Heutige Bedeutung und Verbreitung in der westlichen Kultur
Während das Tragen von Piercings in den östlichen Ländern eine lange Tradition besitzt, hielt es wahrscheinlich, ausgenommen vom Stechen der Ohrlöcher, erst zum Ende des 20. Jahrhunderts Einzug in westliche Kulturen. In den meisten Fällen werden Piercings in Europa als modisches Accessoire benutzt.
Bisher ist es umstritten, ob Piercings bereits in früheren Jahrhunderten in Europa getragen wurden. Einige Überlieferungen gehen davon aus, dass bestimmte Piercings eine zeitweilige Modeerscheinung waren. Tatsächlich belegen lassen sich diese aber nicht.
Das Stechen von Ohrlöchern
Erst im 20. Jahrhundert begannen Juweliere, Ohrlöcher zu stechen. Zunächst nur bei den Damen. Wer mutig genug war, stach sich die Ohrlöcher selbst.
Wurden Männer mit Ohrringen angetroffen, wurden sie bis in die 60er Jahre gesellschaftlich ausgegrenzt. Eine Ausnahme bildeten Zimmermänner, bei denen das Stechen eines Ohrlochs traditionell zur Walz gehörte.
Erst mit dem Einzug der Hippie-Mode wurde das Piercen bei beiden Geschlechtern beliebt und zumindest teilweise akzeptiert.
Entwicklung des Bodypiercings
Zur selben Zeit etablierte sich das Stechen des rechten Ohrlochs in der Schwulenszene. Es galt vielerorts als Erkennungszeichen unter Gleichgesinnten. In diesen Kreisen führte man kurze Zeit später auch das Bodypiercing ein.
Erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts verbreitete sich neben anderen Formen des Körperschmucks das Piercen durch die Modern Primitives in Kalifornien.
Dennoch blieb das Piercen zunächst auch weiterhin wenigen Kreisen vorbehalten. Zu erwähnen wären die Punker-Szene sowie die Anhänger des Sadomasochismus. Erst ein Musikvideo, bei dem ein Bauchnabelpiercing gestochen wurde, sorgte für Aufmerksamkeit unter jungen Leuten sowie folglich für eine hohe Nachfrage.
Ab Mitte der 90er Jahre wurde das Piercen zum Trend. In der Folgezeit setzten verschiedene Film- und Musikstars im Hinblick auf die Piercingformen Trends. Seitdem werden nicht nur der Bauchnabel, sondern auch andere Körperregionen mit Piercingschmuck versehen.
Heutige Möglichkeiten
Seither wechseln sich technische und gestalterische Neuentwicklungen mit traditionellen Wiederbelebungen ab. Statistisch betrachtet lassen sich
- jüngere Menschen häufiger als alte und
- weibliche öfter als männliche
piercen. Auch bezüglich der gestochenen Hautregion gibt es geschlechtsspezifische und alterstypische Unterschiede. Grundsätzlich kann je nach individueller Vorliebe beinahe jeder Körperbereich mit einem Piercing versehen werden. Neben den stets sichtbaren Piercings im Gesicht werden unter anderem
- der Bauchnabel,
- die Hüfte,
- der Bereich zwischen Daumen und Zeigefinger,
- der Nacken,
- das Dekolleté und
- der Intimbereich gepierct.
Doch trotz der unterschiedlichen Techniken und Möglichkeiten stellt das Ohrmuschelpiercing nach wie vor die häufigste Piercingart in Europa dar.
Surface Weaving
Eine relativ neue Art des Oberflächenpiercings ist das Surface Weaving, bei dem ein und dasselbe Schmuckstück gleich mehrere Piercings durchläuft. Es besitzt eine spezielle Form oder besteht aus flexiblem Material. Wie bei jedem anderen Oberflächenpiercing liegen die Einstichs- und Austrittsstelle auf einer Ebene.
Aus der Tradition anderer Kulturkreise wurde das Septumpiercing übernommen.
Flesh Tunnel und Intimschmuck
Und auch das Weiten der Ohrläppchen ist ein modischer Trend, den es in vielen indigen Völkern schon seit Jahrhunderten gibt. In den letzten Jahren wurde auch dem Intimpiercing eine größere Bedeutung zugemessen, obwohl auch dieses in Urzeiten bereits als Opfergabe praktiziert wurde. Es steht heutzutage eng mit der Enthaarung des Intimbereichs im Zusammenhang, die mehr oder weniger auch zu einem modischen Trend gehört.
