wobei die Markierung auf der Tischplatte waagerecht zu ihnen verläuft. Die Hacken der Hakler dürfen nicht die Hockerkanten berühren.

Hinter den Haklern sitzt jeweils ein Auffänger, der aufgrund der Verletzungsgefahr keine Brille tragen darf. Er benötigt einen speziellen Hocker mit abgerundeten Kanten. Der Auffänger darf den Wettkampf lediglich lautlos verfolgen und im Fall des Sturzes helfend einspringen.

Der Verlauf

Hat der Schiedsrichter den Haklerring überreicht, dürfen die Teilnehmenden nicht mehr aufstehen. Der so genannte Haklerring, bei dem es sich um einen Lederriemen handelt, wird um die Mittelfinger der Hakler geführt. Er ist etwa 10 Zentimeter lang und 6 bis 8 Zentimeter breit. Je nach Altersgruppe werden unterschiedliche Größen verwendet.

Möglich ist es auch, ohne Haklerring zu kämpfen. Hierzu werden lediglich die Zeigefinger der Hakler ineinandergehakelt.

Nachdem der Schiedsrichter besagtes Kommando gegeben hat, ist es Ziel, den Gegner im wörtlichen Sinne über den Tisch zu ziehen. Der Hakler darf sich dazu mit einer Hand und einem Schienbein am Tisch abstützen.

Die Bewertung erfolgt nach Punkten. Nach zweimaliger Niederlage kommt es zu einem K.O., der Unterlegene scheidet aus.

Die Rolle des Schiedsrichters

Aufgabe des Schiedsrichters ist es, die Einhaltung dieser Regeln zu kontrollieren und die Größe des Lederriemens auszuwählen. Ihm stehen

  • ein Schreiber
  • ein Beisitzer und
  • ein Ansager, der gleichzeitig Kampfgerichtsvorsitzender ist,

zur Seite.

Taktiken und Tipps für erfolgreiche Fingerhakler

Um jemanden im sprichwörtlichen Sinne über den Tisch zu ziehen, sind Taktik und Tricks erforderlich. Beim Fingerhakeln, welches den Grundstein für das Sprichwort legte, ist das nicht anders. Im Hinblick auf das Verletzungsrisiko ist es ohnehin ratsam, sich auf Fingerhaklerwettkämpfe vorzubereiten.

Die Relevanz mentaler Stärke

Das Fingerhakeln verlangt körperliche und geistige Fähigkeiten. Nicht umsonst werden zu Wettkämpfen nur Hakler zugelassen, die über einen guten Leumund und einen festen Charakter verfügen.

Zum Hakeln bedarf es also mehr als Kraft. Es kommt darauf an,

  • den Gegner vor und während des Hakelns richtig einzuschätzen,
  • den Dehnungsschmerz im Zugfinger zu überwinden und
  • dennoch einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck zu präsentieren oder besser einen, der den Gegner einschüchtert.

Das richtige Training zur Vorbereitung

Vorbereitung: Zur Vorbereitung hängen sich die Teilnehmer mit dem Zugfinger z.B. an Haken oder Möbelstücke.

Vor einem Wettkampf ist es notwendig, dass der Hakler seinen Körper trainiert. Ohne eine dicke Hornhaut an der Innenseite des Zugfingers kommt es regelmäßig zu schmerzhaften Verletzungen.

Dünne Haut reißt einfach ab. Ebenso können Bänder und Sehnen reißen, Gelenke auskugeln. Die aufzuwendende Kraft stammt nur teilweise aus dem Zugfinger, der größte Teil ist Schulterkraft.

Zum Training hängen sich Hakler gern an Deckenhaken, mit dem Zugfinger natürlich. Dort verbleiben sie, solange die Kraft reicht. Und obendrein bildet sich die benötigte Hornhaut. Andere Hakler verwenden

an die sie sich hängen.

Weitere Tipps und Tricks

  • Um ein Abrutschen des Zugfingers während des Wettkampfes zu verhindern, wird dieser mit Magnesiumpulver eingerieben. Andere Hilfsmittel sind nicht erlaubt.

  • Beim Einhakeln empfiehlt es sich, mit der Hand eine Faust zu ballen und diese mit dem Daumen abzudecken. So wird eine bessere Kraftverteilung erzielt.

  • Außerdem sollten die Möglichkeiten einer optimalen Sitzposition nach den Regeln des Fingerhakelns genutzt werden. Das bedeutet, dass der Hakler sich mit einer Hand und einem Schienbein an der Tischkante abstützt. Ohne ein entsprechendes Abstützen ist der Wettkampf sofort verloren.

  • Das Ziehen sollte kontrolliert erfolgen, wobei sich der Hakler nicht nur auf seine Fingerkraft, sondern auf die des gesamten Armes und der Schulter konzentriert.

Verletzungsgefahren und Alternativen

Wenn man sich vorstellt, dass man mit großer Kraft an dem Finger eines Gegners zieht, sind die Gedanken an mögliche Verletzungen gar nicht so abwegig. Zu den typischen Blessuren zählen dabei Abschürfungen an der Hornhaut sowie verrenkte Finger.

Doch auch Gelenkabrisse und Knochenbrüche kommen vor. Diese Verletzungen lassen sich durch Anwendung eines Lederriemens zumindest ein wenig eindämmen.

Neben dem traditionellen Fingerhakeln konnten sich im Laufe der Zeit auch einige Abarten entwickeln. Zu diesen zählt beispielsweise das Boahakeln.

Dabei liegen die Gegner auf dem Boden und verknoten ihre Kniekehlen ineinander. Ziel ist, das Bein des anderen auf den Boden zu drücken.

Des Weiteren gibt es das Gnackziagn. Man kniet sich dafür auf den Boden und steckt den Kopf durch einen Tuchstrang.

Nun ist Nackenarbeit gefragt. Im Rückwärtsgang muss man seinen Gegner über eine Linie ziehen.