Formen und Bedeutung traditioneller Piercings

Piercings wurden schon vor vielen tausend Jahren getragen. Wahrscheinlich entwickelte man diese Form des Körperschmucks in verschiedenen Kulturen gleichzeitig. Traditionelle Piercings bestanden zumeist aus organischen Materialien, ihre Größe und Formen unterschieden sich je nach symbolischer und ritueller Bedeutung.

Britta Josten
Von Britta Josten

Bereits die Ureinwohner von Amerika und Asien trugen Piercings im Gesicht und in den Genitalien. Besonders beeindruckend sind die traditionellen Piercings aus Afrika.

Der ursprünglich verwendete Schmuck bestand aus reinen Naturmaterialien. Zur Verwendung kamen:

  • Tierknochen,
  • Hölzer, aber auch
  • gefertigte Schmuckstücke aus Ton, Metall, Quarz oder Perlmutt.

Gedehnte Ohrläppchen

Ebenfalls sehr beliebt war Horn, welches teilweise in seiner ursprünglichen kegelähnlichen Form belassen wurde. Auf diese Weise konnte mit ein und demselben Schmuckstück der Stichkanal nach und nach gedehnt werden. Obwohl sogenannte geweitete Piercings in den westlichen Kulturen erst seit einigen Jahren modern sind, wurden sie traditionell schon viel früher getragen.

Auch die überlieferten Abbildungen der Azteken und Olmeken weisen einen solchen Körperschmuck auf. Die Totenmaske des Tutanchamun aus dem alten Ägypten sowie verschiedene Buddha-Statuen hingegen zeigen gedehnte Ohrläppchen.

Septumpiercing und Lippenpflöcke

Der zweithäufigste traditionell gestochene Körperschmuck ist das Septumpiercing, das durch die Nasenscheidewand geführt wird. Es kam zunächst

  • in Afrika,
  • in Asien,
  • in Amerika und
  • im Pazifikraum

zur Anwendung. Häufig wurde es im Rahmen von Zeremonien zur Aufnahme von Kriegern in den Stammeskreis gestochen.

  • Das kenianische Septum- und Ohrpiercing bestand aus Aluminium und trug die Form von Blättern. Diese besaßen diverse Prägungen mit unterschiedlicher symbolischer Bedeutung.

  • Bei den westafrikanischen Fulbe wurden ebenfalls Ohr- oder Nasenringe mit floralen Mustern getragen. Auch Tierornamente kamen zum Einsatz. Letztere Schmuckstücke bestanden häufig aus Gold.

  • Als Statussymbol können die Nasenringe des assyrischen Königs Assurhaddon betrachtet werden, welche an einer Stele gezeigt werden. Sie bestehen aus Seilen, an welchen die Könige Tyros und Ägypten hängen. Diese Art von Piercing stellt ein Abhängigkeitsverhältnis dar.

  • Auch in Indien, Nepal oder Sri Lanka wurden seit jeher Piercings als Statussymbol getragen. Je größer das Schmuckstück, je beeindruckender dessen Verzierung und je wertvoller das Material war, desto größer war das Ansehen des Gepiercten. Besonders beliebt war das Nasenpiercing, welches teilweise sogar bis über den Mundbereich hinausreichte.

  • In Amerika konnte man den gesellschaftlichen Stand eines Gepiercten ebenfalls an der Form, der Größe und dem Material des Schmuckstücks ablesen. Häuptlinge von Indianerstämmen beispielsweise trugen stets sehr große und auffallende Piercings.

Ebenfalls sehr beliebt sind seit langer Zeit Lippenpflöcke, die in verschiedenen Kulturkreisen getragen werden.

Tellerlippen

Bei verschiedenen afrikanischen und amerikanischen Kulturen wurden sogenannte Tellerlippen als besonders schön angesehen. Sie wurden mithilfe eines Lippentellers erzielt. Dabei handelte es sich um eine Tonscheibe, welche in die aufgeschlitzte Lippe gesetzt wurde.

Nach und nach dehnte sich das Gewebe im Lippenbereich. Je größer die Tonscheibe war, desto größer war das Ansehen des Gepiercten. Ähnliche Piercings wurden durch das Einsetzen von Tonscheiben im Bereich der Ohrläppchen erzielt.

Auch heute noch können in einigen Kulturkreisen diese Art Schmuckstücke bewundert werden. Allerdings trägt man sie inzwischen eher als Anziehungspunkt für Touristen.

Die in Indien gestochenen traditionellen Piercings im Nasen- und Ohrbereich, die mit einem Stecker versehen wurden, sollten ein Schutz vor Krankheiten sein. Im Gegensatz zu Nasen- und Ohrsteckern, die lediglich aufgrund modischer Trends getragen werden, sieht der Hinduismus das Stechen von Ohr- und Nasenlöchern als eine Art gesundheitlicher Vorsorgemaßnahme an.

Über die Formen traditioneller Piercings in Europa ist nur wenig bekannt. Belegt werden kann die Verwendung von Ohrschmuck vor 2.600 Jahren durch eine Bronzemaske der Kelten.